ein Architekturpsychologe? Günter Hertel bringt Menschen und Gebäude zusammen

Hannover. "Architektur beeinflusst unser Verhalten und Empfinden. Deshalb müssen Gebäude nach den Bedürfnissen der Menschen geplant und gebaut werden", sagt Günter Hertel. Im Fokus von Architektur stehen heute jedoch vorwiegend funktionale Aspekte. Räume messen, planen nutzen ist die Devise, statt sie unter menschlichen Gesichtspunkten zu betrachten.

Wie fühlt sich ein Raum an? Welches Arbeitsklima herrscht dort? "Fühlen Sie sich wohl in Ihrem Büro?", fragt Hertel. Genau darum gehe es in der Architekturpsychologie - um die individuelle Wahrnehmung. "Immer kommt es darauf an, wie die Nutzer die Räume erleben und wie sie sich darin verhalten und ob die Architektur zur Organisation des Unternehmens passt."

Hertel berät Unternehmen vor und während Bau-, Umbau-, und Change-Prozessen und bindet die Mitarbeiter ein, "wenn es von der Firmenleitung gewünscht wird". Der Fachmann erforscht zunächst im Unternehmen die Bedürfnisse der Beschäftigten und die Anforderungen an das neue Gebäude und deckt auf, wo Architektur den Unternehmensprozess behindert.

"Im zweiten Schritt suchen wir geeignete Architekturbüros. Diese fertigen Entwürfe an, und wir bewerten sie." Dabei spielt Hertel eine neutrale, vermittelnde Rolle und informiert die Bauherren, inwieweit die Anforderungen erfüllt wurden. "Ich bin quasi Mediator und Moderator zwischen Nutzer und Bauherrn. Bei der Wettbewerbsbetreuung kann ich Architektur und Psychologie gleichwertig einbeziehen."

Günter Hertel hat zunächst Architektur, später noch Psychologie studiert und ist sowohl Diplom-Ingenieur Architektur als auch Diplom-Psychologe. Fast wäre der 55-Jährige nach seinem Studium Therapeut geworden, denn seinen Beruf gab es damals noch gar nicht. Später gründete Hertel das Institut für Architekturpsychologie in Hannover. Er hält Vorträge und hat einen Lehrauftrag für Architekturpsychologie in Münster. Der Architekturpsychologe hat eine Gesprächausbildung für Architekten entwickelt, um den Bauherrn "hinter die Stirn zu sehen", wie er sagt. Denn oft müssten die wirklichen Anforderungen an Räume oder ein Gebäude erst herausgehört und das Gesagte übersetzt werden.

Ganz wichtig sei es, den Menschen als Einheit aus Denken, Fühlen und Verhalten zu sehen, erklärt Hertel. "Die Architektur kann ein positives Arbeitsverhalten unterstützen, Teamarbeit und das Miteinander der Kollegen fördern - oder aber auch behindern. Schlicht gesagt: Wenn man sich am Arbeitsplatz wohlfühlt, kann man auch besser arbeiten."

Deshalb müssten Architekten vor allem in modernen Büroraumlandschaften die Risiken psychischer Belastung reduzieren, wie Ablenkung durch allgemeine Geräusche. Hilfreich sei eine Einrichtung mit Pflanzen und Möbeln, die dem Mitarbeiter ein Gefühl von Privatsphäre vermitteln. Gegen Office Sharing mit Caddy hat der Experte indes nichts einzuwenden. Das sei für bestimmte Berufe und Firmen durchaus sinnvoll, sagt Hertel. Vorausgesetzt, die Technik funktioniert.

Hertel führte auch die Raumgestaltung des Neubaus von Dräger Medical in Lübeck mit 1000 Mitarbeitern durch. Bei der Planung von Raumlandschaften müsse die territoriale Identität berücksichtigt werden. Hertel: "Jeder benötigt ein persönlich zugeordnetes Territorium - auch am Arbeitsplatz."