Berlin. Trotz Corona-Pandemie sind die Preise für Wohneigentum nicht gesunken - ganz im Gegenteil. Ein Ende der Entwicklung ist nicht in Sicht.

Wer gehofft hat, dass sich im Zuge der Corona-Krise der Immobilienmarkt abkühlen könnte, ist enttäuscht worden. Das Gegenteil ist der Fall. Die Pandemie hat die Preise für noch einmal kräftig steigen lassen. Fast acht Prozent mehr als vor einem Jahr musste man laut Statistischem Bundesamt im dritten Quartal für ein eigenes Haus oder eine Wohnung bezahlen.

Und auch Bauland ist so teuer wie nie, in Berlin etwa kostet der Quadratmeter im Schnitt 1330 Euro, in Hamburg 1158 Euro. Das Gefälle ist groß: Der Gutachterausschuss wies bereits im Vorjahr darauf hin, dass man für den Preis eines Quadratmeters im Raum München in Thüringen ein ganzes Dorf erwerben könne.

Bernd Hertweck, Vorstand des Verbandes der Privaten Bausparkassen und der Wüstenrot Bausparkasse AG ist davon nicht überrascht. „Der fundamentale Grund für die Preisentwicklung der vergangenen Jahre ist ein fehlendes Angebot an Wohnraum – insbesondere in den Ballungsräumen.“

Homeoffice fördert Bedürfnis nach größerem Wohnraum

Zwar sei durch Corona bei einigen Kauf-Interessenten aufgrund von Kurzarbeit und unsicherer Jobperspektive die Zurückhaltung gestiegen. Diese Zurückhaltung habe aber die Gruppe derer, die sich im Homeoffice zu beengt fühlten und nun nach einem neuen Eigenheim Ausschau gehalten haben, mehr als ausgeglichen. Lesen Sie auch: Mietwucher und Leerstand: So ungleich wohnt Deutschland

Wer eine Immobilie erwerben möchte, muss dafür zwar immer mehr Geld auf den Tisch legen. Dafür sind die Bauzinsen günstig wie nie – weniger als ein Prozent sind fast schon Standard geworden und selbst Bauzinsen von 0,5 Prozent sind keine Seltenheit mehr. Gleichzeitig steigt das Volumen der aufgenommenen Kredite seit Jahren: Rund 1,5 Billionen Euro haben Banken hierzulande an Krediten für den Wohnungsbau vergeben. Droht eine Immobilienblase?

„Den Ursprung einer Blase beschreibt eine kreditfinanzierte Übertreibung ohne echte Nachfrage. Wir haben aber eine große Nachfrage bei einem moderaten Kreditwachstum. Auch die Eigenkapitalquote derer, die eine Immobilie finanzieren, ist stabil geblieben. Insofern rechne ich nicht mit einer großen Immobilienblase“, sagt Hertweck unserer Redaktion.

In Ballungszentren gibt es zu wenig Wohnraum

Auch Reiner Braun, Vorstandsvorsitzender des auf Immobilien spezialisierten Forschungsinstitut Empirica, sieht derzeit keine „akute Blase“, kann aber durchaus ein „Blasenrisiko“ erkennen. Einmal im Quartal erstellt sein Institut den sogenannten Blasenindex. Wenn die Kaufpreise schneller als die Mieten oder Einkommen steigen, immer mehr Kredite aufgenommen werden oder aber mehr Wohnungen gebaut als gebraucht werden, steige das Blasenrisiko, erläutert Braun. Auch interessant: Ladensterben: Fördergelder in Millionenhöhe fließen nicht ab

Tatsächlich sei der Indexwert im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen. Auf einer Skala von Minus 100 Prozent für keine Blasengefahr bis plus 100 Prozent für eine hohe Blasengefahr ist der Index demnach aus dem Jahr 2010 von einem Wert von minus 40 Prozent auf nun fast plus 40 Prozent angestiegen. „Wenn aus der Kurzarbeit Arbeitslosigkeit wird, dann kann es durchaus regional zu Preisrücksetzern kommen – gerade in Gebieten, die von der Pandemie besonders betroffen sind, wo beispielsweise der Tourismus eine prägende Rolle spielt“, sagte Braun unserer Redaktion.

Nicht zu erwarten, dass Insolvenzwelle Situation ändert

Auch Hertweck schließt nicht aus, dass es in einzelnen Lagen zu Preisrücksetzern kommen kann. Dies allerdings würde wohl eher Gewerbeimmobilien betreffen, insbesondere Bürogebäude. „Bei Wohnimmobilien sehe ich nur ein sehr geringes Rücksetzungspotenzial“, sagt der Bausparkassen-Chef. Da es zu wenig Wohnraum in den Ballungszentren gebe, sei der natürliche Wechsel ausgesetzt. Ältere Menschen blieben oft in zu großen Wohnungen, weil kleinere Wohnungen schlicht nicht bezahlbar seien.

Die Niedrigzinsphase habe zudem „einen Turbo“ gezündet, Kapitalanleger würden auf die zwei bis drei Prozent Rendite hoffen und die Preise weiter nach oben treiben. Dass eine Insolvenzwelle die Situation grundlegend ändert, glaubt Hertweck nicht. „Vielleicht sinkt der Nachfrageüberhang von derzeit eine Million auf dann 800.000 Bauinteressanten – aber er bleibt immer noch viel zu hoch“, meint der 53-Jährige. Lesen Sie auch: Wie Immobilieneigentümer nach der Krise profitieren könnten

26,2 Millionen Bausparverträge in Deutschland

Empirica-Chef Braun rechnet sogar mit weiter steigenden Preisen. In diesem Jahr sei die Nachfrage von Studenten und ausländischen Fachkräften in den Großstädten geringer ausgefallen. „Wenn wir die Pandemie besiegt haben, wird auch die Nachfrage wieder schneller steigen – und damit werden die Preise in den Metropolen und Speckgürteln weiter anziehen“, sagt Braun. „Insbesondere dann, wenn Deutschland wirtschaftlich besser durch die Krise kommt, als andere europäische Länder und sich viele ausländische Fachkräfte hier nach Arbeit umsehen werden.“

Die Hoffnung auf fallende Kaufpreise dürfte sich so schnell nicht erfüllen. Das Interesse am Bauen bleibt in der Bevölkerung hoch. So besitzt fast jeder zweite Haushalt mindestens einen Bausparvertrag, berichtet Hertweck. Insgesamt gibt es 26,2 Millionen Bausparverträge in Deutschland. Die durchschnittliche Bausparsumme liegt bei rund 55.000 Euro je Vertrag. Auch bei Jüngeren ist Bausparen beliebt, jeder vierte Kunde der Versicherer ist unter 30 Jahren alt. Dies ist oft ein erster Schritt zur eigenen Immobilie. Denn beim Bausparen sichert man sich den aktuellen Bauzins für ein späteres Darlehen. Auch interessant: Vermietern droht bei Mietsenkung ein Steuernachteil

Bausparkassen-Chef Hertweck geht davon aus, dass die Zinsen wieder steigen werden: „Die Frage nach dem Risiko wird zunehmen, wenn die Ankaufprogramme der Europäischen Zentralbank enden. Und die Inflation wird dann vermutlich steigen. Einen Zins von zwei, drei, vier Prozent halte ich daher nicht für ausgeschlossen.“