Berlin. Wer Geld auf seinem Konto liegen hat, bekommt immer öfter ein Anlageproblem: 310 Banken und Sparkassen in Deutschland verlangen mittlerweile von ihren Kunden Negativzinsen für Geldeinlagen auf den Giro- und Tagesgeldkonten – und damit rund 130 mehr als noch zu Jahresbeginn.
Damit nicht genug: 18 Banken verlangen nun auch Gebühren für Tagesgeldkonten, die bislang kostenlos waren. Dies hat eine aktuelle Auswertung des Vergleichsportals Verivox ergeben.
„Die Dynamik bei den Negativzinsen hat sich in diesem Jahr noch einmal deutlich verschärft“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich. Fast täglich führten weitere der mehr als 1300 untersuchten Geldinstitute Negativzinsen ein. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Welche Banken und Sparkassen verlangen Strafzinsen?
Strafzinsen für Geldanlagen auf Tagesgeld- und Girokonten werden nicht nur von den großen deutschen Geldhäusern – wie der Deutschen Bank oder Commerzbank – verlangt, sondern auch von zahlreichen Sparkassen und Raiffeisenbanken. Damit sind nicht nur wohlhabende Bürger betroffen, sondern auch Menschen mit durchschnittlichen Einkommen und Sparvermögen.
Wie hoch sind die Strafzinsen bei Banken und Sparkassen?
Die meisten Institute verlangen 0,5 Prozent Zinsen für Geldeinlagen, die einen bestimmten Betrag überschreiten. Wurden früher nur hohe Summen mit Strafzinsen belegt, verlangen jetzt schon 95 Banken Strafzinsen ab 50.000 Euro oder weniger, berichtet Verivox.
Die festgelegte Summe bleibt in der Regel zinsfrei, die Strafzinsen werden erst auf den darüberliegenden Betrag erhoben. Beispiele: Ebase (European Bank for Financial Services) verlangt Strafzinsen schon ab 1000 Euro Geldeinlage. Bei der Erfurter Bank beginnen die Strafzinsen ab 20.000 Euro, bei der Sparkasse 1822direkt ab 50.000 Euro und bei der Hamburger Volksbank ab 100.000 Euro.
Welche Strafzinsen verlangen große Banken?
Die großen Geldinstitute verlangen ab folgenden Beträgen aktuell einen Negativzins von 0,5 Prozent:
Deutsche Bank: ab 100.000 Euro
Commerzbank: ab 100.000 Euro
Comdirect: ab 100.000 Euro
DKB: ab 100.000 Euro
GLS Bank: ab 250.000 Euro
ING: ab 100.000 Euro
N26: ab 50.000 Euro
Norisbank: ab 100.000 Euro
Postbank: ab 100.000 Euro
Welche Geldinstitute verlangt Gebühren für Tagesgeldkonten?
Bei Tagesgeldkonten sind monatliche Gebühren eigentlich unüblich. Dennoch sind bei 18 Banken mittlerweile Tagesgeldkonten gebührenpflichtig, vier davon berechnen zusätzlich Negativzinsen. Der Preis liegt oft zwischen einem und 5 Euro im Monat.
Gebühren verlangen unter anderem die Comdirect (1,90 Euro) und die GLS Bank (5 Euro). Verbraucherschützer bezweifeln jedoch die Rechtmäßigkeit.
Wer legt die Höhe der Strafzinsen fest?
Jedes Geldinstitut kann die Höhe seiner Strafzinsen selbst festlegen. Die meisten Institute begründen Strafzinsen mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Im Zuge ihrer anhaltenden Niedrigzinsphase verlangt die EZB bereits seit Juni 2014 von allen Geldinstituten 0,5 Prozent Zinsen für Geld, das diese bei der Zentralbank parken.
Die Corona-Krise hat die Lage noch verschärft: „In der Pandemie legen viele Verbraucher ihr Geld lieber aufs Konto, statt es auszugeben. Für Banken ist das ein Problem, denn sie zahlen selbst Strafzinsen auf überschüssige Einlagen“, erläutert Verivox-Chef Maier: „Je mehr Spargelder sie annehmen müssen, desto größer wird der Druck auf die Kreditinstitute, diese Kosten an ihre Kunden weiterzugeben.“
Was kostet dies die Kunden von Banken und Sparkassen?
Jeder Verbraucher muss überprüfen, ob er von den Strafzinsen betroffen ist. Beispiel: Ein Kunde hat 150.000 Euro auf seinem dem Konto liegen, 50.000 Euro sind frei von Strafzinsen. Künftig muss er bei seiner Bank jedoch für die übrigen 100.000 Euro 0,5 Prozent Zinsen im Jahr bezahlen – das sind 500 Euro pro Jahr.
Was können Verbraucher gegen Strafzinsen tun?
