Corona

Wie Hamburgs Apotheken an der Pandemie verdienen

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Volker Mester
Die Ausgabe von FFP2-Masken an besonders durch Corona gefährdete Menschen brachte den Hamburger Apotheken hohe Gewinne.

Die Ausgabe von FFP2-Masken an besonders durch Corona gefährdete Menschen brachte den Hamburger Apotheken hohe Gewinne.

Foto: picture alliance

Masken, Tests und Impfnachweise spülen viel Geld in die Kassen der Pharmazeuten. Politiker üben Kritik. Berufsstand selbst wehrt sich.

Hamburg. Für das Image der Apotheker könnte es kaum unglücklicher laufen: Erst regte sich heftige Kritik an hohen Gewinnspannen bei der staatlich subventionierten Abgabe von Gratis-Masken an besonders durch Covid-19 gefährdete Menschen. Jetzt sorgt der Preis von derzeit noch 18 Euro für die Ausstellung eines digitalen Impfzertifikats – im Regelfall ein Aufwand von wenigen Minuten – für Unmut.

Und zu allem Überfluss wurde auch noch bekannt, dass Apotheken nach Berechnungen ihres eigenen Dachverbands ABDA im Corona-Jahr 2020 ihren Gewinn vor Steuern im Schnitt um 13,2 Prozent auf 168.000 Euro steigern konnten.

Kunden neidisch auf Hamburger Apotheker?

„Es kommt schon vor, dass Kunden bei uns Sprüche machen wie: Ach, Sie kriegen ja so viel Geld dafür“, sagt Lutz Schehrer, Inhaber der Nord-Apotheke in Barmbek und Vorstandsmitglied des Hamburger Apothekervereins. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer „unschönen Neiddebatte“.

Kritik an der Preisgestaltung kommt auch aus der Politik. Die digitale Freischaltung des Impfzertifikats koste mit 18 Euro fast so viel wie eine Corona-Impfung selbst (20 Euro), sagte der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. Dies ermögliche den Apotheken „ein weiteres lukratives Geschäft“, sagte er kürzlich der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Kosten dafür trügen letztlich die Bürger.

Politiker kritisiert Gesundheitsminister

Ähnlich äußert sich Deniz Çelik, gesundheitspolitischer Sprecher der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Gerade vor dem Hintergrund, dass die Reserven der Krankenkassen nahezu aufgebraucht sind und Mehrbelastungen auf die Bürger zukommen, sehe ich überhöhte Preise für die Maskenabgabe und das Impfzertifikat kritisch“, sagt Çelik dem Abendblatt. Die politische Verantwortung dafür trage jedoch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

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Auch der Bundesrechnungshof störte sich an den 2,1 Milliarden Euro, die der Bund zwischen Dezember 2020 und April 2021 den Apotheken für die Ausgabe von Schutzmasken an Risikopatienten erstattet hat. Gemessen an den dafür gezahlten Einkaufspreisen sei die Vergütung in Höhe von zunächst sechs Euro pro Maske eine „deutliche Überkompensation zu Gunsten der Apotheken“ gewesen, rügte der Rechnungshof.

Einige Hamburger Apotheker spendeten Geld

Selbst einige Apothekeninhaber in Hamburg und dem Umland sahen das offenbar so: Sie spendeten die Erträge aus der Maskenverteilung unter anderem an ein Kinderhospiz und ein Tierheim (Herz Apotheke, Schenefeld) sowie an den Hamburger Hilfskonvoi, der Flüchtlingslager in Griechenland mit Kleidung, Zelten, und Schlafsäcken versorgt (Adler-Apotheke, Hamburg-Hamm).

Schehrer empfindet es jedoch als ungerecht, wenn sein Berufsstand im Zusammenhang mit der Maskenabgabe und den Impfzertifikaten in ein schlechtes Licht gerückt wird: „Preise, die wir nicht selber festgelegt haben, werden uns jetzt um die Ohren geschlagen.“

