Die Künstler mit der Nadel brauchen auch ein Händchen für ängstliche Kunden.

Die Kunst des Tätowierens hat eine jahrtausendealte Tradition. Schon Ötzi, die Gletscher-Mumie, die vor mehr als 5000 Jahren lebte, trug Zeichen, die mit Nadeln oder kleinen Einschnitten unter die Haut gebracht worden waren. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es vor allem Seeleute, Soldaten und Häftlinge, die ihre Körper mit Tätowierungen verzieren ließen. In den späten 1980er-Jahren legten sich auch immer mehr Musiker Tattoos zu.

"Das löste einen Trend aus. Heute lassen sich Menschen aller Gesellschaftsschichten stechen. Unter meinen Kunden sind Handwerker, Studenten, Anwälte und Chirurgen", sagt der Hamburger Tätowierer Doc Achim.

Den Trend belegt auch eine Studie der Uni Leipzig. Danach hat die Zahl der Tätowierten in Deutschland extrem zugenommen. So stieg vor allem der Anteil der tätowierten Frauen von 13,7 Prozent (2003) auf 25,5Prozent (2009). Die beliebtesten Stellen sind die Arme und der Rücken.

Tätowierer ist kein staatlich anerkannter Beruf - das heißt, es gibt auch keine schulischen Mindestvoraussetzungen. Die zumeist einjährige Ausbildung erfolgt in einem Tattoostudio. Die Ausbildungskosten tragen die Teilnehmer. Sie liegen bei bis zu 8000 Euro. Groß- und Außenhandelskaufmann Doc Achim hat das Tätowieren während eines Auslandsaufenthaltes in Australien gelernt und 1993 in Hamburg das erste Tattoostudio außerhalb des Kiez' eröffnet - Skindoctors an der Hoheluftchaussee.

"Als Tätowierer braucht man vor allem eine sichere, ruhige Hand. Außerdem sollte man gut zeichnen können", sagt der 43-Jährige. Einfühlungsvermögen braucht er auch - ganz besonders dann, wenn er den Ängstlichen, die sich das erste Mal tätowieren lassen, ihre Unsicherheit nehmen will. Darüber hinaus fällt natürlich auch - wie bei jedem Selbstständigen - ordentlich Büroarbeit an: von der Buchhaltung bis zur Materialverwaltung.

Tätowierer verzieren den Körper mit ganz unterschiedlichen Zeichen und Motiven. "Angesagt sind vor allem Sterne, Blumenranken, Schriftzüge, großflächig angelegte Muster und individuelle Motive, die die Persönlichkeit nach außen tragen sollen", sagt Doc Achim. Tätowierer arbeiten nach Vorlagen. Sie fertigen aber auch eigene Entwürfe an oder setzen Kundenwünsche um. Vor dem Tätowieren wird die Haut rasiert und desinfiziert. Dann skizziert der Tätowierer das Motiv freihändig oder per Blaupause. Die Pigmentierung der Haut erfolgt mit hauchdünnen, sterilen Nadeln. Die Farbpigmente werden in die dritte Hautschicht, die Dermis, eingebracht.

Zunächst wird die Kontur gestochen, danach das Tattoo mit einer breiteren Nadel ausgemalt oder schattiert. Abschließend desinfiziert der Tätowierer das Tattoo und streicht es mit einer Heilsalbe ein. Dann wird für 48 Stunden noch ein Folienverband angelegt.

Doc Achim selbst hat die Prozedur schon viele Male über sich ergehen lassen. Arme, Brust und Rücken zieren Tattoos, die von Künstlern aus der ganzen Welt stammen. "Wer einmal mit Tattoos anfängt, kann meistens nicht mehr damit aufhören. Das ist wie Chips essen", sagt er und lacht. Doch es gibt Grenzen: Zu Doc Achims Philosophie gehört es, keine politischen Motive zu stechen. Und auch das Gesicht eines Kunden würde er niemals tätowieren.

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