Damit der persönliche Wissenstransfer funktioniert, müssen Mentor und Mentee zueinander passen.

"So, mein Lieber! Ich bin dann jetzt mal für ein paar Jahre weg - aber wenn du irgendwie Hilfe brauchst: Auf meinen erfahrenen Kumpel Mentor kannst du zählen, der kann dir in allen Lebenslagen zur Seite stehen." So - oder zumindest so ähnlich - verabschiedete sich Odysseus von seinem Sohn Telemachos, bevor er sieben Jahre lang in der Welt umherirrte.

Wenn die Eltern der Jugend nicht mit Rat und Tat zur Seite stehen können, dann muss eine andere lebenserfahrene Vertrauensperson her, lautete die Überzeugung der alten Griechen. Wahrscheinlich formulierte der Dichter Homer mit dieser These bereits vor mehreren Tausend Jahren unbewusst das, was heute immer stärker ins Bewusstsein von Managern, Personalchefs und jungen Führungskräften rückt: Die Motivation der Jugend trifft auf die Weisheit des Alters - eine perfekte Kombination.

Heute ist der Begriff Mentor allgegenwärtig. Überall wird von Mentoren und ihren sogenannten Mentees gesprochen - eine Verbindung, die beiden Beteiligten Vorteile verspricht. Den Führungskräften von morgen stehen gestandene Profis zur Seite, die ihnen einen veränderten Einblick in die Berufswelt ermöglichen. Dabei können die Mentees bereits voll im Arbeitsleben stehen oder noch mitten in der Ausbildung stecken.

Egal ob beim Start ins Berufsleben oder beim Erklimmen der Karriereleiter: Einen erfahrenen Berater an seiner Seite zu haben ist in beiden Fällen ein großer Vorteil. Und was zunächst den Beigeschmack von Seilschaften und Vitamin B hat, ist in der Praxis schon ein großes Karrieresprungbrett. Allerdings müssen die Mentees immer noch selbst "springen".

"Durch die Unterstützung von erfahrenen Mentoren können die Mentees sich persönlich weiterentwickeln, sie bekommen Denkanstöße und Anregungen für ihre Karriereplanung", erklärt Gabriele Hoffmeister-Schönfelder, Expertin im Bereich Mentoring. Seit dem Jahr 2000 organisiert die Diplom-Ingenieurin mit ihrer Firma kontor5 in Hamburg Mentoringprogramme für viele Konzerne in ganz Deutschland und sorgt dafür, dass der Nachwuchs die passenden Ratgeber zur Seite gestellt bekommt. "Wenn ich die Tandems zusammenstelle, dann darf ich nicht halbherzig an die Sache herangehen, sondern muss gewissenhaft auswählen, wer zueinander passen kann." Mithilfe der Mentoren gelinge es dem Nachwuchs, über den Tellerrand ihres bisherigen Berufslebens zu schauen, sie bekommen ein Feedback von einer neutralen Person, und gemeinsam können Entscheidungen über den weiteren Berufsweg erörtert werden.

Die Charité in Berlin setzt mit ihrem Mentoringprogramm schon einen Schritt vorher an. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen werden von erfahrenen Mentoren bereits vor der Habilitation gefördert. "Bei uns liegt der Fokus auf der Förderung von weiblichen Führungskräften", erklärt Nadine Westhoff, die wissenschaftliche Mentoring-Koordinatorin im Berliner Universitätsklinikum. "Es sind nämlich nicht nur die fachlichen Fragen, die in den Tandems geklärt werden, auch die persönliche Lebensplanung kann Thema sein."

Den Überblick über die Mentoringprogramme der deutschen Hochschullandschaft hat die Sozial-Psychologin Christine Kurmeyer. Sie ist die erste Vorsitzende des "Forums Mentoring", der Dachorganisation vieler Programme an deutschen Hochschulen. "An den großen Massenuniversitäten gibt es immer mehr verirrte Seelen, für die ein Helfer an der Seite eine große Bereicherung ist", sagt die Berlinerin. Die Expertin warnt vor Programmen, die sich Mentoring nennen, aber in Wirklichkeit nicht den Standards eines solchen Projektes entsprechen. "Es ist kein Mentoring, wenn ein Professor 500 Studierende in einem Tutorium betreut", sagt Kurmeyer. "Denn einerseits ist die persönliche Verbindung wichtig und zudem dürfen die Beteiligten in keinem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen."

Stefan Drzisga von der Stadtsparkasse Düsseldorf bestätigt diese Aussage. Er übt seit mehreren Jahren die Rolle als Mentor für junge Führungskräfte aus. "Das Verhältnis zwischen Mentor und Mentee kann man schon fast wie das eines Arztes zu seinem Patienten beschreiben", sagt der 50 Jahre alte Leiter des Bereichs Private Banking. "Nur so kann offen miteinander gesprochen werden, egal welches Problem gerade akut ist." Drzisga sieht im Mentoring auch für sich einen großen Vorteil. "Ich habe die Möglichkeit, meine eigene Karriere zu reflektieren, und kann Tipps geben, damit der Mentee Fehler vermeiden kann."

Eine Tatsache, die auch sein ehemaliger Mentee Cornelia Schröder von der Commerzbank Düsseldorf schätzt. Über ein Jahr wurde die 51-Jährige in das Mentoringprogramm des Unternehmens eingebunden und setzte sich gemeinsam mit Stefan Drzisga mit den Hürden des Berufslebens auseinander.

"Ich hatte gerade eine neue Führungsposition übernommen und konnte sozusagen meine Entscheidungen noch einmal von einer erfahrenen Führungsperson bewerten lassen", sagt Schröder. "Auf konkrete Fragen habe ich hilfreiche Antworten bekommen und das, ohne mich verstellen zu müssen. Für mich war dieses Jahr eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und die mich beruflich auf jeden Fall weitergebracht hat."