Der größte Werftbetreiber TKMS steigt aus dem Bau von Handelsschiffen aus. Bei Blohm + Voss in Hamburg soll die Marineschiffsparte aufgewertet werden.

Hannover. Friedensbewegte Menschen zitierten in den 80er-Jahren gern den Slogan "Schwerter zu Pflugscharen", abgeleitet aus dem Alten Testament. Waffen sollten in "normale" Produkte umgewandelt werden. Der Stahl- und Technologiekonzern ThyssenKrupp praktiziert nun etwas Sinngemäßes: Bei den Emder Nordseewerken des konzerneigenen Werftverbundes TKMS werden künftig keine Kriegs- und Handelsschiffe mehr gebaut, sondern Stahlkomponenten für die gerade beginnende Aufstellung Tausender Windturbinen in "Offshore"-Windparks in der Nordsee. Der Stahlbauer SIAG Schaaf aus Rheinland-Pfalz übernimmt die Werft zu diesem Zweck bald von TKMS.

TKMS ist der mit Abstand größte deutsche Werftenbetreiber. Das Unternehmen mit seinen drei Standorten hierzulande - neben den Nordseewerken sind dies Blohm + Voss in Hamburg und HDW in Kiel - zieht sich aus dem Bau von Handelsschiffen zurück und konzentriert den Bau von Marineschiffen in Kiel und in Hamburg. Ursache dafür ist die Rezession der Weltwirtschaft, die den Werften vor allem im Deutschland schwer zusetzt. "Niemand bestellt im Moment Handelsschiffe", sagte TKMS-Chef Hans Christoph Atzpodien am Mittwochabend in Hannover. "Monatelang haben wir bei den Nordseewerken versucht, neue Aufträge zu akquirieren - bislang vergeblich." Eine Reihe von Aufträgen für Containerschiffe hatte das Unternehmen bereits im Frühjahr verloren. Laut Atzpodien beschäftigt TKMS mit insgesamt 5000 Mitarbeitern in Deutschland derzeit 1000 Menschen zu viel.

Eine Perspektive für den Bau technologisch einfacher Handelsschiffe in Deutschland sieht der TKMS-Vorstand nicht mehr, da vor allem in Asien große Überkapazitäten bei den Werften bestehen. Zudem produzieren die Unternehmen in Südkorea, in China und zunehmend auch in Vietnam deutlich billiger. "Der Handelsschiffbau ist in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig. Mir fehlt der Glaube daran, dass es gelingt, Folgeaufträge dafür zu bekommen", sagte Atzpodien. "Wir müssen uns auf unsere Kernprodukte konzentrieren."

Diese "Kernprodukte" werden künftig vor allem bei Blohm + Voss gebaut werden. Die Hamburger Werft bündelt den Bau von Überwasser-Kriegsschiffen, vor allem Fregatten und Korvetten, zudem auch Versorgungsschiffe. Erhalten bleiben laut Atzpodien auch die Reparatursparte, deren prominentester Kunde die Cunard Line mit der "Queen Mary 2" ist, sowie der Bau von Megajachten. Der Bau von U-Booten soll vollständig bei HDW in Kiel angesiedelt werden.

Zur längerfristigen Zukunft von Blohm + Voss unter dem Dach von ThyssenKrupp äußerte sich Atzpodien allerdings nicht eindeutig: "TKMS führt wie seine Wettbewerber national und international Gespräche, wie sowohl der strukturellen als auch der konjunkturellen Krise, die den Schiffbau besonders hart getroffen hat, begegnet werden kann." Heino Bade, Bezirkssekretär der IG Metall Küste und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzende von TKMS, sagte dem Abendblatt: "Nach unserer Information sucht TKMS auch für den Standort Hamburg weiterhin strategische Partner. Das Unternehmen will sich auf das Rüstungsgeschäft konzentrieren. Wir sehen darin eine große Gefahr für die Beschäftigten."

Der Bau von Marineschiffen ist - anders als die Produktion von Handelsschiffen - kein Markt mit starken Zuwachsraten. Begrenzend wirken vor allem rüstungs- und exportpolitische Auflagen. TKMS sieht dennoch ein wachsendes Potenzial. In Europa werde sich die bislang überwiegend national abgeschottete Beschaffung von Kriegsschiffen verändern, weil die einzelnen Rüstungsetats entlastet werden müssten. "Blohm + Voss-Naval wird ein neu strukturiertes, projektorientiertes Engineering-Unternehmen sein. Unser Ziel ist es, verstärkt auch für andere Marinen in Europa zu fertigen", sagte Atzpodien. "Im Militärschiffbau wird es einen europaweiten Wettbewerb geben."

Während Hamburg und Kiel im Militärschiffbau davon profitieren sollen, ist die Zukunft von HDW Gaarden in Kiel ungewiss. Der TKMS-Vorstand ist mit einem ersten Versuch gescheitert, einen Partner an die Werft zu binden, die bislang Handelsschiffe gebaut hat. Der Betriebsrat und die IG Metall stemmten sich gegen einen Teilverkauf des Unternehmens an die Bremerhavener Rönner-Gruppe. "Die IG Metall hat das Beschäftigungskonzept für HDW Gaarden bewusst abgelehnt. Deshalb haben wir das Konzept für einen Verkauf von HDW Gaarden erst einmal wieder vom Tisch genommen", sagte Atzpodien. "Dies kann dazu führen, dass am Standort im Frühjahr 180 Mitarbeiter betriebsbedingt gekündigt werden müssen. Aus Sicht des Vorstandes ist ein Outsourcing in Kiel nach wie vor sinnvoll."

Der künftige Eigner der Nordseewerke in Emden, der Unternehmer Rüdiger Schaaf, beschreibt unterdessen hervorragende Wachstumsperspektiven für den maritimen Industriestandort an der Nordsee: "Wir sind das einzige Unternehmen in Deutschland, das in der Lage ist, Offshore-Überwasser- und Unterwassertechnik anzubieten und sie auch ins Wasser zu stellen", sagte Schaaf in Hannover. "Wir bieten den ersten deutschen Standort an, der sich mit Offshore-Hochtechnologie beschäftigt. Viele Hersteller von Windturbinen haben bereits angefragt, ob sie mit uns arbeiten können." Windkraft-Unternehmen wie Repower Systems aus Hamburg bauen derzeit an der Nordseeküste Fertigungsstätten auf.

SIAG will rund 700 Beschäftigte der Nordseewerke übernehmen, rund 400 sollen bei TKMS bleiben, 100 Arbeitsplätze gehen verloren. "Der Strukturwandel in Emden kommt quasi über Nacht. Die Nordseewerke haben mit uns und mit der Offshore-Windkraft-Industrie eine einmalige Chance", sagte Schaaf. "Die Konditionen für die Mitarbeiter am Standort bleiben unverändert. In drei bis vier Jahren werden die Nordseewerke eines der erfolgreichsten Werke in unserer Gruppe sein."