Kontogebühren

Banken tricksen – wie sich Kunden wehren können

| Lesedauer: 11 Minuten
Volker Mester und Steffen Preißler
Trotzs des Urteils wollen viele Banken umstrittene Preiserhöhungen nicht erstatten. Dazu gehört auch die Haspa.

Trotzs des Urteils wollen viele Banken umstrittene Preiserhöhungen nicht erstatten. Dazu gehört auch die Haspa.

Foto: picture alliance / Winfried Rothermel | Winfried Rothermel

Trotz des Urteils des Bundesgerichtshofes wollen viele Geldinstitute zu viel gezahlte Gebühren nicht erstatten. Was Kunden tun können.

Hamburg. Seit dem Jahr 2015 sind die Gebühren von Banken und Sparkassen im Schnitt um gut 34 Prozent gestiegen – und nur in wenigen Ausnahmefällen haben die Kunden der Verschlechterung der Konditionen zugestimmt. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ist klar: Nahezu alle Gebührenerhöhungen waren rechtswidrig.

Damit müssten die Geldhäuser ihren Kunden die Einnahmen aus den widerrechtlich erwirkten Preisanhebungen eigentlich erstatten. Das tun sie allerdings meist nicht von sich aus. Manche Institute wie die Postbank, die Deutsche Bank und die Commerzbank zahlen nach eigenen Angaben zumindest Beträge, die seit der Verkündung des BGH-Urteils Ende April angefallen sind, unaufgefordert zurück. Andere Finanzhäuser, darunter die Sparkasse Holstein, bieten Kunden einen Teilbetrag an, quasi eine Prämie.

Wer sich darauf einlässt und das Geld nimmt, muss aber unterschreiben, dass möglicherweise bestehende weitere Ansprüche damit abgegolten sind. „Man muss dann abwägen, ob einem die unkomplizierte Erstattung oder eventuelle höhere Ansprüche wichtiger sind“, sagt Kerstin Föller, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg.

Kontogebühren: Banken zahlen Kunden Prämien

Im Durchschnitt geht es nach Berechnungen des Verbraucherportals Biallo um 120 Euro pro Kunde, die von den Banken und Sparkassen zurückerstattet werden müssten. Doch gerade Kunden mit ursprünglich kostenlosen Konten dürften vielfach weit höhere Beträge von mehreren Hundert Euro zustehen. Branchenweit kommen beträchtliche Größenordnungen zusammen. So kostet das BGH-Urteil nach Schätzung der Aufsichtsbehörde BaFin die Banken die Hälfte des Jahresüberschusses – und das waren laut Bundesbank zuletzt 5,7 Milliarden Euro.

Die Haspa hat nach eigenen Angaben „erste Erstattungen“ bereits geleistet, Kunden müssten dazu aber ihre Forderungen „konkret benennen“. Es geht dabei um Gebührenerhöhungen seit Anfang 2018. Generell aber beruft sich die Haspa darauf, dass nach einer Gebührenerhöhung der Preis rechtlich gültig ist, den ein Kunde „seit mehr als drei Jahren unbeanstandet zahlt.“
Der BGH sah das mit Blick auf die Bankenbranche anders. Die klare Ansage der Bundesrichter: Schweigen ist keine Zustimmung.

So können sich Kunden wehren

Welche Gelder können zurückgefordert werden? Wie können die freiwilligen Rückzahlungen der Banken bewertet werden? Wie lassen sich Ansprüche am besten durchsetzen? Was ist mit der Verjährung? Das Abendblatt sprach darüber mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Worum wird gestritten?

Bei allen Geldinstituten herrschte bisher die Praxis vor: Wenn der Kunde sich nicht meldet, stimmt er automatisch den neuen, meist höheren Gebühren zu. Eine Praxis, die die Richter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe nicht weiter dulden wollten.

Sie haben deshalb bereits im Frühjahr entschieden, dass die bisherige Praxis fast aller Banken und Sparkassen rechtlich unzulässig ist – nämlich dass sie die Zustimmung ihrer Kunden zu höheren Gebühren oder anderen geänderten Bedingungen einfach voraussetzen, wenn die nicht ausdrücklich dagegen vorgehen (Az. XI ZR 26/20). Die Folge des Urteils: Zu Unrecht erhobene Gebühren können zurückgefordert werden, mindestens für die Zeit seit 2018. Mit dem Urteil sind so ziemlich alle Gebührenerhöhungen von Banken und Sparkassen seitdem unwirksam.

