Das Hamburger Landgericht hat ein Urteil gefällt, das Lebensversicherte hoffen lässt - insgesamt geht es um zwölf Milliarden Euro.

Hamburg. Inhaber von Lebensversicherungen, die vorzeitig aus ihren Verträgen ausscheiden, machen derzeit schlechte Geschäfte. Im schlimmsten Fall erhalten sie mit dem sogenannten Rückkaufswert sogar weniger Geld zurück, als sie zuvor eingezahlt hatten. Denn der Versicherungskonzern behält Stornogebühren oder Abschlusskosten ein.

Das könnte sich bald ändern. Das Landgericht Hamburg hat am Freitag mehrere, von den Versicherern verwendete Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen für unwirksam erklärt. Sie regeln die Kündigung oder die Beitragsfreistellung der Verträge.

Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Hamburg. Konkret geht es um Verträge der Versicherer Deutscher Ring, Hamburg-Mannheimer und Generali (ehemals Volksfürsorge). Die Formulierungen seien intransparent und damit unwirksam (Az: 324 O 1116/07, 1136/07), so das Urteil. In den Klauseln werde nicht hinreichend deutlich zwischen dem Rückkaufswert und dem Stornoabzug differenziert.

Das Gericht folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2005, mit der die bis Herbst 2001 verwendeten Klauseln in den Verträgen beanstandet worden waren. Die Versicherer haben die Klauseln anschließend umformuliert, die Verbraucherzentrale Hamburg hat nun gegen die neuen Bestimmungen geklagt, die inzwischen von fast allen Versicherungsunternehmen verwendet werden.

Nach Angaben der Verbraucherschützer können mehrere Millionen Versicherungskunden von dem Urteil profitieren. "Im Durchschnitt kündigen drei von vier Kunden ihren Vertrag vor dem Ende der Laufzeit", sagte Günter Hörmann, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale, dem Abendblatt. Nach seinen Berechnungen werden somit jedes Jahr vier Millionen Kapital bildende Versicherungsverträge vorzeitig aufgelöst.

Bei einer Verjährungsfrist von sechs Jahren kommen so 24 Millionen Verträge zusammen. "Wenn die Versicherungskunden nach dem Urteil pro Vertrag 500 Euro nachfordern könnten, läge die Summe, die die Branche den Verbrauchern bezahlen muss, bei zwölf Milliarden Euro", hat die Finanzexpertin Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg errechnet.

Wann und ob das Urteil rechtskräftig wird, ist noch nicht klar. Denn die betroffenen Versicherer haben am Freitag noch nicht einmal mitgeteilt, ob sie in die nächste Instanz gehen werden. "Wir werden uns das Urteil genau ansehen, bevor wir eine Stellungnahme abgeben", sagte Generali-Sprecher Wolfgang Leix dem Abendblatt. "Sobald Urteil und Begründung vorliegen, prüfen wir mögliche Konsequenzen", sagte Kirstin Zeidler vom Deutschen Ring. "Die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg sind insoweit überraschend, als dass sie über die 2001 vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen hinausgehen", beklagte Ulrike Pott vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Die Verbraucherzentrale rät betroffenen Kunden, dass sie selbst dann sofort ihre Ansprüche anmelden, wenn die Versicherer nochmals in Berufung gehen. Die Kunden sollten schon allein wegen der Verjährungsfristen schnell reagieren. Einen Musterbrief befindet sich im Internet unter www.vzhh.de . "Die Versicherer werden die Kunden nicht von sich aus informieren, sondern das Problem aussitzen", so Edda Castelló.