Hamburg/Berlin. Nach der Absage des geplanten 50-stündigen Warnstreikes bei der Bahn ist der Regional- und Fernverkehr in Hamburg weitestgehend planmäßig angelaufen. Das sagte eine Sprecherin der Deutschen Bahn am Montagmorgen. „Am Wochenende wurden viele Mitarbeiter kurzfristig kontaktiert, um so viele Schichten wie möglich zu besetzen.“ Im Fernverkehr seien derzeit rund 90 Prozent der geplanten Züge unterwegs. Gebietsweise kann es trotzdem zu Ausfällen kommen. Passagiere werden gebeten, sich vor Reiseantritt über die üblichen Kanäle über ihre Fahrten zu informieren. Ab Dienstag soll der Fern- und Regionalverkehr dann wieder komplett normal laufen.
Deutsche Bahn: Jeder dritte Fernzug fällt am Montag aus
Bereits zu Wochenbeginn soll die S-Bahn in Hamburg hingegen weitgehend planmäßig fahren. „Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Tagen unsere S-Bahnen weitestgehend regulär fahren“, teilte das Unternehmen auf Twitter mit.
Anders sieht die Lage absehbar im Regionalverkehr am Montag aus. Gebietsweise könne es zu Einschränkungen und Zugausfällen kommen, hieß es von der Deutschen Bahn. Die Nordbahn bleibt am Montag bei einem Busersatzverkehr auf den Linien Pinneberg–Elmshorn–Wrist, Büsum–Heide–Neumünster und Neumünster–Bad Segeberg–Bad Oldesloe. Da die Kapazität der Busse sehr begrenzt sei, empfehle man, diese nur in dringenden Fällen zu nutzen.
Metronom will regulären Fahrplan anbieten
Erixx Holstein will sich auf den Linien zwischen Kiel, Lübeck und dem niedersächsischen Lüneburg um den normalen Fahrplan bemühen. Mit Einschränkungen müsse aber gerechnet werden, hieß es. Bei der Norddeutschen Eisenbahn Niebüll sind nach Angaben des Unternehmens Einschränkungen auf den Strecken Niebüll–Dagebüll und Niebüll–Tondern (Dänemark) wahrscheinlich.
Der Metronom, der von Hamburg nach Lüneburg und Uelzen beziehungsweise über Rotenburg nach Bremen fährt, strebt an, in den nächsten Tagen den Regelfahrplan für die Fahrgäste anzubieten.
Ab Dienstag sollen alle ICE- und IC-Züge wieder wie geplant fahren
Als Grund für das eingeschränkte Angebot am Montag nannte die Deutsche Bahn die schwierige Organisation. „Erstmals musste der Bahnbetrieb innerhalb von 24 Stunden von Runterfahren auf Hochfahren umorganisiert werden“, so das Unternehmen.
Rund 50.000 Zugfahrten im Fern- und Nahverkehr müssten mit den entsprechenden Schicht- und Einsatzplänen neu eingetaktet werden. Ein Teil der Wagen und Loks müsste an neue Abfahrtsorte gebracht werden. Die gute Nachricht für die Kunden: „Ab Dienstag werden alle ICE- und IC-Züge wieder wie geplant unterwegs sein“, kündigte die Bahn an.
Wichtig für die Kunden: Für Fahrten zwischen Sonntag und Dienstag, 16. Mai, sei die Zugbindung aufgehoben, die Tickets könnten in diesem Zeitraum flexibel genutzt werden. Alternativ könnten bis 11. Mai gebuchte Fahrkarten des Fernverkehrs für die Reisetage 14.5. bis 16.5 kostenfrei erstattet werden.
Gewerkschaft EVG sagt Warnstreik überraschend ab
Ursprünglich hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ihre Mitglieder zu einem 50-stündigen Warnstreik aufgerufen. Beginnend am Sonntag um 22 Uhr sollten sie für gut zwei Tage die Arbeit niederlegen. Am Sonnabend hatte sie den geplanten Ausstand überraschend abgesagt. Zuvor hatte es im Tarifkonflikt mit der Bahn unter Vermittlung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main eine Verständigung gegeben, die nun Grundlage weiterer Tarifverhandlungen sein wird.
