Hamburg. Meike Gerstenberg schiebt eine 1,60 Meter hohe schwarze Box mit orangefarbenen Fenstern über einen Sandplatz. Dann hebt sie darin den klappbaren Teil des Tisches hoch und hakt ihn an der Seitenwand ein. Schnell noch einen Kaffee holen, den Becher auf den festen Teil des Tisches abstellen, auf die Bank setzen und den Klapptisch runtermachen – fertig. Die 41-Jährige nimmt in der von ihr gemeinsam mit Mareike Göldner kreierten Hedda Hummel Box Platz.
Im Frühjahr hatten die beiden Hamburgerinnen die Idee für ihre Erfindung, die als mobile Sitzgelegenheit den Gastronomiebesuch im Freien ermöglichen soll. Nach dem ersten Lockdown öffneten die Cafés, Kneipen und Restaurants wieder und mussten sich an die Corona-Bedingungen halten. „Jeder hat nach Behelfsmitteln gesucht, seien es Plexiglasscheiben oder Dachlatten umhüllt mit Frischhaltefolie gewesen – da sind wir drüber gestolpert“, sagt Göldner. Beide kennen sich seit sechs Jahren, arbeiteten im Festivalbereich zusammen und machten sich an die Entwicklung ihrer eigenen Lösung. Sie sollte Corona-Ansprüchen genügen, attraktiv sein und für den Gast ein Wohlfühlklima schaffen.
Unter der Sitzbank ist Platz für Taschen – oder Hunde
Herausgekommen ist die Hedda Hummel Box. Hedda bedeutet Kämpferin, Hummeln seien ebenso kämpferisch veranlagt, finden Gerstenberg und Göldner – daher passt der Name zu der schwierigen Lage in der Corona-Krise. Jede Hedda Hummel Box besteht aus zwei Elementen, die zusammengeschoben werden können. In jedem Element bietet die knapp 1,20 Meter breite und 45 Zentimeter tiefe Bank zwei Personen Platz zum Sitzen. „Darunter kann man seine Handtasche, den Rucksack oder die Einkäufe abstellen“, sagt Göldner. Auch Hunde hätten es sich dort schon gemütlich gemacht. Die für den Transport benötigten Rollen lassen sich feststellen, damit die Box sicher steht. Ein Mini-Klappdach schützt vor Regen und Sonne.
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Als Material wurde eine Siebdruckplatte verwendet, also beschichtetes Holz, das gut zu reinigen sei – in der Corona-Krise eine wichtige Eigenschaft. „Kurz vor dem zweiten Lockdown hatten wir den Prototypen“, sagt Gerstenberg. Er wurde von einer Hamburger Firma hergestellt und zusätzlich mit Bootslack vor der Witterung geschützt. In die beiden Seitenwände sind große Acrylglasscheiben eingesetzt. Dadurch gibt es im Inneren Lichteffekte. „Jeder, der die Box sieht, denkt an einen Strandkorb“, sagt Göldner: „Aber ein Strandkorb hat im Normalfall keine Fenster.“
Die Doppelbox kostet 2900 Euro
Der Prototyp besteht aus schwarzem Holz mit orangefarbenen Scheiben. Grundsätzlich seien aber für beide Materialien eine Menge Farbmöglichkeiten möglich – je nach Kundenwunsch. Den Preis für die Doppelbox mit vier Sitzplätzen taxieren die beiden Designerinnen bei 2900 Euro, mit höherer Stückzahl könne es günstiger werden. Eine Kette und ein Schloss zum Schutz vor Diebstahl gehören zur Grundausstattung.
Gegen Aufpreis soll Zusatzausstattung angeboten werden. Der Einbau von Licht sei in verschiedenen Varianten wie einfaches Akku-Standlicht, Spots oder LED-Streifen möglich. Gegen die Kälte helfen Sitzkissen und Decken – und vielleicht bald auch ein technisches Produkt. „Wir sind im Gespräch mit einem Start-up für ökologische Wärmeentwicklungsmöglichkeiten, um eventuell eine solargetriebene Infrarotwärmelampe zu integrieren“, sagt Göldner. Ein Branding mit dem Namenszug von Unternehmen oder Restaurants kann auf die Flächen aufgetragen werden.
Die Resonanz der Gastronomen soll groß sein
Kurz vor dem Lockdown light in diesem Herbst gingen die beiden Soloselbstständigen, die überlegen, eine Hedda Hummel GmbH zu gründen, mit ihrer Box auf eine Roadshow und stellten sie Bekannten vor. Vor Kneipen in Ottensen, in der Schanze und im Karoviertel präsentierten sie die rollbare Holzbox. „Die Resonanz der Gastronomen war durchweg positiv“, sagt Göldner, die sich in erster Linie um Produktionsmanagement und Finanzen kümmert.
Allerdings hat das Duo auch festgestellt, dass es vielen Gastronomen an Platz für die Lagerung der Box fehle. Deshalb entwickelte es eine zweite Variante, die zerlegbar ist. Dabei wird der Unterboden mit Rollen als Transporteinheit genutzt, um die anderen Teile darauf zu legen und rollen zu können. Die Steckvariante ist mit 4250 Euro allerdings teurer, weil sie eine andere Statik und Konstruktion habe. Ihr Aufbau soll unkompliziert sein. Das Ziel von Göldner: „Die Box mit vier Sitzgelegenheiten müsste in zehn bis 15 Minuten von einer Person allein aufzubauen sein.“
Verschiedene Finanzierungsmodelle sollen angeboten werden
Grundsätzlich sei der Bedarf in der Gastronomie groß, aber auch für Großveranstaltungen sehen die beiden Unternehmerinnen einen Absatzmarkt. Das Praktische: Jedes Element hat die Größe einer Euro-Palette, kann also auf so einer Holzplattform transportiert werden.
Natürlich möchten sie möglichst beide Varianten verkaufen. Angesichts der durch die Corona-Pandemie hart getroffenen Branchen arbeiten sie aber auch an alternativen Finanzierungskonzepten. Überlegt werden Vermietungs- oder Sharingmodelle für mehrere Betriebe, die sich dann je nach Ausrichtung – zum Beispiel Café morgens, Kneipe abends – eine Box teilen. Es gebe Interessenten, die derzeit aber im Lockdown sind.
Und in diesem dürfen Restaurants zwar ihr Essen verkaufen, allerdings darf es nicht vor Ort oder im näheren Umfeld verzehrt werden. Das Geschäftsduo hofft, dass sich das bald ändert. „Die Akquise wollen wir im Januar starten“, sagt Göldner. Die Vorweihnachtszeit werde ja ohnehin eher privat als beruflich genutzt – für Gastronomen trifft das in diesem Jahr wohl so stark zu wie nie.
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