Die Chefetage hat ein falsches Bild von sich, glaubt unser Gastautor. Vorgesetzte sind keine Piloten des Unternehmens - sie sind Heizer!

Wer Teams und einzelnen Menschen die Freiheit und den Raum zum Handeln gibt, leistet echte Führungsarbeit. Wer dagegen versucht, seine Mitarbeiter gezielt zu steuern und Anweisungen ausgibt, ist höchstens ein Manager. Man führt oder man managt. Niemand kann zugleich führen und managen.

Manager entscheiden, weil sie glauben, sie seien die einzigen, die entscheiden können. Ausführen müssen die Untergebenen. Wo liegt der Hase im Pfeffer? Wer die Verantwortung für seine Entscheidung trägt, entscheidet anders, nämlich verantwortlich. Und wer Verantwortung und Handeln in Organisationen systematisch voneinander trennt, der institutionalisiert Beliebigkeit und Verantwortungslosigkeit. Und das ist das, was die meisten großen und mittleren Unternehmen in den letzten Jahrzehnten aktiv getan oder passiv zugelassen haben. Wir nennen es Management.

Nur wenig emotionale Bindung ans Unternehmen

Die meisten Menschen in unserer Arbeitswelt haben sich genau daran gewöhnt. Und fühlen sich damit nicht wohl. Beweise? Sind öffentlich: 67Prozent der Deutschen fühlen sich emotional nicht an ihr Unternehmen gebunden und machen Dienst nach Vorschrift, so die Ergebnisse einer Umfrage des renommierten Washingtoner Meinungsforschungsinstituts Gallup.

Glauben Sie niemandem, der Ihnen erzählt, Manager seien vergleichbar mit dem Piloten, der ein Flugzeug {fllig}iegt, oder mit dem Dirigenten, der vor seinem Orchester steht. Das ist Unfug. Heroismus. Management ist schlicht: Maschinenbefeuerung. Die Maschine am Laufen halten. Kohle in den Ofen schippen. Manager sind Heizer.

Unternehmen brauchen keine Übermenschen, die alles verkraften, die alles können und alles entscheiden. Unternehmen brauchen lediglich ein Verständnis dafür, dass alle im Unternehmen talentierte Menschen sind, inklusive der Manager. Jeder Mensch in einer Organisation ist wertvoll.

Die Tragödie der Manager ist: Sie fühlen sich gezwungen, Dinge zu entscheiden, die sie eigentlich nicht entscheiden dürften. In Boomzeiten heißt das: Anhäufung und Wachstum über alle Maßen, Aktienkurse und Unternehmensergebnisse manipulieren. Und in der Krise: Sparen, kürzen, entlassen. Ja, wer hat denn gesagt, dass man das so tun muss? So zu handeln ist Hybris. Manager glauben tatsächlich, sie müssten so agieren, weil es sonst keiner könne.

In Wahrheit ist "Kosten verbessern" eine höchst trockene, akribische, beharrliche Detailarbeit, die von niemand anderem erledigt werden kann als von genau den Menschen, die in den Prozessen selbst arbeiten. Kosteneinsparungen à la Management sind gar keine wirklichen Kosteneinsparungen, sondern Schnitte ins Fleisch des Unternehmens. Da wird nichts optimiert, da werden ganze Gliedmaßen abgetrennt. Mit jedem Mitarbeiter, der entlassen wird, geht nicht einfach nur ein Kostenfaktor, sondern es geht auch ein Umsatzfaktor verloren. Und der Führende?

Als Führende müssen wir Mitarbeitern vertrauen, ihnen etwas zutrauen. Regeln können das nicht ersetzen. Regeln gelten immer nur für die Erfahrungen der Vergangenheit. Wenn sich die Welt nicht verändern würde, könnte das klappen. Aber weil die Welt den Regeln nicht folgt, Pläne nicht beachtet und Budgets über den Haufen schmeißt, sollte man die Menschen selber denken und handeln lassen.

Man sucht nicht den Fehler, sondern den Schuldigen

Unternehmen haben gar keine Wahl. Die Welt dreht und verändert sich nun mal. In gemanagten Unternehmen will man das so nicht sehen, sondern sich nach Zuständigkeiten organisieren. In Zuständigkeitskulturen ist die entscheidende Frage, nämlich die, wo im System der Fehler liegt, gar nicht möglich. Stattdessen fragt man nach dem Schuldigen, findet zumeist eine Person und feuert zur Not einen Sündenbock. Die Lösung heißt Verantwortung für alle.

Die Realität ist aber doch, dass die meisten Menschen gar keine Verantwortung übernehmen wollen. Denn wer in einer Zuständigkeitskultur Verantwortung übernimmt, wird letztlich abgestraft. Die Frage muss also lauten: Warum können es sich Mitarbeiter nicht leisten, im Unternehmen Verantwortung zu übernehmen? Wenn das geklärt ist, kommt der nächste Schritt.

Das sind Sünden, wenn nicht gar Verbrechen der Vergangenheit. Das einzige was man im Heute tun kann, wenn man die Verantwortung wieder wecken will: Wieder zulassen, wieder angewöhnen. Man muss die Komfortzonen abschaffen, Schritt für Schritt. Das ist eine Führungsaufgabe. Komfortzonen gibt es immer dort, wo es Hierarchie und Bürokratie gibt. Also muss es diesen beiden Feinden an den Kragen gehen.

Wenn Führung nicht mehr dafür da sein muss, die Arbeit anderer zu steuern und zu kontrollieren, Antworten auf alles zu geben, dann verändert sich auch der Inhalt von Führung massiv. Man braucht keine Führungskräfte mehr mit dem Mandat, explizit und ausschließlich zu führen. Führung wird zu einem Arbeitsinhalt aller. Und man führt, je nach augenblicklicher Rolle, mal mehr und mal weniger.

Man braucht keine "Führungskräfte"- Menschen, denen wir einreden, sie müssten für andere die Funktion des Führens übernehmen. Dauerhaft. Was gebraucht wird, ist Führungsarbeit. Führungsarbeit ist für alle da, und jemand der gar nicht führen will, der sollte durch eine Maschine ersetzt und entlassen werden.