Die Praxis, den Yuan fest an den Dollar zu binden und die Währung damit künstlich niedrig zu halten, steht vor dem Aus.

Hamburg. Das Gezerre um den Yuan war nicht weniger als ein Machtkampf zwischen der amtierenden und der kommenden Weltmacht. Monatelang hatte der Finanzminister der USA, Timothy Geithner, die Chinesen wegen ihrer Währungspolitik an den Pranger gestellt. Er beschimpfte sie als "Währungsmanipulatoren" und dachte sogar laut über mögliche Strafzölle für chinesische Produkte nach.

Geithner sprach am deutlichsten aus, was viele Wirtschaftsnationen schon länger mit Misstrauen beobachteten: dass China mit dem niedrigen Yuan seine Exporte künstlich verbilligt. Und sich so einen unfairen Wettbewerbsvorteil für seine Millionen Handys, Tonnen Turnschuhe oder Berge von Spielzeug verschafft. Alles Produkte, die China auch noch zu Löhnen herstellen lässt, von denen die Konkurrenz im Westen nur träumen kann.

Doch jetzt hat China reagiert. Vor dem Gipfel der führenden Wirtschaftsnationen (G20) hob die Zentralbank in Peking die feste Anbindung des Yuan an den US-Dollar auf. Man wolle die Reform des Yuan-Wechselkursmechanismus weiter voranbringen und dessen Flexibilität stärken, erklärte das Finanzinstitut am Wochenende.

Die vor zwei Jahren eingeführte Praxis, den Yuan fest an den Dollar zu binden und die Währung trotz des ungebrochenen chinesischen Wirtschaftsbooms künstlich niedrig zu halten, steht damit vor dem Aus.

Die positiven Reaktionen auf den neuen Umgang mit dem Yuan, der kurz nach der Machtübernahme der Kommunisten und der Gründung der Volksrepublik China 1949 eingeführt worden war, kamen nicht nur aus den USA: Nachdem US-Präsident Barack Obama den angekündigten Politikwechsel als einen "konstruktiven Schritt" gelobt hatte, der zu "mehr Gleichgewicht in der Weltwirtschaft beitragen kann", äußerte sich die EU-Kommission ähnlich: Eine Aufwertung des Yuan sei "vorteilhaft für die chinesische Wirtschaft und die Weltwirtschaft", erklärte die Brüsseler Behörde. In die Euro-Zone geht knapp ein Fünftel aller chinesischen Exporte. Auch der Hamburger China-Kenner Malte Barth begrüßte den Schritt: "Es ist in jedem Fall besser, wenn sich die Marktkräfte freier entfalten können", sagte der Unternehmensberater. Dann seien auch weniger Protektionismus und Wettbewerbsverzerrung zu befürchten.

Zwar hatten Experten zuletzt berechnet, dass der Yuan um bis zu 40 Prozent von seinem angemessenen Kurs entfernt sein könnte. Eine deutliche Korrektur schloss Peking jetzt allerdings aus. "Es gibt derzeit keine Grundlage für eine größere Schwankung oder Veränderung des Wechselkurses", hieß es. Der Kurs solle auf einem "vernünftigen, ausgeglichenen Niveau" verbleiben. Eine rasche Aufwertung des Yuan gegenüber dem US-Dollar ist demnach nicht zu erwarten. Der Druck auf die USA, die mit einer Arbeitslosenquote von zehn Prozent zu kämpfen haben, dürfte vorerst bestehen bleiben.

Dagegen boomt China trotz der Finanzkrise. Schon 2009 lag das Wachstum bei 8,7 Prozent, im laufenden Jahr sollen es mehr als neun Prozent werden. Die drittgrößte Volkswirtschaft besitzt mit 2,4 Billionen US-Dollar zugleich die weltgrößten Devisenreserven. Allerdings hat auch eine Milliarde Chinesen noch nicht den Anschluss an die Mittelschicht gefunden.

Ob die aktuelle Entscheidung für einen flexibleren Yuan der Weltwirtschaft nützt, bleibt aber unter Experten umstritten. So hatte der Yuan gegenüber dem Euro zuletzt bereits um knapp 20 Prozent zugelegt. Das bedeutet, dass jedes nach Europa exportierte Produkt 20 Prozent teurer geworden ist. Dennoch konnte China seine Warenlieferungen in die Euro-Zone noch im Mai um mehr als ein Drittel steigern. Auch die gut zwanzigprozentige Aufwertung des Yuan gegenüber dem Dollar zwischen 2005 und 2008, als der Kurs stärker schwanken durfte, hatte den Amerikanern damals nicht geholfen. Das Handelsbilanzdefizit der USA legte dennoch zu. Vor diesem Hintergrund gerät das Poltern des US-Finanzministers in den Verdacht eines Ablenkungsmanövers: eines Versuchs, für hausgemachte Probleme der USA einen Sündenbock im Ausland anzuklagen.