Frauen auf dem Bau verändern den Ton. Bauleiterinnen halten alle Fäden in der Hand

Hamburg. Handy, Helm und Sicherheitsschuhe gehören zur wichtigsten Ausstattung der Bauleiter. Abstimmen, koordinieren, verhandeln, organisieren, klären, schlichten, vorantreiben ist ihr täglich Brot. Vom ersten Stein bis zum Einzug sind Bauleiter der Ansprechpartner für Bauherrn, Architekten, Handwerker und Mieter. Dabei ist jedes Bauvorhaben ein Unikat.

"Wir müssen häufig spontan Entscheidungen treffen", sagt Ilona Hertel, die seit 30 Jahren als Bauingenieurin tätig ist. Manchmal wird der Grundriss verändert, ein Durchbruch muss hergestellt werden, das Dichtungsmaterial ist anders als bestellt, die angeforderten WC-Container fehlen oder Mieter beklagen sich über Baulärm. "Wir haben mit vielen Lebensbereichen, Charakteren und Nationalitäten zu tun, das macht unsere Arbeit so interessant und abwechslungsreich", sagt Hertel.

Ihre vier Kolleginnen nicken. Fünf Frauen, fünf Ingenieurinnen, fünf Führungskräfte - und alle fünf sind bei Preusse Baubetriebe beschäftigt.

Ilona Hertel, Daniela König, Nicole Elsner, Carolin Dölves und Andrea Kikat haben Bauingenieurwesen studiert. Der Schwerpunkt bei Carolin Dölves und Daniela König ist Sanierung und schlüsselfertiger Hochbau, während Andrea Kikat im Siel- und Kanalbau beschäftigt ist. "Die Gegebenheiten sind auf der Baustelle häufig anders als im Gutachten beschrieben, und wir erleben so manche Überraschung", sagt Ingenieurin Kikat. "Wie unbekannte oder nicht eingetragene Leitungen und alte Fundamente, die plötzlich auftauchen." Positiv sei dagegen, wenn sie mit höherem Grundwasser gerechnet habe als es dann auf der Baustelle der Fall sei. "80 Prozent der Arbeit ist das Lösen von Problemen", ergänzt Nicole Elsner, die im Bereich Neubau tätig ist. Eigenverantwortung ist gefragt ebenso wie schnelle Entscheidungen. Denn der Zeitdruck in dem Job ist groß. "Häufig müssen wir an die Grenzen der Bauphysik gehen, denn die Zeit reicht oft nicht aus um die erforderliche Verlegereife für die Bodenbeläge zu erlangen", sagt Hertel. Früher habe man Wohnungen zunächst ein Jahr lang "trocken gewohnt" und danach erst einige Dinge fertiggestellt.

Da der Bauherr immense Vorkosten trägt, wie für das Grundstück, Statik und Architekten, finanziert er das gesamte Bauvorhaben vor und drückt zeitlich auf die Tube, denn jeder Monat kostet viel Geld.

"Wir schulden dem Bauherrn ein gutes Produkt und ein DIN-gerechtes Haus", sagt Ilona Hertel. So werden um Zeit zu sparen, Trockner ins Gebäude gestellt und Holz in speziellen Trockenöfen getrocknet statt es wie früher zunächst lange austrocknen zu lassen.

Der Jobeinstieg kann über ein sogenanntes "Gummistiefelpraktikum" erfolgen wie bei Carolin Dölves, die vor ihrem Studium bei verschiedenen Firmen ihr 13-wöchiges Pflicht-Praktikum absolvierte.

Auch für Andrea Kikat war das Praktikum 1992 der Einstieg. Eine andere Möglichkeit ist die Diplomarbeit, wie sie Daniela König bei Preusse geschrieben hat. Aber auch eine Initiativbewerbung wie von Nicole Elsner kann erfolgreich sein. Im Bauunternehmen sind derzeit drei Stellen für Ingenieure vakant. Bewerbungen von Frauen seien gern gesehen, sagt Geschäftsführer Carsten Bröker.

Als Bröker 1973 an der TU Braunschweig studierte, war unter den 600 Studenten eine Frau, heute liegt der Frauenanteil im Studium bei etwa 30 Prozent. Bei Preusse sind von insgesamt 20 Bauleitern fünf weiblich. Bröker: "Das ist in der Branche ein ungewöhnlich hoher Frauenanteil." Der Ton verändere sich, wenn Frauen die Bauleitung übernehmen. "Die Männer reißen sich dann mehr zusammen."