Technische Produktdesigner arbeiten heute in 3-D. Mit der Hand zeichnen müssen sie aber immer noch können.Zu Besuch in der Gewerbeschule G17.

Auf Marvins Bildschirm ist eine Keilriemenscheibe zu sehen, genauer gesagt ein 3-D-Modell davon. Mithilfe seines CAD-Programms ("computer-aided design") kann der 17-Jährige nicht nur geometrische, sondern auch die physikalische Eigenschaften der Scheibe simulieren. Er kann testen, bei welcher Belastung sie bricht, sich verformt oder er kann den sogenannten Wärmeausdehnungskoeffizienten überprüfen - ganz nach Aufgabenstellung.

Die Aufgaben gibt es heute von Berufsschullehrer Wolfgang Schreiber. Marvin Balzuweit ist einer von 26 angehenden Technischen Produktdesignern im 2. Ausbildungsjahr an der Staatlichen Gewerbeschule G17. "3-D Datensatzerstellung" steht gerade auf dem Stundenplan. Technische Produktdesigner bearbeiten auf ihren Rechnern 3-D-Daten und Dokumentationen für ganze Produkte oder einzelne Elemente - Maschinenteile etwa wie die Keilriemenscheibe. Basis ihrer Arbeit sind die jeweiligen technischen und gestalterischen Vorgaben des Auftraggebers. So unterstützen sie die Arbeit von Ingenieuren und Produktdesignern.

"Natürlich wird in diesem Beruf viel am Rechner gearbeitet, aber nicht nur", sagt Schreiber. "Zum Berufsbild gehören auch Projekt-, Zeit- und Qualitätsmanagement. Vorausschauendes Denken ist ebenso gefragt wie Team- und Kommunikationsfähigkeit."

+++Das Auto, das aus dem Drucker kommt+++

Schreiber, der stellvertretender Abteilungsleiter Technische Produktdesigner an der G17 ist, hat an der Neugestaltung des Berufs mitgewirkt. Aus dem früheren "Technischen Zeichner" wurden im August 2011 die dreieinhalb-jährigen Ausbildungen "Technischer Systemplaner" und "Technischer Produktdesigner". Das Zeichnen am Reißbrett wurde fast vollständig von der 3-D-Konstruktion abgelöst. Trotzdem sagt Schreiber: "Zeichnen zu können ist immer noch wichtig. Vor dem Gang zum Computer stehen in der Regel erste Freihandskizzen. Abgesehen davon sprechen wir allerdings nicht mehr vom Zeichnen, sondern vom Modellieren, und die Zeichnungen heißen wegen des mathematischen Bezugs zum 3-D-Modell 'Ableitungen'."

Gerade die Kombination aus Technik und Kreativität ist es, die Marvin Balzuweit am gewählten Beruf schätzt. "Ich habe immer schon gern gezeichnet, und für die Handskizzen braucht man eine ruhige Hand und räumliches Vorstellungsvermögen", sagt der Azubi von Blohm + Voss. "Es geht darum, zu wissen, wie sich ein Gedanke klar aufs Papier bringen und dann als 3-D-Modell fortführen lässt."

Der 22-jährigen Alina Biallas gefällt die Möglichkeit, an Innovationen mitzuarbeiten. Zusammen mit einem weiteren Azubi der Diehl Service Modules, einem Hersteller von Luftfahrt-Kabineneinrichtungen, hat sie gerade ein eigenes Projekt abgeschlossen. "Es ging um eine Stauraum-Lösung für einen Bord-Babykorb. Das heißt, wir durften keine Kleber oder Schrauben verwenden und haben eine Flausch- und Klett-Vorrichtung entwickelt. Und die fliegt jetzt wirklich!" Auch Türen hat sie schon modelliert und dabei die optimale Gestaltung des Kantenschutzes im Blick gehabt oder bei der Entscheidung von Art und Position der Türschlösser darauf geachtet, dass sie sich harmonisch in die Kabine einfügt.

+++Qualität durch Erfahrung und Innovation+++

Einblick in Material-Auswahl und Arbeitsweisen erhält Alina durch ihre Ausbildungsstationen, zum Beispiel in der Fertigung bei Diehl. Unternehmen wie Blohm + Voss oder Hauni Maschinenbau haben eigene Lernwerkstätten. "Dort wird gedreht, gefräst und gebohrt. So bekommen wir eine Vorstellung davon, wie ein zuvor am Computer erstelltes Objekt real aussieht", sagt Dorothee Meyer, 20, die bei Hauni lernt.

Wer dagegen statt der dualen Ausbildung die zweijährige Berufsfachschule als Ausbildungsweg wählt, erhält den Praxis-Einblick ausschließlich in den G17-eigenen Werkstätten. Die Schüler stehen dann mit Schutzbrillen an Fräs-, Schleif- und Drehmaschinen oder arbeiten mit verschiedenen Handwerkzeugen an der Feinjustierung ihrer Einzelteile. Im weiteren Räumen finden sich hochmoderne CNC-Fräsmaschinen, Simulationsanlagen für das Fach Automatisierungstechnik und ein Elektroniklabor.

"So können wir den Schülern eine voll qualifizierende Berufsausbildung bieten", sagt Susanne Dwinger, Abteilungsleiterin der Berufsfachschule. "Den Arbeitsalltag bilden wir mittels fiktiver Kundenaufträge ab. Die Schüler arbeiten an diesen Projekten in Teams - von der Planung über die Umsetzung am 3-D-CAD-System sowie in den Werkstätten bis zur Produktpräsentation." Dabei entschieden die Schüler selbstständig über Material und Herangehensweise, sagt Torsten Janßen, Abteilungsleiter Berufsvorbereitung und Schulentwicklung. Geht es etwa um ein Produkt für die Konsumgüterindustrie, spielt beispielsweise die Haptik (wie sich etwas anfasst) eine große Rolle. "Ein 3-D-Drucker stellt aus dem CAD-Modell ein reales Muster oder auch eine Kleinserie her", sagt Janßen. "Damit können Schüler rausgehen und kleine Marktanalysen durchführen."

Der Bedarf auf dem Arbeitsmarkt für Technische Produktdesigner ist da, sagen Dwinger und Janßen. "Wir bekommen reichlich Anfragen von Unternehmen, 3-D-Fachleute sind sehr gefragt." Der 19-jährige Bryan Wied denkt trotzdem schon an Weiterqualifizierung. "Ich werde noch ein Jahr anschließen und mein Fachabitur machen, und dann könnte ich mir gut ein Ingenieurstudium vorstellen. Gerade diese vielen Möglichkeiten machen die Berufsfachschule ja so interessant."