Die Warnstreik-Ankündigung von Donnerstagmorgen brachte reichlich Bewegung in die Gespräche zwischen EVG und DB. Die Deutsche Bahn versuchte offensiv, den Ausstand noch zu verhindern. Ein Verhandlungsversuch scheiterte aber am Donnerstagabend, am Freitagmittag lief dann ein Ultimatum der EVG für ein neues Angebot seitens der DB ab.
Bahn hält den Ausstand für unverhältnismäßig
Im nächsten Schritt zog der Konzern vor das Arbeitsgericht in Frankfurt am Main und stellte einen Eilantrag, um per einstweiliger Verfügung auf Unterlassung den Warnstreik abzuwenden. Die DB bewertete den geplanten Ausstand als „unverhältnismäßig“, er schädige Kundinnen und Kunden sowie „unbeteiligte Dritte“. Knapp vier Stunden lang wurde am Sonnabend vor Gericht diskutiert, ehe beide Seiten einem Vergleich zustimmten – also einem Kompromiss.
„Der Gang der Deutschen Bahn vors Arbeitsgericht hat sich für alle gelohnt“, sagte DB-Personalvorstand Martin Seiler laut Mitteilung. Mit dem Vergleich verständigten sich beide Seiten der DB zufolge auch darauf, „nun zügig und konstruktiv zu verhandeln, mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses“.
Mindestlohn gilt als Knackpunkt in den Tarifverhandlungen
Ein Knackpunkt im laufenden Tarifkonflikt ist das Thema Mindestlohn, das auch vor Gericht den Angaben beider Seiten zufolge großen Raum einnahm. Etwa 2000 Beschäftigte erhalten den gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro derzeit lediglich über Zulagen. Die EVG hat es zur Voraussetzung für alle weiteren Verhandlungen gemacht, dass zunächst dieser Mindestlohn in die Tariftabellen aufgenommen wird. Sie will damit erreichen, dass für alle weiteren Verhandlungsergebnisse diese 12 Euro pro Stunde die Grundlage bilden.
Die Bahn wollte zunächst keine Vorbedingungen vor den eigentlichen Verhandlungen erfüllen. Inzwischen hat sie aber zugesagt, den Mindestlohn vorab in die Tariftabellen aufzunehmen. Zuletzt wurde noch darüber gestritten, ob künftige Verhandlungsergebnisse ebenfalls eins zu eins bei den untersten Lohngruppen in die Tabellen geschrieben oder anders ausgezahlt werden, etwa per Zulagen.
Gewerkschaft fordert für höhere Lohngruppen zwölf Prozent mehr Geld
Die Tarifrunde betrifft 230.000 Beschäftigte, 180.000 davon arbeiten bei der Deutschen Bahn. Der Streit um den Mindestlohn tangiert also gerade mal rund ein Prozent der Menschen, für die insgesamt verhandelt wird. Für die Gewerkschaft ist dieser Punkt aber entscheidend – sie will die Beschäftigten mit geringen Löhnen, etwa mit Blick auf die Inflation, überproportional stärken.
- Sylt im Streik-Chaos – Was Reisende jetzt wissen müssen
- S-Bahn Hamburg schafft Linien S 11, S 21 und S 31 ab
- Warum Vincent Vegan jetzt auf Bahnhöfe setzt
Dass die unteren Lohngruppen überproportional gestärkt werden sollen, zeigt sich auch an der Hauptforderung an die Branche, bei der ein hoher Festbetrag im Fokus steht: 650 Euro mehr pro Monat will die Gewerkschaft für die Beschäftigten bei den 50 Bahn-Unternehmen erreichen, mit denen sie derzeit verhandelt. Erst bei den oberen Einkommen fordert sie Prozente, konkret 12 Prozent. Die Laufzeit soll nach Gewerkschaftsvorstellung bei 12 Monaten liegen.
Deutsche Bahn strebte zuletzt 27 Monate Laufzeit an
Die Bahn hat zuletzt steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen von insgesamt 2850 Euro sowie stufenweise Erhöhungen von 10 Prozent bei den unteren und mittleren sowie 8 Prozent bei den oberen Einkommensgruppen in Aussicht gestellt – das alles bei einer Laufzeit von 27 Monaten.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wirtschaft