Wer hat Ansprüche gegen seine Bank?

Fast alle Kunden sind betroffen. Denn Gebührenerhöhungen gab es in den vergangenen Jahren bei den meisten Geldinstituten. „Es spielt keine Rolle, ob die Bank in den letzten Jahren die Gebühren erhöht hat oder nicht“, sagt Kerstin Föller, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. Irgendwann wurde ein Konto eröffnet und ein Preis dafür vereinbart; oder es war sogar kostenlos.

Die folgenden Preiserhöhungen wurden in der Regel stillschweigend akzeptiert. „Die Differenz zwischen dem damaligen Preis und dem aktuellen Preis ist die Basis für die Berechnung der Rückforderungen“, erklärt Kerstin Föller. „Wir gehen davon aus, dass zu viel gezahlte Gebühren mindestens seit 2018 zurückgezahlt werden müssen.“ Doch viele Geldinstitute sträuben sich wie die Haspa. „Wir haben schon mehr als 1500 Fälle von Banken vorliegen, die den Kunden die Rückerstattung verweigern“, sagt Philipp Volkmer, Geschäftsführer des Hamburger Prozessfinanzierers Justify.

Um welche Beträge geht es?

Dies zeigt das Beispiel der Postbank, gegen die das Urteil des BGH ergangen war. Die betreffende Kundin hat ihr Giro-plus-Konto im Juli 2016 eröffnet – damals noch mit kostenloser Kontoführung. Sie zahlt seit November 2016 Kontoführungsgebühren in Höhe von 3,90 Euro monatlich und seit Oktober 2019 sogar 4,90 Euro. Zum April 2021 stieg der Preis schließlich auf 5,90 Euro. Außerdem kostete die Visa-Karte der Kundin vom 1. Januar 2018 an nun 29 Euro statt vorher nur 20 Euro pro Jahr.

Ihr Anspruch auf Erstattung von Zahlungen beträgt einschließlich der Kontoführungsgebühr für Juni 2021 rund 220 Euro, wenn man die zu viel gezahlten Gebühren seit dem Jahr 2018 addiert. „Hinzukommt noch eine Verzinsung von fünf Prozent über dem Basiszinssatz“, sagt Volkmer. Das wären aktuell 4,12 Prozent Zinsen, weil der Basiszinssatz inzwischen negativ ist. Das Verbraucherportal Biallo hat einen Durchschnittswert von 120 Euro pro Kunde ermittelt, den die Banken und Sparkassen zurückerstatten müssten.

Wie reagieren die Banken?

Die Banken werden in den meisten Fällen nicht von sich aus Erstattungen vornehmen. Wer Geld zurückbekommen will, muss selbst aktiv werden. Nicht täuschen lassen sollten sich Verbraucher von kleinen Beträgen, die schon erstattet wurden, heißt es von Experten. Das betrifft die Postbank, die Deutsche Bank, und die Commerzbank. Es handelt sich dabei nur um Beträge, die seit dem Urteil zusammengekommen sind.

„Die Ansprüche der Kundinnen und Kunden, die seit dem BGH-Urteil angefallen sind, erstatten wir unaufgefordert zurück“, sagt dazu ein Sprecher der Deutschen Bank, der auch für die Postbank spricht. Ähnlich äußert sich eine Sprecherin der Commerzbank. Das Urteil wurde Ende April 2021 verkündet, also erstatten diese Banken nur Beträge für wenige Monate. „Sofern Kundinnen und Kunden um Erstattung bis zum Urteil bitten, prüfen wir den Anspruch und erstatten die Gebühren natürlich, sofern ein tatsächlicher Erstattungsanspruch besteht“, sagt der Sprecher der Deutschen Bank.

Welche Abwehrstrategien der Banken gibt es?

