Jon Christoph Berndt über die Bedeutung der Marke Ich. Wofür schlägt Ihr Herz, wofür brennen Sie? Der Markenexperte erklärt, warum man das eigene Profil schärfen muss.

Hamburger Abendblatt: Mit Margot Käßmann ist in dieser Woche eine starke menschliche Marke gestürzt. Welche Lehren ziehen Sie daraus?

Jon Christoph Berndt: Je stärker und sympathischer eine Markenpersönlichkeit ist, desto besser behauptet sie sich in schwierigen Zeiten. Bei Frau Käßmann bedeutet das, und dieses Bild zeichnet ja auch die öffentliche Meinung, dass sie nicht hätte zurücktreten müssen. Mehr noch: Eine derart menschliche Verfehlung lässt uns gerade eine so machtvolle EKD-Ratsvorsitzende, bei ja durchaus berechtigtem Wie-konnte-sie-nur-Vorwurf, so schön fehlbar wie wir selbst und damit so schön greifbar, menschlich, nah sein. Jetzt wird ihr entschlossener klarer Schnitt dafür sorgen, dass die Marke Margot Käßmann in absehbarer Zeit umso stärker und sympathischer auf die gesellschaftspolitische Bühne zurückkehrt.

Abendblatt: Der Fall zeigt aber auch, dass im medialen Zeitalter die Person das Amt trägt und nicht mehr wie früher das Amt die Person. Ein klares Indiz dafür, dass der Mensch als Marke immer wichtiger wird, oder ?

Berndt: Das stimmt. Gerade in der heutigen Informationsflut ist es entscheidend, seine eigene Markenpersönlichkeit herauszuarbeiten: Wer bin ich? Wofür stehe ich? Was ist mein wahrer Antrieb? Nur, wenn mir das klar ist, kann ich es so kommunizieren, dass es auch anderen klar wird.

Abendblatt: Das Ziel Ihres Konzepts "Human Branding" ist es, den Menschen ein Bewusstsein für diese Entwicklung des eigenen Profils zu geben. Was hat das Bewusstsein für die Marke Ich mit Berufung zu tun?

Berndt: Die entscheidende Frage ist: Wozu fühle ich mich denn berufen? Das kann eine berufliche Tätigkeit sein, aber auch eine soziale Rolle wie Vater, Mutter, Freund oder ehrenamtliche Aktivitäten. Die Karriere wird oft nur materiell betrachtet: Welchen Job will ich machen, um viel Geld zu verdienen? Aber das greift viel zu kurz. Ich muss mir darüber klar werden, wofür mein Herz schlägt, wofür ich brenne und was ich auf keinen Fall tun möchte - und zwar beruflich und privat.

Abendblatt: Bei jedem Kontakt mit Kunden oder Geschäftspartnern bin ich als Markenbotschafter für mein Unternehmen tätig. Zugleich bin ich aber auch Markenbotschafter in eigener Sache. Inwiefern steht das im Widerspruch?

Berndt: Für Unternehmen, die mit unserem Konzept arbeiten, ist das erst mal eine Hemmschwelle. Sie möchten eigentlich gar nicht, dass der Mensch sich mit den Techniken, mit denen Unternehmen Produkte erfolgreich positionieren, auch erfolgreich zur Marke macht. Die Befürchtung ist, dass Mitarbeiter dadurch so stark werden, dass sie sagen: "Ihr könnt mich alle mal gernhaben, ich kündige und mache mich selbstständig." Dabei ist der profilierte und motivierte Mitarbeiter als Botschafter der Unternehmensmarke ein echter gewinnbringender Faktor. Und wenn ich meine Mitarbeiter anleite, ihre persönliche Einzigartigkeit auf den Punkt zu bringen, ist das auch der zeitgemäße Umgang mit dem sogenannten Humankapital.

Abendblatt: Inwiefern?

Berndt: So verdeutliche ich dem Einzelnen, dass er nicht nur eine Personalnummer ist, sondern ein mündiger Mitarbeiter. Das schließt auch die Botschaft ein: Ich kann dich sowieso nicht im Betrieb halten, wenn du nicht möchtest, und du kannst nicht an mir kleben, wenn ich als dein Arbeitgeber es nicht möchte. Also lass uns nicht nur nach dem Motto "Seid nett zueinander", sondern "Seid offen und transparent zueinander" gemeinsam klären, was die oft zitierte Win-win-Situation wirklich für uns bedeutet. Und daraus entwickeln wir gemeinsam Ziele.

Abendblatt: Und was hat das für Konsequenzen in der betrieblichen Praxis?

Berndt: Seien wir ehrlich, Alibi-Personalentwicklungsmaßnahmen wie Hochseilgarten-Geturne und Rafting bringen nicht wirklich weiter. Stattdessen führen Mitarbeiter mit Human Branding all das, was sie privat und beruflich umtreibt, wirklich mal zum Kern und finden so heraus, was sie tatsächlich antreibt. Diese Marken-PS kann jeder einzelne dann sowohl im Job als auch privat auf die Straße bringen. Im Ergebnis ist jeder viel zufriedener mit sich und seinem Alltag.