Medizin

Augenspezialist Euroeyes operiert nun auch im Fußballstadion

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Melanie Wassink
Jörn Jörgensen, Gründer und Leiter der Klinikgruppe EuroEyes, die sich auf die Korrektur von Fehlsichtigkeiten spezialisiert.

Jörn Jörgensen, Gründer und Leiter der Klinikgruppe EuroEyes, die sich auf die Korrektur von Fehlsichtigkeiten spezialisiert.

Foto: EuroEyes / Euroeyes

Hamburger Experten für Korrektur von Fehlsichtigkeiten eröffnen neue Standorte. Die Pandemie belastet das Geschäft.

Hamburg.  Die Augenklinik Euroeyes ist immer wieder für Überraschungen gut. Es ist lange her, dass die Eingriffe am Auge stets eine tagelange Bettruhe erforderten. Heute sind die Patienten meist Kunden, die wenige Minuten nach der OP schon wieder aus der Klinik herausspazieren. Die Standorte von Euro-eyes spiegeln diese Entwicklung wider: „Wir haben gerade unsere neue Klinik in Kopenhagen eröffnet“, sagt Gründer Jørn Slot Jørgensen „im Fußballstadion“. Und der Däne erzählt begeistert, dass die Patienten dort aus dem Wartezimmer das Spielfeld im Blick hätten. Nicht nur das: Nach der OP könnten sie dann noch im benachbarten Geranium einkehren, immerhin ein Dreisternerestaurant, eines der besten der Welt.

Die Liste der exquisiten Lagen geht weiter. In London sitzt die neue Euro-eyes-Klinik neben dem Harrods, das zu den renommiertesten Warenhäusern der Welt gehört. In China wiederum residieren die Operateure neben dem Shanghai Tower, einer der herausragenden Sehenswürdigkeiten von Hamburgs Partnerstadt im Reich der Mitte.

Jørn Slot Jørgensen hat 1993 in Hamburg den Grundstein gelegt für die Euroeyes-Gruppe. Der Mediziner spezialisierte sich früh auf die Korrektur von Fehlsichtigkeiten, mit Augenlaserbehandlungen und Linsenimplantationen. Damit machte Jørgensen Operationen für Brillenträger zum Geschäft. Inzwischen zählen weltweit knapp 30 Stand­orte zu seinem Imperium.

Euroeyes: Zehn neue Standorte sind in Deutschland geplant

Und die Expansion ist noch lange nicht zu Ende. Allein in Deutschland will Euroeyes in den nächsten zwei, drei Jahren zehn neue Standorte eröffnen. Kiel steht bereits kurz vor dem Start, Wiesbaden, Nürnberg und Baden-Baden folgen bald. Die Pläne sehen einerseits OP-Kiniken, aber auch Beratungszentren vor. Schon bisher ist Euroeyes etwa in Oldenburg oder Augsburg mit reinen Informationsstandorten vertreten, wo Vorgespräche und Untersuchungen, aber nicht das eigentliche Lasern oder Einsetzen der Linsen angeboten werden.

Der Bedarf für die neuen Kliniken sei vorhanden, sagt Jørgensen, schließlich bringe die Demografie mit immer mehr älteren Bürgern eine große Nachfrage nach Linsen mit sich, welche die Alterssichtigkeit beheben. Ein großer Teil der Operationen bei Euroeyes macht schon heute das Tragen von Gleitsichtbrillen verzichtbar, die volle Sehkraft ist in der Regel in 24 Stunden nach dem Einsatz einer Multifokallinse wiederhergestellt.

Euroeyes: Konkurrenten sind ebenfalls in Deutschland aktiv

„Die Sechziger sind die neuen Vierziger“, sagt Jørgensen zu seiner wichtigsten Zielgruppe, die nach wie vor Sport treibt und gut aussehen wolle. Jørgensen muss keine große Fantasie haben, um sich in die Kunden hineinzuversetzen, er selbst hat die Lebensmitte schon länger überschritten und hält sich mit seinem Lieblingssport fit: Zwei- bis dreimal in der Woche setzt sich der Unternehmer aufs Rennrad. Sein Hobby unterstützt er auch finanziell und sponsert mit Euroeyes schon seit Jahren die Hamburger Cyclassics.

Konkurrenten wie Carevision oder Optical Express sind ebenfalls in Deutschland aktiv, EuroEyes wirbt aber stärker als andere Anbieter mit seiner langjährigen Erfahrung, der großen Zahl der Operationen und mit dem Schwerpunkt auf den neuesten Verfahren. Diese müssen sich die Kunden etwas kosten lassen: 2450 Euro pro Auge muss der Patient etwa für die innovative Augenlaser-Methode Relax Smile bezahlen, eine minimalinvasive OP-Technik, bei der die Hornhaut-Stabilität erhalten wird. So modern die Verfahren sind, der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. weist darauf hin, dass refraktive Eingriffe, also die Korrektur von Fehlsichtigkeiten, zu den Behandlungen gehören, die nicht zwingend notwendig sind. Es sei in jedem Fall eine besondere Sorgfalt geboten, bei der Beratung und der Aufklärung der Patienten und auch der Ausführung des Eingriffs.

