Firmengründung in der Krise: Wer gegen etablierte Mitbewerber bestehen muss, profitiert von den Sparzwängen bei den Kunden.

Hamburger Abendblatt: Ihr Unternehmen haben Sie 2003 in der Krise gegründet. Welche Schwierigkeiten haben Sie dabei erlebt?

Christoph Nehring: Sowohl Bekannte, aber auch die Banken haben mir damals abgeraten. Ein KfW-Kredit wurde mir nicht gewährt. Die Bankberater wollten nicht einmal ein Minimum an Risiko eingehen. Ich habe dann mit einem privaten Darlehen trotzdem meine Firmengründung gewagt. Aus heutiger Sicht war es genau der richtige Zeitpunkt, als Existenzgründer durchzustarten.

Abendblatt: Warum?

Nehring: Weil ich über den Preis erfolgreich in den Wettbewerb gehen konnte. Mit Leistung können natürlich auch die etablierten Mitbewerber überzeugen. Da sind Kunden einem neuen Anbieter gegenüber vielleicht erst einmal skeptisch. Aber in einer solchen Krisensituation wie damals und heute sind die Unternehmen sehr preissensibel. Das sind sie in wirtschaftlich guten Zeiten nicht; dann überdenkt kaum jemand seine Dienstleisterstrukturen. In einer Phase, in der Unternehmen Verluste machen, sind bereits zehn Prozent weniger Kosten bei den Beratern attraktiv.

Abendblatt: Die Krise ist also die große Chance für Billigheimer?

Nehring: Natürlich geht es in der Krise über den Preis. Die etablierten Firmen haben über Jahre ständig wachsende Fixkostenstrukturen aufgebaut. Ein Existenzgründer schleppt diesen Kostenballast nicht mit sich herum; er kann eine Dienstleistung viel günstiger anbieten und verdient zu einem früheren Zeitpunkt Geld als große Organisationen.

Abendblatt: Wie viel günstiger konnten Sie denn damals sein?

Nehring: Ich habe meine Dienste rund 30 Prozent unter dem üblichen Preisniveau angeboten.

Abendblatt: Um danach die Preise anzuziehen?

Nehring: Meine ersten Kunden durften den Tarif der ersten Stunde behalten. Bei allen Neukunden wurden danach die Preise auf 20 oder 15 Prozent unter den Konditionen großer Mitbewerber festgesetzt - und darüber hat niemand gejammert. Sie kommen über den Preis in den Markt, können ihn aber sukzessive anheben.

Abendblatt: War es in der letzten Wirtschaftskrise einfacher, eine eigene Firma zu gründen?

Nehring: Die meisten Unternehmen sind sozusagen satt in die Krise nach dem 11. September gerutscht. Sie hatten viel Personal, aufgeblähte Kostenstrukturen und damit auch noch viele Möglichkeiten, sich kreativ zu verschlanken und Prozesse auszulagern an externe Dienstleister. Davon haben natürlich in den Jahren 2003 bis 2005 auch viele Existenzgründer profitiert. Jetzt können sich die Firmen aber nicht mehr neu erfinden, weil es kaum noch Einsparpotenzial gibt. Das ist eine grausame Situation für die Firmenleitung: Auf einen Nachfrageabriss kann ich nur mit einer Kürzung meiner personellen Kapazitäten reagieren, Prozesse lassen sich eigentlich kaum noch verschlanken. Kurzum: Ja, es war damals sicher leichter, sich selbstständig zu machen als heute.

Abendblatt: Sind Gründer, die als Angestellte bereits solide Branchenkenntnisse gesammelt haben, im Vorteil?

Nehring: Unbedingt. Sie wissen, wie der Markt tickt und sind oft bereits vernetzt und kennen die wichtigen Ansprechpartner. Wichtig ist insbesondere, dass man im Idealfall bereits mit ein oder zwei festen Kunden startet.