Berlin. Die Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland hat den höchsten Stand seit Jahren erreicht. Eine Trendwende ist aktuell nicht in Sicht.

Die Bundesregierung hat sich bereits darauf eingestellt: Wegen der anhaltenden Corona-Krise hat sie jüngst in ihrem Jahreswirtschaftsbericht die Konjunkturerwartungen deutlich heruntergeschraubt. Mit einem abgeschwächten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,0 Prozent wird nun für das laufende Jahr gerechnet.

In der Herbstprognose war die Regierung noch von einem Plus um 4,4 Prozent ausgegangen. Je länger die Pandemie andauert, desto klarer wird, dass sie wirtschaftlich tiefe Spuren hinterlassen wird. Das gilt in zunehmendem Maße auch für den Arbeitsmarkt. Denn wer aktuell einen Job sucht, hat deutlich schlechtere Chancen als vor Corona. Das belegen neue Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA), die unserer Redaktion vorliegen und die die Linksfraktion im Bundestag ausgewertet hat.

Zahl der Langzeitarbeitlosen erreicht höchsten Stand seit vier Jahren

Besonders betroffen sind all diejenigen, die sich schon seit geraumer Zeit nach einer neuen Arbeitsstelle umtun. So ist in den zurückliegenden Pandemie-Monaten vor allem die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland erheblich angestiegen und hat im vergangenen Dezember sogar den höchsten Stand seit vier Jahren erreicht.

Demzufolge waren Ende 2020 fast 929.000 Menschen ein Jahr oder länger ohne Arbeitsstelle. Diese Dauer gilt als das Kriterium für Langzeitarbeitslosigkeit. Verglichen mit Ende 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland, hat damit die Zahl der Langzeitarbeitslosen innerhalb von einem Jahr um fast 232.000 zugelegt. Das ist ein Anstieg um etwa ein Drittel. Den letzten Höchststand hatte es im Dezember 2016 mit fast 936.000 Langzeitarbeitslosen gegeben, rund 7000 mehr als zuletzt.

Jeder dritte Arbeitslose ist mindestens ein Jahr ohne Job

Auch ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Arbeitslosen ist gewachsen: Mit 34,3 Prozent war etwa jeder dritte Arbeitslose ein Jahr und länger ohne Job. Im vergangenen Mai, in der ersten Hochphase der Pandemie, waren es dagegen noch 27,7 Prozent. Regional gesehen gab es den höchsten Anteil von Langzeitarbeitslosen mit 43,6 Prozent in Bremen, den niedrigsten mit 22,6 Prozent in Bayern.

Gleichzeitig ist die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit in Deutschland gestiegen. Sie betrug 57,3 Wochen im vergangenen Mai, im Dezember waren es dann 65,2 Wochen. Bei den langzeitarbeitslosen Menschen in Hartz IV war es im selben Zeitraum sogar eine Zunahme von 83 auf 93,6 Wochen.

Es zeigt sich: Wer kürzlich seine Job verloren hat, hat es in der Pandemie deutlich schwerer, einen neuen zu finden. Und wer ohnehin schon längere Zeit arbeitslos ist, hat nun noch schlechtere Chancen, ins Berufsleben zurückzukehren.

Arbeitsagentur-Chef sieht tiefgreifende Veränderung des Arbeitsmarktes

Die Gründe für diese Entwicklung? Laut BA-Chef Detlef Scheele steht dahinter eine dauerhafte und vermutlich tiefgreifende Veränderung des Arbeitsmarkts in der Corona-Krise. „Wir haben es diesmal nicht nur mit einem Konjunkturtief zu tun, das vorüberzieht – die Pandemie beschleunigt die Transformation“, sagte Scheele der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Mit dem technologischen Wandel nehme nun insbesondere das Angebot an einfacheren Tätigkeiten ab. „Das betrifft insbesondere Helfertätigkeiten, vor allem in der Industrie“, erläuterte er. In den Jahren vor der Pandemie habe es geradezu einen „Boom an Arbeitsplätzen für Un- und Angelernte gegeben“,erläuterte der BA-Chef. „Das hat vielen Arbeitssuchenden den Einstieg erleichtert, zum Beispiel auch Geflüchteten.“

Diese arbeitsmarktpolitisch bislang günstigen Bedingungen drohten sich nun aber „schnell und dauerhaft“ zu ändern, warnte er. „Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt mit gezielter Weiterbildung schnell neue Perspektiven eröffnen können“, betonte Scheele und sprach sich für einen breiten Einsatz entsprechender Förderinstrumente in den Arbeitsagenturen aus.

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Linke fordert Ausbau von öffentlicher Beschäftigung

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Sabine Zimmermann, sagte unserer Redaktion, die Arbeitslosigkeit verfestige sich von Monat zu Monat, die Perspektiven am Arbeitsmarkt würden immer düsterer. „Noch schlimmer ist aber, dass die Bundesregierung auf die beispiellose Krise am Arbeitsmarkt überzeugende Antworten schuldig bleibt“, kritisierte Zimmermann.

Sie verlangte, nach der Pandemie müsse die Politik dringend mehr für Langzeitarbeitslose tun, etwa durch einen Ausbau öffentlicher Beschäftigung mit guter Bezahlung sowie einem allgemeinen Rechtsanspruch auf Weiterbildung. Arbeitgeber müssten zudem stärker auch Langzeitarbeitslosen, Älteren und Menschen mit Behinderungen die Chance auf einen neuen Job geben.