Riskanter Milliardenmarkt: Den Anlegern offener Immobilienfonds wird mittlerweile der Zugriff auf 26 Milliarden Euro verwehrt.

Hamburg. Die Anleger offener Immobilienfonds kommen auch zwei Jahre nach der Finanzkrise nicht zur Ruhe. Nachdem viele Fonds schon seit Monaten geschlossen sind, droht jetzt sogar die Auflösung einiger Produkte, bei der Verluste für die Anleger nicht ausgeschlossen sind. Die Fondsgesellschaft KanAm hatte als erste angekündigt, ihren Fonds US-Grundinvest aufzulösen. Ein bisher einmaliger Vorgang in der rund 50-jährigen Geschichte der offenen Immobilienfonds. Alle 17 Immobilien werden verkauft und die Anleger ausgezahlt. Der Fonds war bereits seit Ende Oktober 2008 geschlossen. "Die erwartete Marktbereinigung hat begonnen", sagt Sonja Knorr, Analystin der Ratingagentur Scope.

Drei Millionen Deutsche besitzen Anteile von offenen Immobilienfonds

Dabei versprach die Anlage in "Betongeld" jahrzehntelang Sicherheit und stetige Ausschüttungen mit Steuervorteilen. Drei Millionen Deutsche haben deshalb Geld in diesen Investmentfonds investiert. Sie stecken weltweit das Geld der Sparer in Bürogebäude, Einkaufszentren und Logistikzentren. Manche Fonds liegen aber im Minus. Auf Sicht von einem Jahr verloren die beiden offenen Degi-Immobilienfonds, die früher von der Dresdner Bank verkauft wurden, 16,8 Prozent (Degi Europa) bzw. 10,7 Prozent (Degi International) an Wert. Die Anleger des Fonds Morgan Stanley P2 Value büßten knapp 20 Prozent in einem Jahr ein.

Inzwischen ist klar, dass diese Fonds keine risikolose Geldanlage mehr sind, als die sie von den Banken gerne verkauft wurden. "Die Story vom absolut risikolosen Produkt besteht so nicht mehr", gesteht Stefan Seip, Hauptgeschäftsführer des Fondsbranchenverbands BVI. Eine Einschätzung, die noch vor Jahren undenkbar gewesen wäre.

Neun offene Immobilienfonds und ein Immobiliendachfonds sind zurzeit geschlossen (siehe Tabelle links). Die Anleger können ihre Fondsanteile nicht zurückgeben, kommen also nicht mehr an ihr Geld, obwohl auch diese tägliche Verfügbarkeit des Geldes ein Verkaufsargument war. Dem Zugriff der Anleger sind Gelder im Volumen von rund 26 Milliarden Euro entzogen, knapp ein Drittel des in offene Immobilienfonds investierten Kapitals.

Die Liquidität der geschlossenen Fonds reicht nicht aus, um alle Anleger, die es wollen, auszuzahlen. Denn das Geld steckt überwiegend in Immobilien, die nicht so schnell verkauft werden können. Es fehlt an Käufern oder an Banken, die den Kauf finanzieren. Oder es lassen sich nicht die Preise erzielen, die sich die Fondsgesellschaft vorgestellt hat. Die Fonds bekommen immer dann Probleme, wenn viele Anleger gleichzeitig ihr Geld abziehen.

So wollen die Anleger des US-Grundinvest Anteile im Volumen von 300 Millionen Dollar zurückgeben. Zu viel für den kleinen Fonds. Es hätten zu viele Immobilien verkauft werden müssen. "Danach wären Risikomischung und Streuung des Immobilienportfolios nicht mehr gewährleistet", sagt Michael Birnbaum, Sprecher von KanAm. "Die einzige Lösung bestand darin, die Auflösung des Fonds einzuleiten." Die Höhe der Verluste hängt vom Zeitpunkt des Einstiegs ab. Wer von Anfang an dabei war, komme im Plus aus dem Geschäft. "Wir hoffen auf eine schwarze Null für jeden Anleger", sagt Birnbaum. Experten schließen nicht aus, dass weitere offene Immobilienfonds abgewickelt werden. Doch die Fonds setzen auf einen Neuanfang. Nach zwei Jahren ununterbrochener Schließung müssen die Fonds wieder öffnen oder ihre Abwicklung einleiten. Der Fonds P2 Value füllt im Moment über Immobilienverkäufe seine Kassen. Eine endgültige Entscheidung über eine Wiedereröffnung werde in der zweiten Oktober-Hälfte fallen, sagt Geschäftsführer Walter Klug.

Auch der Degi Europa stärkt seine Liquidität. Gerade wurde ein Bürogebäude in Paris verkauft, allerdings ohne den Verkaufserlös zu nennen. "Wir haben damit eine verfügbare Liquidität von 33 Prozent", sagt Geschäftsführer Hartmut Leser. Spätestens zum 30. Oktober soll der Fonds wieder geöffnet werden. Auch der sechs Milliarden Euro schwere SEB Immoinvest arbeitet sein Verkaufsprogramm an Immobilien ab. "Wir wollen so bald wie möglich wieder öffnen", sagt eine Sprecherin der Fondsgesellschaft.

"Bei den Fonds Degi Europa und Morgan Stanley P2 Value besteht die Gefahr, dass eine nachhaltige Wiedereröffnung der Fonds nicht gewährleistet ist", sagt Knorr. Vorgekommen ist das schon: Manche Fonds öffneten wieder, mussten aber wenige Monate später wieder schließen, weil die Liquidität erneut erschöpft war. "Viele Fonds, die jetzt Liquiditätsprobleme aufweisen, haben insbesondere Schwierigkeiten bei der Vertriebs- und damit Liquiditätssteuerung", sagt Knorr. Denn wer seine Fonds vorwiegend über den Bankschalter verkauft, kann den Vertrieb besser steuern. Rückgabewillige Anleger können beruhigt und umgestimmt werden. Wird frisches Geld benötigt, starten die Berater eine Verkaufsoffensive. Werden die Fonds dagegen über freie Vermittler vertrieben, ist die Steuerung der Zu- und Abflüsse nicht so einfach. "Zudem wurden Objekte auf dem Höhepunkt der Immobilienmärkte zu teuer eingekauft und Strategien versucht, die letztlich nicht aufgegangen sind", ergänzt Expertin Knorr.

Die durchschnittliche Rendite dieser Fonds liegt bei 0,5 Prozent

Deshalb trennt sich bei den offenen Immobilienfonds immer stärker die Spreu vom Weizen. Nach Einschätzung der Ratingagentur Scope werden von der Marktbereinigung die Fonds von Deka Immobilien (Sparkassen), Union Investment Real Estate (Genossenschaftsbanken), RREEF Investment (Deutsche Bank) und Commerz Real Investment (Commerzbank) profitieren. Alle diese Fonds sind offen. Union Investment aus Hamburg steht an der Spitze der Neuinvestments. Knapp eine Milliarde Euro wurde 2010 in zehn Objekte investiert - und zwar ohne Liquiditätsprobleme.

Dennoch drängt sich eine Anlage in offene Immobilienfonds für Privatanleger nicht auf. Der Gesetzgeber plant neue Regelungen für offene Immobilienfonds mit bestimmten Haltefristen. Zwar wird es Ausnahmen für Privatleute geben, doch es schadet nicht, bis zur Verabschiedung des neuen Gesetzes zu warten. Sparer versäumen nichts. Die durchschnittliche Rendite offener Immobilienfonds liegt auf Ein-Jahres-Sicht bei bescheidenen 0,5 Prozent.