Hamburgs größte Reederei leidet unter der Wirtschaftskrise - und unter dem Zwist seiner Eigner. Heute beraten die Gesellschafter über die weitere Finanzierung.

Hamburg. Man treffe sich heute "in zentraler Hamburger Lage", sagte ein Insider dem Abendblatt. Ob in der Zentrale von Hapag-Lloyd am Ballindamm oder im Firmengebäude eines der verschiedenen Hamburger Miteigentümer, verriet er nicht. Dabei würde es, symbolisch gesehen, durchaus einen Unterschied machen, ob die Eigentümer der führenden Hamburger Reederei an einem neutralen Ort zusammenkommen oder beispielsweise in der Deutschlandzentrale des Logistik-Großunternehmers Klaus-Michael Kühne in der HafenCity.

Vor allem der gebürtige Hamburger Kühne, dessen Konzern in der Schweiz sitzt, wurde im vergangenen Jahr für sein Engagement bei Hapag-Lloyd gefeiert. Das Konsortium Albert Ballin, dessen Teilhaber er ist, kaufte dem TUI-Konzern in Hannover die Mehrheit der Reederei ab und verhinderte damit eine Übernahme von Hapag-Lloyd durch den Konkurrenten NOL in Singapur.

Aber vor allem Kühne, der seinen Anteil an Hapag-Lloyd aus finanziellen Gründen von den zunächst geplanten 25 auf 15 Prozent senken musste, scheinen die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise auf Hapag-Lloyd nun besonders nervös zu machen. Regelmäßig meldet er sich öffentlich zu Wort und fordert härtere Rationalisierungsmaßnahmen bei der Containerschiffslinie. Dabei läuft bereits ein Einsparungsprogramm mit einem Volumen von jährlich 400 Millionen Euro. 500 der weltweit etwa 7500 Arbeitsplätze wurden seit Ende des vergangenen Jahres gestrichen, vor allem im Ausland, zudem in Deutschland auch dadurch, dass man frei werdende Stellen nicht neu besetzt. Das indes genügt Kühne nicht: In der vergangenen Woche warnte er, die Schulden des Unternehmens drohten Hapag-Lloyd zu "strangulieren".

Vor allem TUI, das noch immer gut 43 Prozent an Hapag-Lloyd hält, müsse die Reederei finanziell entlasten. Auch um staatliche Finanzhilfen werde das Schifffahrtsunternehmen wohl nicht herumkommen, grollte der Branchenveteran aus seinem Konzernsitz in Schindellegi.

Kühnes Mitgesellschaftern im Konsortium Albert Ballin geht das Verständnis für derartige Vorstöße mittlerweile aus. "Das ist nicht amüsant, sondern teilweise schon geschäftsschädigend", kommentiert ein Miteigentümer Kühnes Äußerungen. Die Hamburger Investorengruppe hält zusammen 57 Prozent an Hapag-Lloyd. Zum Konsortium gehören neben der städtischen Beteiligungsgesellschaft die Banken MM Warburg und HSH Nordbank sowie die Versicherungen Signal-Iduna und Hanse-Merkur. Mit öffentlichen Äußerungen halten sie sich zurück. Aus der Finanzbehörde, die für die Kontrolle der städtischen Beteiligungen zuständig ist, heißt es zur künftigen Finanzierung nur, man suche nach einer "erfolgreichen" Lösung, für die es "verschiedene Optionen" gebe.

Hapag-Lloyd hat allein im ersten Quartal dieses Jahres einen Verlust von 222 Millionen Euro eingefahren, die Zahlen für das zweite Quartal sind noch nicht bekannt. Der wichtigste Konkurrent, der Weltmarktführer Maersk Line in Kopenhagen, rechnet in der Containerschifffahrt für das gesamte Jahr 2009 mit "erheblichen Verlusten" und dem Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze. Auch den Druck zu weiteren Fusionen von Reedereien könne die Weltwirtschaftskrise noch erhöhen, sagte Maersk-Chef Eivind Kolding kürzlich. Diesem Trend dürfte sich Hapag-Lloyd kaum entziehen können.

Laut Branchengerüchten - die allerdings niemand bestätigt - braucht die Hamburger Reederei rasch frisches Kapital von mehreren Hundert Millionen Euro. Auch von einem Kredit der staatlichen KfW-Bank ist die Rede. Entscheidend dürfte allerdings sein, ob die Mehrheitsgesellschafter im Konsortium Albert Ballin zunächst bereit sind, Geld nachzulegen.

Kühnes Kritik in den vergangenen Wochen lässt nicht darauf schließen, dass der Unternehmer das will. Er fordert im Gegenteil von TUI, die Schuldenlast von Hapag-Lloyd zu reduzieren. Allerdings hat der Touristikkonzern der Reederei einen Kreditrahmen von bis zu 1,4 Milliarden Euro eingeräumt, der längst nicht ausgeschöpft ist.

Die Stadt Hamburg wiederum, die bereits mit rund 500 Millionen Euro bei Hapag-Lloyd engagiert ist, kann ihr Investment nicht ohne Weiteres erhöhen - schon gar nicht angesichts der zu erwartenden Steuerausfälle. Ziemlich sicher müsste über eine städtische Kapitalspritze die Bürgerschaft mitentscheiden. Realistischer erscheint hingegen, dass Hapag-Lloyd seinen 25-prozentigen Anteil am weltweit modernsten Containerterminal in Altenwerder beleiht, um an Geld zu kommen. Auch ein Verkauf der strategisch wertvollen Infrastruktur wäre denkbar.

So bleiben den Gesellschaftern bei ihrem Treffen heute in "zentraler Hamburger Lage" viele Optionen zur Diskussion. Unterstützt wird die Entscheidungsfindung durch eine Unternehmensberatung, die seit einer Woche die Zahlen von Hapag-Lloyd durchforstet. Das notwendige gegenseitige Vertrauen der Eigentümer kann deren Expertise allerdings nicht ersetzen.