Mit mittelmäßigen Produkten gewinnt der Vertrieb keine Kunden mehr. Welche Auswege gibt es für Unternehmen?

Lüneburg. Es ist ein verdammt harter Job. Verkaufen erfordert Geduld, Hartnäckigkeit, Freundlichkeit, Überzeugungskraft und die Fähigkeit, immer wieder Absagen und Rückschläge zu verkraften. Produkte und Dienstleistungen werden immer ähnlicher.

"Wir sind umzingelt von langweiligen Angeboten, die irgendwie ,ganz okay' sind", beschreiben die beiden Managementberater Anja Förster und Peter Kreuz den Status quo. Doch "ganz okay" das sei "das schlimmste Schimpfwort überhaupt, das sind die LadaKiaSubaruOpelFords, die zuverlässig und sicher sind, deren Spritverbrauch der Norm entspricht, die ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben, also im Prinzip alles richtig machen. Aber die Welt ist voll davon. Das ist nur öde."

Förster und Kreuz, bekannt als Business-Querdenker, sind überzeugt, dass man in hart umkämpften Märkten nur eine Chance habe, indem man Produkte anbiete, die sich klar abgrenzten und unverwechselbar seien. Das seien eben keine Ganz-okay-Produkte. Norbert Platt, ehemaliger Chef des Schweizer Luxusgüterherstellers Richemont, zu dem die Marke Montblanc gehört, hat solche Produkte einmal so beschrieben: "Die Kunden sollen weinen, wenn sie unsere Produkte verlieren."

Sogar mit Bohrhämmern lassen sich Kunden zu Fans umpolen

Nun sind ein Bürostuhl, ein Farbkopierer oder ein Gabelstapler kein Montblanc-Federhalter. Insofern hat der Vertrieb solcher Produkte es schwer, mit der emotionalen Überzeugungskraft der Marke zu punkten. Doch sogar mit Bohrhämmern lassen sich Kunden zu Fans umpolen, wie die Liechtensteiner Werkzeugschmiede Hilti beweist. Die Maschinen in den typischen roten Koffern gelten als das Non-Plus-Ultra auf der Baustelle - und das kostet eben auch mehr als Metabo, Bosch und Co.

Doch selbst, wer nur Ganz-okay-Produkte verkaufe, könne im Wettbewerb um Neukunden punkten, wenn im Vertrieb einige Grundregeln beachtet würden, sagt Jürgen Lürssen, Professor für Marketing und Vertrieb an der Leuphana Universität in Lüneburg. In vielen Unternehmen seien die Ziele für den Außendienst nicht klar gesetzt. "Und es mangelt dann auch oft an nachhaltiger Kontrolle durch die Führungskräfte, ob diese Ziele erreicht werden und wie man den Außendienstler gegebenenfalls besser unterstützen kann."

Ein zweiter Punkt, auf den der Lüneburger Hochschullehrer hinweist, betrifft die Strategie von Unternehmen: "Es ist den Vertriebsmitarbeitern oft überhaupt nicht klar, welche strategischen Ziele hinter ihrer Arbeit stehen." Die Folge: Deutsche Unternehmen versinken zunehmend im Mittelmaß, sie bieten besagte Ganz-okay-Produkte im mittleren Preissegment an. Marktforscher nennen dieses Segment die "tote Mitte". Der Absatz durchschnittlicher Waren zu durchschnittlichen Preisen hat sich seit 1990 beinahe halbiert (siehe Grafik links). Parallel dazu wächst der Anteil von Billigprodukten ebenso wie der exklusiver Spitzenprodukte. Wer auf die goldene Mitte setzt, läuft daher mehr und mehr Gefahr, im Mittelmaß zu versinken.

Es gibt zwei erfolgreiche Strategien: Premium oder niedriger Preis

Der Unternehmensberater Hermann Scherer fordert deshalb: "Die Devise muss lauten: differenzieren oder verlieren! Die Zukunft gehört Unternehmen, die ihren Kunden etwas Besonderes bieten, sei es Exklusivität, seien es Servicequalität oder Ersparnis an Zeit und Geld."

Michael E. Porter von der Harvard Business School erklärt, dass Unternehmen dann erfolgreich seien, wenn sie entweder wie Porsche oder Apple auf Nischen- oder Premiumangebote setzen (geringer Marktanteil, aber hohe Rentabilität) oder wie Aldi oder Ikea die Kostenführerschaft mit günstiger Ware haben (hoher Marktanteil, hohe Rentabilität). Ein Anbieter, dem es nicht gelinge, seine Strategie in eine der zwei Richtungen zu entwickeln, sei zwischen den Stühlen gefangen - und damit in besagter toter Mitte des Marktes.

"Solange Unternehmen nur das bieten, was alle bieten, werden sie auch nur bekommen, was alle bekommen: durchschnittliche Aufmerksamkeit, durchschnittliche Umsätze, durchschnittliche Gewinne", sagt Marketing-Fachmann Scherer. "Eine Fluchtachse aus der ,toten Mitte' ist der Preis: unschlagbar günstig sein. Das funktioniert, wenn dahinter eine durchdachte Strategie steckt, die Gewinne nicht marginalisiert - das Aldi-Prinzip." Die zweite Fluchtachse sei Service, sagt Scherer: "Exzellenter Service ist mehr als ein freundliches Lächeln; er bedeutet, überzeugende Lösungen für Kundenprobleme zu liefern. Findige Unternehmer lösen sogar Probleme, die der Kunde noch gar nicht bemerkt hat. Die Palette reicht vom Fischer-Dübel bis zum iPod."