Jørgensen gibt offen zu, dass zwei Herzen in seiner Brust schlagen, dass er sich als Unternehmer und Mediziner sieht, immerhin entstammt er einer Familie, die in der Schifffahrt ihr Geld gemacht hat. Auch der Hauptsitz Hamburg, am Valentinskamp, wo heute 45 Beschäftigte für Euroeyes arbeiten, erinnert eher an ein Unternehmen als an Arbeitsplätze einer Reihe von Ärzten. Der Wartebereich für Patienten ist eingerichtet wie eine Hotellobby, Menschen in Poloshirts stehen am Empfangstresen. Kaffeetheken mit Getränken und Knabbereien verwöhnen die Kunden, im Fenster erinnert eine Art Mülleimer für nicht mehr benötigte Brillen an den Zweck des Besuchs. Kittel tragende Mediziner dagegen erleben die Patienten erst im hinteren, abgetrennten Bereich.

Seit 2019 ist Euroeyes bereits an der Börse gelistet

Dass sich die Korrekturen der Sehstärke und auch der Kapitalmarkt nicht ausschließen, bewies Jørgensen schon vor drei Jahren: 2019 führte er Euroeyes an die Börse, in Hongkong. Es war einer der ersten Börsengänge eines deutschen Unternehmens in der Finanzmetropole. Die besonders enge Verbindung nach Asien ist Folge des großen Bedarfs: Chinesen brauchen fast alle eine Brille. Sieben Kliniken betreibt Euroeyes inzwischen in der Volksrepublik, dem bevölkerungsreichsten Land der Welt.

Der Börsengang spülte 75 Millionen Euro in die Kassen des Unternehmens. Das Geld fließt seither vornehmlich in die Expansion. Noch im schwierigen Jahr 2021 konnte Euroeyes ein Umsatzplus von gut 30 Prozent auf umgerechnet rund 70 Millionen Euro vermelden. Die Nettomarge erreichte gut 22 Prozent. Die Aktie dagegen macht Anlegern wenig Freude. „Der Kurs ist seit dem Börsengang sehr volatil“, sagt Jørgensen. War das Papier beim Börsengang mit 7,50 Hongkong-Dollar bewertet, liegt der Kurs derzeit nur noch bei rund 6,50 Hongkong-Dollar. „Der Aktienkurs spiegelt die Fundamentaldaten von Euroeyes nicht wider, da sich der Nettogewinn seitdem fast verdreifacht hat“, behauptet Jørgensen, der in Hamburg in der HafenCity und in Othmarschen wohnt.

Chinas Null-Covid-Politik bereitet Euroeyes Probleme

Negativ hat sich die Pandemie auf die Geschäfte ausgewirkt. Die Null-Covid-Politik in China mit strikten Lockdowns schon bei geringen Fallzahlen hat dem Unternehmen viele Probleme gebracht. Kunden aus anderen Provinzen hätten nicht zu den Kliniken kommen können, es sei eine unruhige Zeit, sagt Jørgensen. Zwar war das Wachstum geringer als geplant, dennoch ist Euroeyes in China in den vergangenen Jahren mit 35 Prozent gewachsen und hat zwei weitere Klinken eröffnet – in Chongqing und Chengdu, beide Städte haben mehr als 20 Millionen Einwohner.

Derzeit leidet die Klinik in Shanghai unter der Pandemie: Die Stadt befindet sich im Lockdown. Ganze OP-Tage müssen abgesagt werden. Die Folgen für die Gruppe sind nicht unerheblich: Denn die Euroeyes-Kliniken in China tragen mit etwa einem Drittel zum Umsatz bei. Dennoch sei Euroeyes durch die Präsenz in Europa und China besser aufgestellt als die chinesische Konkurrenz und damit weniger anfällig für derartige Krisen, ist Jørgensen überzeugt.

Selbst bei der Investition in London, immerhin rund 30 Millionen Euro, hat Euroeyes unter anderem in den Kauf einer Klinik investiert, welche vor allem auf Asiaten als Kunden der Zukunft abzielt. „In London wohnen immerhin 100.000 Chinesen“, sagt der Gründer. „Die erfahren über WeChat von uns“, sagt Jørgensen über die Mund-zu-Mund-Propaganda sowie die in China genutzte Alternative zu WhatsApp. „Und dann kommen sie in unsere Klinik.“

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