Wer wie die Haspa in den vergangenen drei Jahren, also seit 2018, die Gebühren nicht erhöht hat, stützt sich vielfach auf ein früheres Urteil des BGH zu Energielieferverträgen (Az.: VIII ZR 241/15). Die Sparkasse schreibt dazu ihren Kunden: „Nach der Rechtsprechung des BGH gilt bei langjährigen Geschäftsbeziehungen der Preis, den ein Kunde seit mehr als drei Jahren unbeanstandet zahlt.“

Auch die Berliner Sparkasse und die Sparkasse Köln/Bonn argumentieren so. „Wir bereiten Musterfeststellungsklagen gegen die beiden Sparkassen vor, um klären zu lassen, dass die geforderten Entgelte unabhängig vom Zeitpunkt der Erhöhung erstattet werden müssen“, sagt Sebastian Reiling, Referent für Musterfeststellungsklagen beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

„Die Regelungen bei Energiepreisen sind wesentlich komplizierter als bei Kontoverträgen und deshalb nicht übertragbar.“ Die Energieversorger müssen sich die Energie selbst zu stark schwankenden Preisen beschaffen. Rückforderungen auf der Grundlage von Preisen bei Vertragsabschluss hätten die Firmen in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht, argumentiert die Stiftung Warentest. Deshalb habe der BGH Erstattungsforderungen begrenzt. Doch bei Kontoverträgen gibt es eine solche Lage nicht.

Wie sollte man mit freiwilligen Vergleichsangeboten umgehen?

Die freiwilligen Erstattungen von Geldhäusern beeinträchtigen nicht eventuelle weitere Ansprüche. Anders kann es bei Vergleichsangeboten sein. So bietet die Sparkasse Holstein auch nur eine Zahlung für die Zeit von April 2021 bis Oktober 2021 an, zum Beispiel rund 42 Euro, obwohl die neuen, teureren Konten bereits im November 2020 eingeführt wurden.

Diesen Betrag kann man sich auf das Konto überweisen lassen oder an die Sparkassen Stiftung Holstein spenden, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt – und weiter: „Mit der von Ihnen bestimmten Verwendung dieses Betrages sind dann alle etwaig bestehenden oder künftigen Ansprüche abgegolten.“ Wer sich darauf einlässt, verzichtet also auf Ansprüche. „Man muss dann abwägen, ob einem die unkomplizierte Erstattung oder eventuelle höhere Ansprüche wichtiger sind“, sagt Föller.

Wie kann ich Forderungen gegenüber meiner Bank durchsetzen?

Das muss schriftlich gegenüber der Bank erfolgen. Auf der Internetseite der Verbraucherzentrale Hamburg und der Seite der Stiftung Warentest gibt es dafür Musterbriefe. Reagiert die Bank nicht oder lehnt ab, kann man einen Rechtsanwalt einschalten, wenn man rechtsschutzversichert ist, oder sich an Prozessfinanzierer wie Hellogetright, Justify oder Spreefels wenden, die den Fall prüfen und bei Erfolgsaussicht die Klage übernehmen.

Dafür verlangen sie im Erfolgsfall eine Beteiligung. Das sind meist zwischen 20 und 25 Prozent des rückerstatteten Geldes. Die Verbraucher können sich auch auf die Finanzaufsicht BaFin berufen. Die hat die Geldinstitute zu einer Erstattung von zu Unrecht erhobenen Entgelten aufgerufen und verpflichtet, den Kunden vollständige Informationen zu gewähren, damit diese den Erstattungsanspruch beziffern können.

Was ist mit der Verjährung?

Das BGH-Urteil ist aus dem Frühjahr. Rückforderungen für die vergangenen drei Jahre sind unstrittig. „Aber Ende des Jahres verjähren Forderungen aus dem Jahr 2018“, sagt Föller. „Es kann auch sein, dass die Forderungen der Kunden zehn Jahre zurückreichen können, wenn man ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs heranzieht (Az.: C-609/19), aber das ist noch nicht sicher“, sagt Föller.

Die Experten bei Justify konzentrieren sich zunächst auf die Forderungen ab 2018. „Wir beobachten die Entwicklung und können gegebenenfalls noch Forderungen nachschieben“, sagt Volkmer. Der Europäische Gerichtshof hatte entschieden, dass die Erstattung aufgrund missbräuchlicher Klauseln nicht schon verjährt sein darf, bevor Verbraucher überhaupt erkennen konnten, dass sie Erstattung fordern konnten. Deshalb meint die Stiftung Warentest, dass Kunden die Erstattung aller innerhalb der letzten zehn Jahre gezahlten Beträge durchsetzen können.

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