Mehr Umsatz, mehr Mitarbeiter, mehr Innovationen: Der Harburger Schiffsruderhersteller Becker Marine hat die Weltmarktführerschaft erobert.

Hamburg. Schon seine gute Laune lässt Gedanken an eine Krise gar nicht erst aufkommen. "Unsere Rezepte gegen die Krise sind Innovationen, die wir vorangetrieben haben", sagt Dirk Lehmann, Chef des Hamburger Schiffsruderherstellers Becker Marine Systems.

Von Harburg aus hat der Mittelständler die weltweite Führung bei diesen Anlagen für Seeschiffe erobert, liefert inzwischen drei von fünf Rudern für die größten Containerriesen der Welt und hat Partnerschaften mit zwei großen Werftkonzernen in Korea geschlossen. Ein klarer Beweis dafür, dass die Asiaten den Vorsprung der Deutschen zu würdigen wissen.

Erst Anfang 2002 war der Ingenieur Lehmann als geschäftsführender Gesellschafter bei Becker Marine eingestiegen. Damals wurde für die Firma, deren Gründer Willi Becker das Ruder mit einem beweglichen Endstück erfunden hatte, ein neuer Chef gesucht. Lehmann hat seitdem nicht nur das Becker-Ruder weiterentwickelt, sondern auch über Schiffsantriebe nachgedacht.

Neuestes Prunkstück ist der nach einem Freund von Lehmann benannte Mewis-Tunnel: Ein stählerner Ring, der um den Propeller gelegt wird und mit Leitblechen dafür sorgt, dass mehr Wasser mit höherer Kraft auf die gesamte Schiffsschraube gelenkt wird. Ein Effekt, der bei gleicher Leistung der Maschine acht Prozent Treibstoff spart.

"Die Innovation macht sich bezahlt"

"Wir haben bislang vier dieser Anlagen verkauft, die erste wird demnächst eingebaut", sagt Lehmann. Weitere 200 Projekte warten schon in der Schublade. Den Mewis-Tunnel schützt inzwischen ein Patent. Auch den Namen von Friedrich Mewis, der zuvor jahrzehntelang als Experte für Antriebe bei den Schiffsversuchsanstalten in Potsdam und Hamburg arbeitete, darf niemand sonst für seine Produkte verwenden.

Der bei einem Supertanker rund 300 000 Euro teure Tunnel lässt sich während der für Schiffe regelmäßig vorgeschriebenen Wartungsarbeiten in wenigen Tagen nachrüsten. "Bereits nach einem Jahr macht sich die Innovation bezahlt", hat Lehmann ausgerechnet. Solche Neuerungen sind in Krisenzeiten begehrt.

So hat Becker Marine die seit Monaten ausbleibenden Aufträge für Neubauten bisher nahezu ohne Probleme bewältigt. Sogar Konstrukteure, Servicemitarbeiter sowie kaufmännische Mitarbeiter werden gesucht. Vier Auszubildende und zwei Mitarbeiter unterstützt die Firma für die nächsten Jahre beim Studium, um sich die gut ausgebildeten Fachleute zu sichern.

"Wie Dornröschen wach geküsst"

Neu geworbene Konstrukteure aus der Luftfahrt verhalfen zu einer weiteren Innovation. Mit ihnen gelang es, Ruder für Offshoreschiffe mit leichteren Materialien zu bauen. Sie werden jetzt statt für 100 000 Euro 20 Prozent günstiger angeboten. Lehmann geht es vor allem darum, dass "Wissen warum" in seiner Gesellschaft zu halten. Gefertigt wird bei Firmen in Elmshorn sowie in der Nähe von Bremen, in den Niederlanden, in Südeuropa und in China.

Seit Januar 2002 stieg der Umsatz von zwölf auf 100 Millionen Euro. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs von 25 auf 90 und aus einem Standort in Hamburg wurden sechs darunter Oslo, Shanghai oder Singapur. Zudem verkaufen 20 Agenten weltweit Becker-Ruder.

Der Mann, der sich vor seinem Wechsel ins Management schon entschieden hatte, Berufssoldat zu werden, erlebt den Aufstieg seiner Firma als ob er sie "wie Dornröschen für den weltweiten Wettbewerb wach geküsst" hätte. Mit deutschen Werften machte er 2008 noch sechs Prozent seines Umsatzes, in diesem Jahr werden es voraussichtlich noch vier Prozent sein. Deutsche Reeder hingegen bestimmten mit ihren Neubauten in Asien 40 Prozent der Erlöse.

Umzug auf die Harburger Schlossinsel

Jetzt setzt der Ingenieur zum nächsten Schritt an. Die eigene, im November 2003 bezogene, zwei Millionen Euro teure Zentrale reicht nicht mehr für alle Mitarbeiter. Bis Ende 2010 will das Unternehmen rund 3000 Quadratmeter eines Neubaus auf der Harburger Schlossinsel beziehen. Im geplanten Maritimen Competenz-Center, das Becker Marine als Mieter nutzen wird, werden 200 Mitarbeiter Platz finden. Genug Raum also für eine weitere Expansion.

Auch das nächste technische Projekt ist im Werden. Becker Marine testet den ersten Ruderschaft aus Kohlefaser. Die Welle, auf der sich das Schiffsruder bewegt, gibt es bisher nur aus Metall. Sie gilt als größtes Schmiedeteil der Welt. Innerhalb von zehn Jahren will Lehmann nun das neue, leichtere Material für den Schaft als Standard einführen. Die Ideen gehen Lehmann und seinem Team nicht aus - genauso wenig wie dem Chef die offensichtlich angeborene gute Laune.