Die Kritik: Firmen nutzen Besichtigungstouren zur Imagewerbung. Doch die meisten Teilnehmer sind zufrieden.

Speeddating, Kaffeefahrt, Jobmesse - die Hamburg Company Tour 2009 ist alles in einem. Wie bei einer Jobmesse treffen sich Studenten und Unternehmensvertreter. Wie bei einer Kaffeefahrt sind die Teilnehmer mit dem Bus unterwegs. Und wie beim Speeddating rotieren die Studenten beim gemeinsamen Abendessen um die Unternehmensvertreter. Christina Wechter (22) von der studentischen Unternehmensberatung Hanseatic Consulting hat die Veranstaltung verantwortlich mitorganisiert.

Solche mobilen Karriere-Events sind neben den klassischen Jobmessen seit einigen Jahren im Kommen. Auch die Bundesagentur für Arbeit im oberschwäbischen Ravensburg sagt "Leinen los" für ihr "Arbeitsmarktschiff" auf dem Bodensee. Auf der Fahrt zwischen Friedrichshafen und Romanshorn können sich die Passagiere über die Arbeitsmöglichkeiten in der Schweiz, Liechtenstein, Österreich und Deutschland informieren. Das Info-Event auf dem Wasser entpuppte sich schon bei der Premiere im vergangenen Jahr als echter Renner. 200 Interessierte drängten sich um die Infostände auf der Bodensee-Fähre. Dieses Jahr werden von den Organisatoren der Bodensee-Anrainer noch mehr Berater an Bord kommandiert.

"Viele solcher Events erinnern mich ganz stark an Outdoor-Assessment-Center aus den 1990er-Jahren", sagt Jürgen Hesse (58) vom Berliner Büro für Berufsstrategie. Damals versuchten Unternehmen, Assessment Center - also Auswahlverfahren für Bewerber - auf den Wildwasserbach oder ins Camp auf Mallorca auszulagern. Das Besondere sei schon damals nicht unbedingt das Bessere gewesen, meint Hesse.

Doch bei der Hamburg Company Tour laden nicht die Unternehmen ihre Bewerber ein. "Unser Ziel ist es, Studenten einen authentischen Kontakt zu Unternehmen zu bieten", sagt Björn Kaiser (23) vom Organisationsteam der Hanseatic Consulting. Die Idee kam an: Knapp 400 Studenten hatten sich beworben. 140 ausgewählte Teilnehmer waren schließlich auf der Tour dabei. Auf dem Tour-Fahrplan der Studenten der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften standen neun Großunternehmen, aufgeteilt auf drei verschiedene Routen. Werksbesichtigung, Baustellenführung und Workshops standen auf dem Programm.

Für Christian Seifert (28), Personalreferent von Comdirect in Quickborn "ist es sinnvoll an solchen Veranstaltungen teilzunehmen, somit bleiben wir langfristig im Gespräch für spätere Einsteiger". Bei der Bus-Tour geht es also nicht nur um die aktuelle Nachwuchswerbung, sondern auch um die Unternehmenspräsentation. Das bestätigen weitere Unternehmensvertreter. Und genau das kritisiert Karriereexperte Jürgen Hesse: "Oft sind solche Veranstaltungen Image-Kampagnen", sagt er. "Bei solchen Touren sollen potenzielle Mitarbeiter auch potenzielle Kunden werden."

Was versprechen sich eigentlich die Studenten, die an der Hamburger Firmen-Tour teilnehmen? "Ich möchte mich außerhalb des Internets über die Unternehmen informieren", sagt der Student Philipp Johannes Käufer (24). "Und ich kann mich in meiner Bewerbung auf die Veranstaltung beziehen." Tatiana Schauer (26) ist von der Tour begeistert. Sie studiert im sechsten Semester Management an der International School of Management in Dortmund und möchte bei den Unternehmen Kontakte für ein Praktikum knüpfen. "Es muss kein großes Unternehmen sein", sagt Schauer. "Hauptsache es ist in einer Großstadt wie Berlin, Hamburg oder München." Nur Informationen sammeln reicht vielen Studenten auf der Tour nicht. Aus allen Ecken der Republik und sogar aus den Niederlanden angereist, mit Lebenslauf und Bewerbungsmappe bewaffnet, hoffen sie auf freie Stellen. Doch die Unternehmen geben zu, 2009 keine Absolventen mehr einzustellen. In den meisten Fällen sind die Bewerbungsfristen für Trainees abgelaufen: "Im nächsten Jahr wieder", heißt es. Also 2010.

Das enttäuscht den BWL-Absolventen Bakary Njie (30). Für sein Studium kehrte der ehemalige HSV-Spieler seiner Heimat Gambia den Rücken und zog nach Hamburg. Insgeheim hatte auch er auf Stellenangebote gehofft. "Man ist enttäuscht, dass sich einem keine Chance mehr bietet, ein Jobangebot zu bekommen", sagt Njie. "Die Absolventen hängen jetzt in der Luft und müssen ein Jahr warten."

Physik Doktorand Sebastian Wedekind (27) aus Halle hingegen meint: "Die Enttäuschung ist völlig unbegründet." Die Unternehmen hätten in einem Schreiben darauf hingewiesen, dass sie an diesem Tag nicht rekrutieren werden. "Dennoch ist es problematisch gewesen, Kontakte zu knüpfen", sagt Wedekind. "Auch ich hatte mir zwei bis drei Visitenkarten erhofft."

Das hat also nicht geklappt. Aber wie sinnvoll sind dann überhaupt solche Karriere-Events für Job suchende Studenten? "Das kommt ganz darauf an, wie die Veranstaltung angekündigt ist", betont Hesse, Autor zahlreicher Bewerbungsratgeber. "Bei Rekrutierungsveranstaltungen sind Lebensläufe ausdrücklich erwünscht und oft auch Vier-Augen-Gespräche möglich." Dort stehe auch die Präsentation des Unternehmens nicht so sehr im Vordergrund. Und "heiße Kandidaten" werden gezielt rekrutiert. Doch Veranstaltungen wie die Hamburg Company Tour sind eben nur zu einem Drittel Jobmesse. Und zu zwei Dritteln Event.

"Für die Stellensuche ist die klassische Jobmesse die bessere Alternative", sagt der Berufsexperte Jürgen Hesse (58). In der Folge kann man Initiativbewerbungen an die Firmen schicken, bei denen man sich bekannt gemacht hat. Sie seien oft erfolgreich, so Jürgen Hesses Erfahrung. Der Karriere-Coach empfiehlt Studenten vor allem: "Rechtzeitig Praktika machen, Kontakte pflegen und ein Jahr vor Abschluss die Job-Suche starten."