Ein Unternehmen hat zu viel Arbeit, das andere zu viele Beschäftigte - ein neues Portal will sie zusammenbringen. Klappt das?

Philipp Lahm ist seinem Arbeitgeber treu. Seit 15 Jahren gehört er zum FC Bayern München. Über die Jugendmannschaft und die zweiten Herren ist er in die erste Liga hineingewachsen. Letzteres allerdings beim VfB Stuttgart - mangels Einsatzmöglichkeiten bei seinem Stammverein. 2003 wurde Lahm an den VfB verliehen. Bei Bayern wäre der Außenverteidiger in den folgenden zwei Jahren kaum zum Zuge gekommen: Seine bevorzugten Positionen wurden von anderen Spielern besetzt. Trotzdem wollten die Münchner das Talent halten. Lahm wurde "Leiharbeitnehmer" (und bald Leistungsträger) in Stuttgart. Zwei Jahre später kehrte er zurück zu seinem Heimatverein, mit neuen Erfahrungen und viel Spielpraxis. Funktioniert so ein Modell auch in der Wirtschaft? Bei personellen Überhängen nicht zu kündigen, sondern gute Mitarbeiter auf Zeit an andere Unternehmen zu entleihen?

Torsten Krug glaubt, ja. Er ist Geschäftsführer der Stiftung der deutschen Wirtschaft für Arbeit und Beschäftigung GmbH (SWAB) in Berlin. Zum Stiftungsrat gehören Vorstände von unter anderem Beiersdorf, der Allianz, der Commerzbank. Unter dem Dach der Stiftung ist im Spätsommer 2009 das Projekt "The Professional Transfer Center" ( www.professional-tc.de ) aufgesetzt worden. "Bevor Unternehmen Leute entlassen müssen, können sie gut ausgebildete Akademiker über diese Plattform in Projekte bei anderen - branchenfremden - Firmen vermitteln", erklärt Krug.

Der ursprüngliche Arbeitsvertrag bleibe dabei unberührt. Das Herkunftsunternehmen zahlt einen aushandelbaren Grundbetrag dafür, dass die Bindung zum Mitarbeiter erhalten bleibt. Die Differenz zum vollen Gehalt zahlt das Unternehmen, in das ausgeliehen wird. "Der Mitarbeiter geht für eine definierte Zeit in die andere Firma", sagt Krug. "Oder - das ist die zweite Variante - der Vertrag wird gelöst, und seine Firma gibt eine Einstellzusage für zum Beispiel in zwei Jahren ab." Ein Instrument gegen Massenarbeitslosigkeit sei das nicht. "Aber es ist ein Baustein."

Viele Experten finden die Idee attraktiv - aber sie zweifeln, ob sie angenommen wird. Und einen Präzedenzfall gibt es noch nicht. Wechselt der Mitarbeiter in ein branchenfremdes Unternehmen, so bräuchte er eine zu lange Einarbeitungszeit, äußert Thomas Moldzio, Geschäftsführer von Moldzio & Partner Institut für Personalauswahl in Tremsbüttel seine Bedenken. Sind sich andererseits die Unternehmen zu ähnlich, sieht er Betriebsgeheimnisse in Gefahr. "Generell ist es schwierig, Mitarbeiter bei Überhängen zu halten", weiß Moldzio. Firmen würden dann meist eine Auswahl treffen und sich von den schlechteren trennen. Wen also würde man gehen lassen?", fragt er. Moldzio sieht derzeit eher den Trend, geschätzte Mitarbeiter aus kränkelnden Bereichen in andere Projekte im eigenen Haus zu versetzen.

"Im Prinzip ist das eine wunderbare Idee", sagt Professor Dr. Michel Domsch, Leiter des Instituts für Personalwesen und Internationales Management (I.P.A.) an der Helmut-Schmidt-Uni in Hamburg. Jeder gute Vorschlag, der den Arbeitsmarkt stützt, sei ihm hochwillkommen. Unternehmen, die sich für das befristete Ausleihen von Mitarbeitern interessieren, müssten fünf Punkte abwägen, empfiehlt Volkswirt Domsch: 1. Fließt Know-how ab? 2. Besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter abgeworben wird? 3. Bringt das Weniger an Personalkosten auf Zeit mehr als es kostet, den Mitarbeiter wieder zu integrieren und eventuell weiterzubilden? 4. Erfährt der Mitarbeiter im anderen Unternehmen eine Personalentwicklung, die auch seinem Herkunftsunternehmen nützt? Und schließlich 5. Sind zukünftige Aufträge abgesichert, wenn man Personal verleiht?

Peter Friederichs, Vorsitzender des Human-Capital-Clubs in Kirchheim sieht den Erfahrungszuwachs der Mitarbeiter als Vorteil. "Das ist quasi wie Interimsmanagement." Doch am Erfolg zweifelt auch Friederichs: Er habe vor einigen Jahren als Personalleiter einer Bank die Gründung eines ähnlichen Netzwerks versucht - "und ängstliche Ablehnung bei den Unternehmen erlebt".

Die Mitarbeiterleihe könne vor allem in Bereichen funktionieren, in denen es weniger auf Branchenkenntnis ankomme, meint Iris Gordelik, Inhaberin der Gordelik AG in Buxtehude. "Marketing und Werbung kann ich auch in anderen Branchen machen - da braucht es keine lange Einarbeitung." Vielleicht führe das Verleihen von Mitarbeitern sogar dazu, dass sich Firmen verstärkt ihrem Employer Branding widmeten, mutmaßt Gordelik. "Schließlich will man den Mitarbeiter ja nicht an das andere Unternehmen verlieren - und das funktioniert nur, wenn man sich selbst als noch attraktiverer Arbeitgeber beweist." Sie glaubt: "Wir müssen uns auf wirtschaftlich immer unwägbarere Zeiten einstellen, da kann jedes Arbeitsmarktinstrument helfen."

Bei Beiersdorf wird die Entwicklung des Projekts Professional-TC interessiert verfolgt. Karin Schürmann, verantwortlich für Legal&Labour Relations, kann sich vorstellen, dass ihr Unternehmen sich aktiv beteiligt - vorausgesetzt, die "Aus-/Entleihbörse" etabliere sich. "Wir denken da beim Ausleihen an befristet aufgesetzte Projekte, die spezielles Know-how erfordern, das im Hause kurzfristig nicht verfügbar ist", erklärt Karin Schürmann. Allerdings stellt sie auch klar: Um erfolgreich zu werden, brauche das Projekt "einen Umdenkensprozess sowohl der Unternehmen wie der Mitarbeiter". Torsten Krug jedenfalls ist überzeugt: "Ab Mitte 2010 wird das Tool in Anspruch genommen." Noch sei der Leidensdruck bei den Firmen - was den Personalüberhang in höheren Positionen angehe - noch nicht so groß.