Gerade bei inhabergeführten Betrieben gilt: Bewerber wie auch Beschäftigte sollten sich mit den Werten der Firma identifizieren.

Abendblatt: Wenn man an Familienunternehmen denkt, hat man das Bild eines Patriarchen vor Augen, Wolfgang Grupp von Trigema zum Beispiel. Sind Familienfirmen heute noch oft so?

Susanne Dahncke: Ich hüte mich vor Pauschalierungen, aber die patriarchalisch geführten Familienunternehmen gibt es noch sehr häufig, gerade in der Generation der heute um die 60-jährigen Inhaber. Viele von ihnen haben einen sehr klaren Führungsstil, und der heißt: Hier geht es lang. Natürlich wandelt sich das nach und nach, gerade in dem Moment, wenn die Junior-Generation nachkommt, aber im Großen und Ganzen geht es oft noch sehr "väterlich" zu - aber durchaus im positiven Sinne.

Abendblatt: Was ist das Typische an einem Familienunternehmen?

Dahncke: Familienunternehmen sind oft sehr werteorientiert. Viele sind sozial engagiert. Auch intern geht es ihnen überdurchschnittlich häufig um den respektvollen Umgang, ums Füreinandereinstehen, um Tradition und Sicherheit. Es wird viel Wert auf guten Zusammenhalt gelegt. Man ist menschbezogener, während der Einzelne im Konzern eher Aufgaben- oder Funktionsträger ist. Natürlich ist es auch im Familienbetrieb wichtig, Geld zu verdienen. Aber Gewinne zu erzielen ist nicht die einzige Motivation des Inhabers.

Abendblatt: Aber so läuft das doch nicht mehr, wenn eine Firma Hunderte Mitarbeiter hat ...

Dahncke: Doch. Die Kultur bleibt dieselbe - natürlich nur, solange sich keine Konzernstrukturen entwickeln. Generell ist die Atmosphäre im Familienunternehmen kameradschaftlicher, respektvoller, interessierter am Menschen, egal ob es ein kleiner Handwerksbetrieb oder ein Mittelständler mit mehreren Hundert Mitarbeitern ist.

Abendblatt: Welcher Mitarbeiter passt gut in solch eine Firma?

Dahncke : Jedenfalls keiner, der Starallüren hat und sagt: "Hier, ich habe einen Doktortitel und weiß Bescheid!" Es muss jemand sein, der die Werte, die der Unternehmer vorgibt, mitleben möchte. Jemand, der praktisch anpacken kann und dem das möglicherweise vorhandene soziale Engagement der Firma gefällt. Außerdem sollte sich der Mitarbeiter einfühlen können in die Familiendynamik im Unternehmen, zum Beispiel ein Gespür dafür haben, was an informellen Kommunikationsflüssen da ist - ganz besonders, wenn sich die Geschäftsführung aus Mitgliedern mehrerer Familienstämme zusammensetzt.

Abendblatt: Wie selbstständig sind Mitarbeiter im Familienbetrieb?

Dahncke: Je mehr Hierarchiestufen es gibt, desto freier sind auch die Mitarbeiter. Wenn der Inhaber noch sehr stark patriarchalisch orientiert ist, gibt es natürlich eher wenig Stufen.

Abendblatt: Wie kommt man als Mitarbeiter gegen einen sehr dominanten Inhaber an?

Dahncke: "Gegen" ist immer schwer. Ich würde Mitarbeitern raten: Guckt, dass ihr ergänzend arbeitet zu dem, was der Inhaber will. Er hat eine Idee, und die verfolgt er. Und wenn ein Mitarbeiter versucht, dagegen anzugehen, hält der Inhaber auch dagegen - das ist eine psychologisch nachvollziehbare Reaktion. Wenn man aber Ergänzungsvorschläge macht, hat man bessere Chancen, Gehör zu finden. Generell sollte man aber, bevor man einen Vertrag bei einem Familienunternehmen unterschreibt, herausfinden, ob die Chemie stimmt, ob man den Inhaber "riechen" kann. Ist das nicht der Fall, sollte man ganz die Finger davon lassen. Denn an dem kommt man nicht vorbei!

Abendblatt: Wenn man sich in einem Familienunternehmen bewerben will, gibt es spezielle Tipps dafür?

Dahncke: Generell kann man sagen, dass es wichtig ist, eine bodenständige Bewerbung einzureichen. Nehmen Sie nichts Extravagantes, keine schicken Ledermappen oder eine sonst wie auffällige Gestaltung, die Blickfang sein soll. Gestalten Sie Ihre Bewerbung ordentlich, seriös, professionell, aber nicht "überkandidelt"! Und seien Sie transparent: Wer interessiert ist, ins Management, eventuell sogar in die Unternehmensnachfolge einzusteigen, sollte das ruhig formulieren. Fallen Sie nicht mit der Tür ins Haus - aber zeigen Sie, dass Interesse besteht. Darüber hinaus finde ich wichtig zu zeigen, dass man an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert ist und dass man den Job nicht bloß als eine Station auf seinem Karriereweg ansieht. Familienunternehmen legen großen Wert auf Kontinuität.

Abendblatt: Muss man sich als Berufseinsteiger eigentlich entscheiden - Familienunternehmen oder Konzern?

Dahncke: Nicht zwingend. Aber es ist schon so: Wenn es einem gefällt, in eher familiären Strukturen zu arbeiten, liegt einem das Familienunternehmen näher und man fühlt sich möglicherweise fremd, wenn man in einen Konzern wechselt. Umgekehrt, wenn man aus dem Konzern kommt und in den Familienbetrieb geht, wird es aber auch schwierig. Dort sind Spezialisten gefragt, im Familienunternehmen eher die Generalisten. Im Konzern gibt es für alles eine eigene Abteilung. Wenn ich etwa mit meinem Powerpoint nicht klarkomme, rufe ich dort in der IT-Abteilung an. In den eher mittelständischen Familienfirmen muss man sich oft noch selbst helfen. Wer als Berufseinsteiger unschlüssig ist, sollte in beiden Unternehmensformen mal ein Praktikum machen.