Top im Job: Warum es wichtig ist, sich einschätzen zu können, erklärt Coach Nina Kessler

"Viele Menschen sind überzeugt, sich und ihre Fähigkeiten recht gut zu kennen und beschreiben zu können", sagt Nina Kessler, Bewerbungsberaterin in Hamburg. "Aber wenn man detaillierter nachfragt, kommt häufig wenig Konkretes." Es fehle vielen zum Beispiel daran, persönliche Eigenschaften wie Kommunikationsfähigkeit oder Flexibilität mit Nachweisen zu untermauern.

Auf die Aufforderung im Bewerbungsgespräch "Beschreiben Sie doch mal, wo und wie Sie diese Eigenschaften bisher zeigen konnten" bleibt die Antwort dann oft vage. Abhilfe kann eine Standortbestimmung vor der Bewerbung schaffen. "Damit kann man sich auf solche Situationen gut vorbereiten und wesentlich souveräner reagieren", sagt Beraterin Nina Kessler.

Diese Souveränität ist es, die Bewerber bei der Jobsuche brauchen. "Wenn ich weiß, was ich richtig gut kann und welche Argumente für mich als Bewerber sprechen, kann ich zum Beispiel das Anschreiben viel spezifischer formulieren und muss nicht zu Standardsätzen greifen." Außerdem könnten Kandidaten offene Fragen im Bewerbungsgespräch deutlich erfolgreicher parieren.

Doch wie finden Bewerber ihren Standpunkt? "Ein professioneller Sparringspartner im Bewerbungsprozess macht es einfacher", sagt die Bewerbungsberaterin. "Denn er stellt viele Fragen, hinterfragt Allgemeinplätze und erarbeitet mit dem Bewerber ein individuelles Kompetenzprofil." Aber auch alleine könne man sich an eine Standortbestimmung wagen.

Fragen, die den Bewerber dabei leiten können, sind zum Beispiel: Was mache ich besonders gern, was fällt mir dagegen eher schwer? Wofür brenne ich, was treibt mich an? Und worauf bin ich eigentlich richtig stolz? "Am besten, Sie formulieren die Antworten schriftlich", sagt Nina Kessler.

Wer mag, kann einen guten Freund oder eine Freundin um seine Einschätzung bitten. "Der Abgleich von Selbst- und Fremdbild ist für viele oft erhellend." Ehrlich muss der Freund natürlich sein.

Kollegen um ein Feedback zu bitten, hält die Bewerbungsberaterin für ein zweischneidiges Schwert: "Natürlich hat man sich im beruflichen Kontext relativ gut kennengelernt, aber ich rate zur Vorsicht: Ist der Kollege wirklich neutral und vertrauenswürdig?" Wer plant, seinen Job zu wechseln, will ja nicht unbedingt, dass das in der alten Firma vorzeitig bekannt wird.

Zur Standortbestimmung gehört nie nur der Rückblick, sondern immer auch ein Ausblick. "Was wünsche ich mir für meine berufliche Zukunft?" sei hier eine der Fragen. Weitere sind: Besitze ich die dafür notwendigen Kompetenzen? Und wo werden diese Fähigkeiten gebraucht? "Das hilft enorm bei der Auswahl der Stellen, auf die man sich bewirbt", sagt die Beraterin. "Wenn ich meine Kompetenzen gut kenne, kann ich sie relativ einfach mit den Anforderungen in der Stellenbeschreibung vergleichen."

Seinen Standort zu bestimmen rät Nina Kessler "jedem mit Berufserfahrung", aber auch Schulabgängern und Hochschulabsolventen. Dies sei jedoch kein einmaliges Unterfangen. "Das sollte man in regelmäßigen Abständen wiederholen", sagt die Beraterin.

Dabei hilft die Standortbestimmung nicht nur beim Jobwechsel, auch für die interne Karriere ist sie förderlich. "Je genauer ich weiß, was mich als Person ausmacht, welche Fähigkeiten ich besitze und welche Werte mein berufliches Handeln lenken, desto bewusster kann ich entscheiden, in welche Richtung ich mich entwickeln will."