Einen pauschalen Tipp für alle gibt es nicht. Dennoch sind Verbraucher Strafzinsen nicht hilflos ausgeliefert. Die neuen Strafzinsen gelten zunächst nur für Neukunden von Geldinstituten. Altkunden erhalten eine Schonfrist. Wenn eine Bank ihren Bestandskunden Negativzinsen berechnen will, müssen diese mit den Betroffenen individuell vereinbart werden, sagen Verbraucherschützer.
Viele Kunden erhalten deshalb in diesen Wochen einen Vertrag ihrer Bank mit Zusatzvereinbarungen für das neue Verwahrentgelt. Es wird ein individueller Freibetrag vorgeschlagen, der unterschiedlich hoch sein kann. Diese neuen Verträge sollten die Betroffenen aber nicht ohne weiteres annehmen, sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Sachsen. Die Verbraucherschützerin rät, mit dem Institut über die Höhe des Schwellenwertes zu verhandeln. „Möglicherweise ist hier noch Spielraum nach oben.“
Solange die neuen Bedingungen nicht unterschrieben sind, gelten die alten weiter. Wer die Zustimmung zu den neuen Konditionen verweigert, muss jedoch damit rechnen, dass die Bank die Kontoverbindung kündigt. Verbraucher können dagegen klagen, sollten sich dafür jedoch einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht nehmen, was teuer werden könnte und nicht ohne Rechtsschutzversicherung zu empfehlen ist. Noch ist die Rechtmäßigkeit von Negativzinsen auf Spareinlagen juristisch nicht geklärt, sagt Heyer.
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Ist ein Wechsel zu einem anderen Geldinstitut sinnvoll?
Man kann einen kompletten Bankwechsel vollziehen. Allerdings sollten vorher alle Konditionen des neuen Instituts geprüft werden, ob dies auch den eigenen Ansprüchen entsprechen. Wer Konditionen vergleicht, findet laut Verivox immer noch Angebote ohne Negativzinsen.
„Top-Banken mit Sitz im europäischen Ausland zahlen Anlegern bis zu 0,4 Prozent Guthabenzinsen aufs Tagesgeld. Bei Anbietern mit deutscher Einlagensicherung gibt es in der Spitze 0,21 Prozent“, sagt Verivox-Chef Maier. Wichtig ist, dass die Bank dem Einlagensicherungsfonds angehören, über die Guthaben bis 100.000 Euro bei möglichen Insolvenzen geschützt sind.
Sind mehrere Konten bei verschiedenen Banken sinnvoll?
Die Verbraucher können auch mehrere Konten eröffnen und ihr Geld dann auf diese verteilen – und zwar bis zum jeweiligen Freibetrag auf den Tagesgeld - und Girokonten. Dabei sollten möglichst nicht mehr als 100.000 Euro je Geldinstitut geparkt werden, damit das Geld im Falle einer Insolvenz der Bank über den Einlagensicherungsfonds abgesichert sind. Allerdings wird es immer schwieriger, kostenlose Girokonten bei Banken und Sparkassen zu finden.
Sollte man sein Geld in Aktien oder Fonds stecken?
Geldanlagen in Aktien und Fonds können als Geldanlage sinnvoll sein. Allerdings sind auch sie immer risikobehaftet. Der aktuelle Aufwärtstrend der Börsen ist keine Einbahnstraße. Mit Rückschlägen muss immer wieder gerechnet werden.
Warum kritisieren Verbraucherschützer Negativzinsen?
Verbraucherschützer kritisieren vor allem, dass die Kunden bei den Zinsforderungen die Verlierer sind. Verbraucher sollen einerseits für ihre eigenen Geldeinlagen auf Konten Geld bezahlen. Gleichzeitig müssen sie beim Überziehen ihrer Girokonten hohe Überziehungszinsen bezahlen. In dem Sektor der Überziehungszinsen sei die EZB-Niedrigzinspolitik noch nicht angekommen.
Was machen die Verbraucherzentralen für die Kunden?
Die Verbraucherzentrale Sachsen hat eine erste Klage gegen Negativzinsen und Verwahrentgelte auf Girokonten bereits 2017 gegen die Volksbank Reutlingen eingereicht und gewonnen. „2020 haben wir dann Klage gegen die Sparkasse Vogtland eingereicht, weil diese Anfang 2020 ebenfalls auf Girokonten ein Verwahrentgelt einführen wollte“, sagt die Finanzexpertin Heyer. Das Verfahren (Aktenzeichen: 05 0 640/20) laufe noch. Ein Urteil wird im Juni erwartet.
Sollte man sein Geld unters Kopfkissen legen?
Sein Bargeld abzuheben und in der Wohnung zu verstecken, halten Verbraucherschützer für eine schlechte Idee und nicht sinnvoll. Bei Einbruch, Feuer oder einem Wasserschaden sei das Geld schnell weg. Selbst wer einen Safe zu Hause habe, müsste darin deponiertes Geld extra versichern – eine teure Alternative. Auch in einem Bankschließfach müsste Bargeld extra versichert werden. Für größere Summen bedürfe es zudem großer Fächer, die weitere Kosten verursachten.
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