Apotheker wehren sich gegen Kritik

In die gleiche Richtung argumentiert Kai-Peter Siemsen, Präsident der Apothekerkammer Hamburg: „Jens Spahn hat den Schwarzen Peter, den er in die Hand bekam, einfach an uns weitergegeben.“ Zudem findet Siemsen: „In Anbetracht der jeweiligen Umstände waren die Preise aber auch nicht falsch.“ Schließlich hätten die Apotheken innerhalb von nur drei Werktagen allein in Hamburg mehrere Millionen Masken beschaffen müssen. „Und im Dezember haben wir im Einkauf noch rund 4,70 Euro pro Stück gezahlt“, so Siemsen – ein Preis, der dann schnell sank. „Wir sind dadurch nicht ärmer geworden“, sagt der Kammerpräsident zur Maskenverteilung im Auftrag des Bundes, „aber andere hätten das so schnell auch nicht auf die Beine stellen können.“

Selbst nach Angaben des ABDA war der höhere Gewinn der Apotheken im Jahr 2020 auf Corona-Sonderfaktoren zurückzuführen. Dazu zählen etwa die so genannten Botendienste, um den nicht mobilen Kunden Wege zu ersparen. Diese Dienstleistung – ein „Wahnsinnsaufwand“, so Siemsen – wurde in der Pandemie erheblich häufiger in Anspruch genommen und kann seit April 2020 zum Teil mit den Krankenkassen abgerechnet werden. „Ohne Erhöhung der Notdienstpauschale, die Botendienstgebühr und die Masken-Pauschale wäre das Betriebsergebnis unverändert geblieben“, hieß es vom ABDA.

Online-Apotheken gewinnen Kunden

Lutz Schehrer legt jedoch Wert auf die Feststellung, dass nicht alle Kolleginnen und Kollegen tatsächlich mehr verdienten: „Es gab Gewinner und Verlierer.“ Apotheken in Einkaufszentren zum Beispiel hätten es zeitweise schwer gehabt. So meldeten bundesweit einige vorübergehend sogar Kurzarbeit an, vor allem im April 2020.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Etwa 100 Apotheken in Hamburg sind nach Angaben von Siemsen in das Geschäft mit Corona-Schnelltests eingestiegen – auch dies ein potenzieller Zusatzverdienst. Laut einer Umfrage der Online-Ausgabe der „Deutschen Apotheker Zeitung“ hat sich das Testen für die Mehrheit der Betriebe (53 Prozent) be-zahlt gemacht und sogar 77 Prozent der Apotheker glauben, dass dieses Angebot einen Gewinn für ihr Image gebracht hat. Laut Siemsen will angesichts sinkender Nachfrage aber etwa die Hälfte der testenden Berufskollegen in Hamburg damit bald wieder aufhören.

Auch die Tests gehören jedoch nach den Worten von Schehrer zu den Dienstleistungen, die „keine Versandapotheke leisten kann“. Online-Anbieter wie DocMorris oder die Shop-Apotheke, bei denen rezeptfreie Arzneimittel deutlich günstiger sind, konnten im Jahr 2020 ihren Marktanteil in diesem Produktsegment von 16,4 Prozent auf 20,2 Prozent weiter steigern. Solche Wettbewerber dürften dazu beitragen, dass die Zahl der Apotheken in Hamburg (zuletzt 389) jährlich um zwei bis drei Prozent sinkt.

Apotheken machen auch 2021 hohen Gewinn

„Das wird sich noch beschleunigen“, glaubt Siemsen. Zum Teil liege es am Fachkräftemangel, aber auch daran, dass die Betriebe „wirtschaftlich ausbluten“. So habe sich die Packungspauschale für verschreibungspflichtige Medikamente seit 2004 gerade einmal um 25 Cent auf nun 8,35 Euro erhöht.

Allerdings erwartet der Dachverband ABDA für die Apotheken in diesem Jahr ein Ergebnis „zwischen dem von 2019 und 2020“ – im Klartext also: Ein weiteres gutes Jahr. Abermals werde eine „Vielzahl von Corona-Sondereffekten“ eine Rolle spielen. Bereits von Minister Spahn beschlossen ist die Absenkung des Preises für das digitale Impfzertifikat von 18 Euro auf sechs Euro zum 8. Juli.

Siemsen hält auch den bisherigen Betrag nicht für überhöht: „Für die Beglaubigung mancher Dokumente verlangen amtliche Stellen 20 Euro.“ Die Ankündigung der Preissenkung nur wenige Tage nach dem Start der digitalen Impfnachweise empfindet er als „Schlag ins Gesicht“ seines Berufsstandes. Und von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände hieß es, wenn die Apotheken keine Planungssicherheit hätten, sinke die Bereitschaft, auch in Zukunft „zusätzliche problemlösende Aufgaben in der Pandemie“ zu übernehmen.

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