Viele sind unzufrieden, doch die Krise hält sie in Schockstarre. Ausschreibungen gibt es nicht viele, aber sich initiativ zu bewerben kann heute doch den Erfolg bringen.

Schon nach dem ersten halben Jahr wusste Jürgen Müller, dass er nicht ewig bei seinem Arbeitgeber, einem Großhändler aus dem Hannoveraner Raum, bleiben würde. Zwar hatte der gelernte Kaufmann für Groß- und Außenhandel ein erfolgreiches Konzept für einen Onlineshop des Unternehmens entwickelt. Doch seine anderen Ideen fanden bei der Geschäftsführung wenig Beachtung. "Ich wusste schnell, dass es für mich keinen Sinn hatte, dort weiterzumachen", sagt Müller, der eigentlich anders heißt. Aber er möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Zweimal wurde sein Vertrag jeweils auf ein Jahr befristet. Das zweite Jahr nutzte Müller schließlich, um Kontakte in andere Branchen aufzubauen. "Ich habe nebenbei Geschäftskonzepte entwickelt, um den Absprung zu schaffen", sagt der 33-Jährige. Heute arbeitet er als selbstständiger Kontakter für die Kreativwirtschaft. Müller zieht es vor, etwas zu entwickeln, nicht nur etwas abzuarbeiten. Deshalb ist er selbstständig geworden.

Jeden Montag erfasst Deutschlands Arbeitnehmer der Blues. Besonders in der Mittagspause zwischen 12 und 13 Uhr. Zu dieser Zeit zählen die Stellenbörsen im Internet die meisten Zugriffe. Viele Arbeitnehmer hegen insgeheim den Wunsch, etwas ganz anderes zu machen. Zu den häufigsten Gründen für einen Jobwechsel zählen Umfragen zufolge außer "langweiligen Aufgaben", vor allem "unfähige Chefs", ein "schlechtes Betriebsklima" und die "wirtschaftliche Unsicherheit im Unternehmen".

Doch obwohl die Unzufriedenheit groß ist - nur die wenigsten gehen den letzten entscheidenden Schritt. So sind etwa Topmanager 2009 im Vergleich zu den Vorjahren seltener zu einem Jobwechsel bereit gewesen. Dafür sind für sie der Arbeitsort und die Arbeitsplatzsicherheit wichtiger geworden. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage der internationalen Personalberatung LAB Lachner Aden Beyer & Company. Anstatt sich während der Krise nach neuen Perspektiven umzuschauen, seien die Arbeitnehmer in eine Art Schockstarre verfallen, sagt Klaus Aden, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter. Das Risikobewusstsein sei größer geworden. Die Neigung, den vermeintlich sicheren Arbeitsplatz für eine Stelle bei einem anderen Unternehmen aufzugeben, hingegen ist noch weiter gesunken - bei einem Unternehmen, bei dem eine Probezeit zu durchlaufen ist und es klar ist, "dass der, der zuletzt gekommen ist, als Erster wieder gehen muss", sagt Aden. "Da halten viele lieber die Füße still und warten auf konjunkturell bessere Zeiten." Nicht zu unrecht, findet Anne-Rose Sieland, Inhaberin der Hamburger Personal- und Unternehmensberatung Continyou: "Ein Arbeitsplatzwechsel ist ein sehr komplexer Vorgang", betont sie. Nicht nur momentane Launen, viele verschiedene Komponenten müssen dabei berücksichtigt werden. Außer Kriterien wie Berufserfahrung, Alter und Branche gehörten auch der eigene Lebensentwurf, finanzielle Rücklagen, familiäre Erfordernisse dazu. "Gerade in wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten sollte ein Wechsel nicht eben so aus der Hüfte geschossen werden", warnt Sieland.

Dabei bieten sich laut Personalberater Klaus Laden auch jetzt Chancen für persönliche Veränderungen. "Stellen werden neu definiert und besetzt", sagt der LAB-Chef. Dadurch bekämen Menschen eine Chance, die unter Umständen sonst jahrelang hätten warten müssen. Anne-Rose Sieland sieht das kritischer: Unternehmen würden noch nicht wieder neues Personal suchen. "Nach meiner Beobachtung wird allenfalls nach dem besser ausgebildeten, aber preiswerteren neuen Mitarbeiter als Ersatz für zwei ausgeschiedene gesucht", sagt sie. "Die Arbeitsdichte nimmt zu." Dennoch kann man mit etwas Glück derzeit mit einer Initiativbewerbung einen Treffer landen. "Da die Mitarbeiter in Krisenzeiten in eine Art mentale Winterstarre verfallen, ist der Moment dafür sicherlich gerade günstiger als zu anderen, optimistischeren Zeiten", erklärt Unternehmensberaterin Sieland.

Diskretion ist dabei allerdings die oberste Prämisse. Kollegen sollten nicht in mögliche Wechselpläne eingeweiht werden. Ob Absicht oder nicht - irgendwann kommt auch der Chef dahinter. Und der betrachtet ein solches Verhalten selbstverständlich als illoyal. Es ist am sinnvollsten, allen in der Firma gegenüber zu schweigen - bis der Vertrag beim neuen Arbeitgeber unterschrieben ist. Und erst dann sollte man auch kündigen.

Vorsichtig sein sollten auch diejenigen, die wie Jürgen Müller mit einer Selbstständigkeit liebäugeln. Wer sich selbstständig machen will, sollte sich im angepeilten Bereich zunächst nebenberuflich umtun. So findet man heraus, ob diese Form des Geldverdienstes den eigenen Vorstellungen entspricht - ohne gleich alles auf eine Karte zu setzen. Aber Vorsicht: Niemand sollte einfach heimlich eine Nebentätigkeit aufnehmen. Denn möglicherweise verbietet das der Arbeitsvertrag.

Wann es tatsächlich Zeit ist zu gehen, das muss jeder mit sich selbst ausmachen. Sicherlich wachsen mit jeder neuen Stelle das eigene Wissen und der Erfahrungsschatz. Der Marktwert steigt. Gehaltssprünge sind deshalb beim Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber eher möglich als in der alten Firma. Aus diesen Gründen empfehlen manche Personalberater, in regelmäßigen Abständen den Job zu wechseln. "Es ist kein Fehler, sich in jungen Jahren viel angeschaut zu haben", sagt Martin Schmauder, Professor für Arbeitswissenschaften an der Technischen Universität (TU) Dresden. Zu viele Jobwechsel könnten aber negativ ausgelegt werden.

Und seine Zielrichtung sollte man sowieso nie aus den Augen verlieren, wie Personalberaterin Anne-Rose Sieland betont: "Frei nach Zeneca - wer seinen Hafen nicht kennt, für den kommt jeder Wind aus der falschen Richtung."