Die Präsentationsfolien werden völlig überschätzt. Trainer raten deshalb: Kehren Sie lieber wieder zum Flipchart zurück und lassen Sie das Publikum am Vortrag teilnehmen.

Als die Raumfähre Columbia 2003 beim Landeanflug über Texas verglühte, waren die Menschen fassungslos und die Experten entsetzt. Wie konnte so ein fataler Fehler passieren, wo man doch die Technik nach dem Challenger-Absturz 1986 völlig im Griff zu haben glaubte? Gut ein halbes Jahr nach der Katastrophe präsentierte die Nasa-Untersuchungskommission einen verblüffenden Mitschuldigen: Powerpoint.

In ihrem Abschlussbericht, der viele Hundert Seiten umfasst ( www.caib.us ), taucht der Name dieses Software-Programms gleich mehrfach auf. In Zusammenhang mit einem gravierenden Vorwurf: Ingenieure hätten ihre Einschätzungen regelmäßig als Powerpoint-Präsentation vorgeführt und damit Probleme in unzulässiger Weise verwischt: Wichtiges sei von Unwichtigem in einem Heer von Gliederungspunkten nicht mehr zu unterscheiden gewesen. Statt technisch fundierter Analysen habe es Präsentationscharts gegeben, in denen sich niemand mehr zurechtfand. So sei die Kommunikation in einer lebensbedrohlichen Situation letztlich gescheitert.

Ein Beispiel, das den Kern trifft. "Bei Powerpoint wird nicht deutlich, was eigentlich die Botschaft sein soll", sagt der Kommunikationstrainer Sven Sander aus Cuxhaven. "Die meisten Folien enthalten viel zu viele Informationen, die alle gleichrangig aufeinander folgen. Das öffnet Missverständnissen Tür und Tor."

Mittlerweile hat das System viele Kritiker. Als "Knödel-Syndrom" bezeichnet man die Methode, alle Fakten in Schlagzeilen mit vorgesetzten Punkten, den besagten "Knödeln", zu benennen. So würde Häppchenkost an die Wand geworfen, aber keine Argumentation aufgebaut. Die Gefahr der Scheinlogik ist groß, Lücken werden übersehen. "Wenn die Redner sich selbst mal in die fünfte oder zehnte Reihe setzen würden, würden sie das Problem erkennen", sagt Sven Sander. "Die Schrift ist zu klein, die Charts sind zu voll. Und es reiht sich Fachbegriff an Fachbegriff, mit vielen grässlichen Wortungetümen."

Während seiner Laufbahn als Manager bei "Philips Medical Systems" und beim Mittelständler "Plambeck Neue Energien AG" hat Sander viele Jahre Powerpoint "erleiden müssen", wie er es nennt. "An der Wand vollgepfropfte Charts, und der Redner versteckt sich irgendwo in der Ecke, mit dem Rücken zum Publikum", erinnert sich Sander mit Schaudern. Inzwischen trainiert er selbst Führungskräfte für ein Leben ohne Powerpoint - und plädiert für die Kraft der Rhetorik. "Das Charisma kommt vom Redner. Powerpoint ist bloß das Werkzeug."

Auch die Kunden des Kommunikationstrainers - zahlreiche namhafte Firmen darunter - sind förmlich auf die Software konditioniert. Sie kennen es eben nicht anders: Geschätzte 30 Millionen Vorträge werden täglich weltweit mit Powerpoint erstellt, das sind 95 Prozent aller Präsentationen überhaupt. Auf rund 250 Millionen Computern ist das Programm laut "The New Yorker" installiert. Der Software-Marktführer von Microsoft, dessen erste Version für Windows 1990 herauskam, hat in einem solchen Maß das Terrain besetzt, dass für viele die Begriffe Powerpoint und Präsentation schon synonym sind. Wer etwas zu sagen hat, braucht einen Beamer und ein paar Schaubilder, und schon wirkt sein Vortrag stringent.

Die Anfertigung ist denkbar einfach, liefert Microsoft doch gleich alle möglichen Vorlagen und Layouts mit: Texte, Tabellen, Bilder und Sounds lassen sich auch von Laien ohne große Mühe zusammenstricken. Mit schwerwiegenden Folgen: Viele Berater wandern mit einem Koffer voller vorgefertigter Folien durch die Lande, ziehen je nach Länge des Themas 30 oder 40 Charts aus ihrem Fundus. Ungeachtet des Publikums, ungeachtet der konkreten Botschaft.

Und dann setzt der bekannte Effekt ein: "Aaah, eine Powerpoint-Präsentation." Da wird das Licht im Saal gedimmt, man kann sich tiefer in seinen Sitz sinken und die Charts an sich vorüberziehen lassen. "Extrem einschläfernd", hat Sven Sander beobachtet. "Im Publikum wird währenddessen mit dem Blackberry gespielt oder in den Unterlagen geblättert." Denn das kommt noch erschwerend hinzu: Die Charts werden nicht nur vorgelesen, sondern meist noch als Ausdruck verteilt, sodass sich auch der letzte Rest Aufmerksamkeit erübrigt.

Eine Kritik, die auch der Rhetorik-Trainer Matthias Pöhm teilt: "Powerpoint verhindert Wirkung", sagt er. Tatsächlich braucht das Publikum den menschlichen Faktor: Kontakt, Ansprache und Beteiligung. Ob in kleinem oder großem Kreis - immer geht es darum, dass etwas lebendig veranschaulicht werden soll. "Da müssen Bilder und Gefühle rüberkommen", sagt Sven Sander. Jeder gute Vortrag lebt von der Kommunikation zwischen Vortragendem und Publikum. Körpersprache und Rhetorik sowie der Einsatz der Stimme schaffen eine emotionale Atmosphäre. Gute Redner wie Barack Obama beherrschen das Repertoire glänzend.

Sven Sander empfiehlt, die Zuhörer wieder aktiv einzubeziehen. Sein Mittel der Wahl heißt Flipchart, die gute alte Platte, auf der ein Redner herummalen und Bilder und Texte "live" entstehen lassen kann. Schließlich sei der Redner Mittelpunkt des Geschehens und nicht die Technik. Da hält es Sven Sander ausnahmsweise mit Dieter Bohlen: "Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel Pause."