Freier Büroraum plus Kinderbetreuung und Fitnessraum für wenig Geld und mit anderen Freiberuflern - in Berlin und Köln funktioniert es.

Bürogemeinschaft und Homeoffice waren gestern! Beim "Coworking" gibt's den Schreibtisch ab zwölf Euro - Kinderbetreuung, Fitnessraum und immer neue Kollegen inklusive. Coworking bedeutet "zusammen arbeiten" und ist der neue Trend auf dem globalen Arbeitsmarkt, der Selbstständige aller beruflichen Schattierungen - wie Grafikdesigner, Unternehmensberater oder Eventmanager - zusammenbringt.

Das Prinzip ist schnell erklärt: Wer als Freiberufler die Nase voll hat von sozialer Vereinsamung im Heimbüro oder den Macken der Kollegen in der Bürogemeinschaft, mietet sich in einem der sogenannten Coworking Spaces (Räume für gemeinsames Arbeiten) ein. Ob für drei Stunden, eine Woche oder bei Bedarf auch für zwei Jahre - die Verträge für die Nutzung eines Schreibtischs sind ebenso flexibel wie die Arbeitszeiten der Kunden.

Den größten Coworking Space Deutschlands gibt es derzeit in Berlin. Das Betahaus steht im Herzen Kreuzbergs und bietet seinen Kunden außer einer Auswahl von 120 Arbeitsplätzen auch regelmäßige Veranstaltungen am Wochenende und nach Feierabend.

"Coworking ist mehr als reines Arbeiten, es beschreibt einen neuen Lebensstil", sagt Madeleine von Mohl, Mitgründerin des Betahauses. Die studierte Germanistin kennt die Leiden der Freiberufler aus eigener Erfahrung. "Wir haben früher selber ein Büro gesucht. Und da war immer das Problem, dass du nur zwei Plätze brauchst, wenn du ein Konzept schreibst, aber 30, wenn du es umsetzt. Nie hatte das Büro die richtige Größe." Im Betahaus ist dieses Problem Geschichte, je nach Bedarf und Platzkapazität können mal fünf und mal zehn Schreibtische oder auch ein ganzer Konferenzraum gebucht werden.

Bei der Umsetzung der Coworking-Idee ließen sich von Mohl und ihre fünf Mitstreiter in New York inspirieren. Weil Mieten in der Metropole teuer sind, taten sich dort zu Beginn des Jahrtausends mehrere Freiberufler zusammen, um sich die monatlichen Kosten zu teilen. "Wir haben das Ganze weiterentwickelt", erzählt von Mohl. "Denn der höchste Wert unserer Nutzer ist die Freiheit flexibel zu sein, heute zu kommen, morgen zu gehen, und nächste Woche in einer anderen Stadt zu arbeiten. Diesen Bedarf decken wir."

Heute tummeln sich im Betahaus Menschen aus allen möglichen Berufssparten: Architekten, Designer, Übersetzer und Rechtsanwälte. "Die unterschiedlichen Hintergründe der Kollegen sind es, die unser Konzept so erfolgreich machen", sagt von Mohl. "Hier trifft die Texterin auf den Illustrator, beide trinken einen Cappuccino im hauseigenen Café, und einige Zeit später erscheint ein gemeinsames Buch." Viele solcher Kooperationen sind im Betahaus schon entstanden.

In Hamburg sind junge Ideenmacher derzeit noch mit der Umsetzung eines solchen Projektes beschäftigt. Aber bald soll es auch hier einen sogenannten Coworking Space geben. Eine typische Startschwierigkeit muss überwunden werden: "Keiner von uns ist in der Lage, erst mal einen Büroraum für 50 bis 60 Leute anzumieten und dann zu gucken, was passiert", erklärt Florian Siepert von der Hamburger Agentur Mindmatters. Darum veranstaltet die Agentur vorerst wöchentlich den "Open Friday", bei dem sie Freischaffenden die Möglichkeit bietet, in den Räumlichkeiten von Mindmatters zu arbeiten. Nicht ganz ohne Selbstzweck: "Der Freitag ist für uns eine große Ideenparty, da verbreitern wir unser Netzwerk und holen interessante Leute ins Haus. Davon können wir als Unternehmen nur profitieren", sagt Siepert.

Bei den Kölner Zeiträumen sind Geschäftsführerin Jacqueline Boyce und ihre Mitarbeiter schon einen Schritt weiter. Dort gibt es außer einem warmen Arbeitsplatz und einem Becher Kaffee sogar eine angegliederte Kindertagesstätte. "Viele Freiberufler haben das Problem, dass um 14 Uhr das Kind vor der Tür steht oder abgeholt werden muss. Dem versuchen wir entgegenzuwirken", erklärt die junge Mutter. In den Kölner Zeiträumen werden daher die Ein- bis Dreijährigen im Erdgeschoss betreut, während Mami oder Papi ein Stockwerk drüber schuften. Auch einen hauseigenen Fitnessraum hat Boyce eingerichtet, "damit unsere Kunden nach der Arbeit nicht noch durch die ganze Stadt bis zum Fitnesscenter fahren müssen". Für jeden Selbstständigen bietet sie so das passende "Rundum-sorglos-Paket", für Sportler, Mütter oder eben auch solche, die nur die üblichen Serviceleistungen wie die Bearbeitung der Post oder eine Rufumleitung in ein zentrales Sekretariat nutzen wollen.

Ihren größten Konkurrenten sieht Jacqueline Boyce im Heimbüro. "Wer mich fragt, ob ein Homeoffice günstiger ist, dem antworte ich mit ja", sagt sie. "Aber wer bei uns arbeitet und seinen Schreibtisch beispielsweise stundenweise bezahlt, der telefoniert nicht erst drei Stunden mit der Freundin, sondern arbeitet einfach effektiver." Ein weiterer positiver Nebeneffekt für die Selbstständigen: Wenn der Drucker kaputt sei oder es einen Wasserschaden gebe, sei eben sie für die Reparatur verantwortlich und nicht die Kunden, sagt Boyce.

Noch steckt Coworking in Deutschland in den Kinderschuhen, aber die Erfolgskurve zeigt steil nach oben. Während es vor zwei Jahren weltweit nur 20 Coworking Spaces gab, sind es heute mehrere Hundert, 30 davon gibt es allein in Deutschland. Sebastian Sooth, Mitgründer der Webseite hallenprojekt.de versucht, diese Entwicklung zu unterstützen, indem er auf seiner Online-Plattform Coworker und Gründungswillige miteinander vernetzt. Das Ziel: ein weltweites Netzwerk aus Coworkern und Coworking Spaces aufzubauen. "In Zukunft soll jeder überall und sofort einen Platz zum Arbeiten finden, innerhalb Deutschlands und weltweit", sagt Sooth. Nur so biete Coworking schließlich das, was es verspricht: Absolute Flexibilität von Raum und Zeit.