Hamburg. Fußball spielen, Freunde treffen oder Familienfeste: Viele Dinge, die in normalen Zeiten zur Freizeit gehören, fallen wegen Corona aus. Dafür sind die Menschen wieder mehr zu Hause – und haben viel Zeit – auch für Computerspiele. Beliebt sind nach wie vor Klassiker wie Candy Crush oder Angry Birds. Immer mehr Menschen, die im Homeoffice zu wenig Bewegung bekommen, treiben aber auch Sport mit digitaler Unterstützung, wie etwa Zumba oder Yoga.
Die Firmen der überwiegend international renommierten Spielebranche in Hamburg profitieren von dem Trend. Immerhin sind es mehr als 200 Unternehmen, die in der Stadt Spiele unter anderem für Smartphones oder Konsolen entwickeln. Große Marktteilnehmer wie Innogames oder Goodgames gehören dazu und bedienen weltweit eine Klientel von Hunderten von Millionen Spielern. Aber auch kleinere Firmen sind an Alster und Elbe durchaus erfolgreich.
Verstärkter Trend zum Spielen
Hendrik Klindworth, Chef von Innogames, bestätigt den durch Corona verstärkten Trend zum Spielen. „Seit unserer Gründung im Jahr 2003 verzeichnen wir ein sehr nachhaltiges Wachstum“, sagt er. „In diesem Jahr sind die Zuwächse aber besonders hoch. Bei unseren Klassikern ,Die Stämme‘ und ,Grepolis‘ haben wir vor allem während der Lockdown-Phasen erhöhte Aktivität wahrgenommen, bei ,Forge of Empires‘ und ,Elvenar‘ konnten wir über das ganze Jahr die Spielerzahl steigern.“
Auf vor allem international steigende Erlöse verweist Carsten Fichtelmann, Gründer von Daedalic Entertainment. Die Umsätze hätten sich in diesem Jahr sehr gut entwickelt. „Wir verkaufen unsere Spiele weltweit. Die USA und China sind unsere größten Märkte, gefolgt von Deutschland, Japan, Großbritannien und Frankreich. Der am stärksten wachsende Markt ist seit vielen Jahren China, das war auch in diesem Jahr so“, beschreibt Fichtelmann die Lage.
Konsumbereitschaft der Kunden steigt
Auch bei Deep Silver Fishlabs laufen die Geschäfte gut: „Obwohl es Abweichungen im Erfolg einzelner Genres und Titel gibt, stellen wir insgesamt eine deutlich erhöhte Nachfrage an Spielen fest“, sagt Rod Oliveira, Marketingmanager des Spieleentwicklers. „Unsere gesamte Branche verzeichnet einen deutlichen Auftrieb. Das ist kaum überraschend, da die Menschen nach neuen Ablenkungen suchen, um ihre Zeit zu füllen“. Dabei könnten die Spiele auch gegen die Einsamkeit helfen: „Sie bieten eine Gelegenheit, andere Menschen in einem virtuellen Umfeld zu treffen und mit ihnen Zeit zu verbringen, während aktuell von uns gefordert wird, persönliche, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren“, ergänzt Oliveira.
Die Deutschen wollen mit innovativen Spielen auch immer wieder neue Anreize für den Spielespaß bekommen. So entwickeln gleich zwei Hamburger Unternehmen Neuheiten für die momentan sehr stark nachgefragten Konsolen Playstation 5 und XBOX Series X: Daedalic Entertainment mit Sitz an der Papenreye kreiert das Fantasy-Abenteuer „Der Herr der Ringe: Gollum“, Deep Silver Fishlabs arbeitet an „Chorus“ für diese Plattformen. Neue Produkte auf den Markt zu bringen, lohnt sich insbesondere in Zeiten, in denen die Konsumbereitschaft der Kunden steigt.
Starker Anstieg bei Bewegungspielen
Und Corona führt dazu, dass die Menschen mehr Geld für ihre virtuelle Freizeit ausgeben. Lagen die durchschnittlichen Ausgaben pro Monat vor Corona bei 15 Euro, haben sie nun 24 Euro erreicht. Ein Plus von 60 Prozent. Bei den Jüngeren im Alter unter 30 Jahren fällt der Anstieg der Ausgaben besonders groß aus: Die investierte Summe stieg von 22 Euro pro Monat auf 34 Euro. Die 30- bis 49-Jährigen geben aktuell 19 Euro pro Monat für Computerspiele aus, vor Ausbruch der Pandemie waren es noch elf Euro. Bei den 50- bis 64-Jährigen sind die Ausgaben von 12 Euro vor Corona auf inzwischen 17 Euro angestiegen. Bei der Generation 65 plus hat sich das monatliche Spiele-Budget von sechs auf zehn Euro erhöht.
Und schließlich hat die Pandemie noch einen weiteren Effekt auf die Branche. So verzeichneten Fitness- und Bewegungsspiele wie Zumba, Wii Fit oder Ring Fit Adventure den stärksten Anstieg unter den verschiedenen Spielen: Jeder zweite Nutzer (52 Prozent) hält sich damit aktuell fit, im vergangenen Jahr waren es mit 39 Prozent noch 13 Prozentpunkte weniger.
Onlinespiele sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Hamburg
Onlinespiele sind längst ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Hamburg. Gut 3000 Menschen in der Stadt arbeiten bei Spielefirmen. Und der Senat fördert Projekte, die noch am Anfang der Entwicklung stehen, aber mittelfristig neue Arbeitsplätze versprechen. Insgesamt stellt Hamburg 400.000 Euro im Jahr für die Entwicklung von Spielen bereit. Denn die Entwicklerteams benötigen gerade am Anfang viel Geld.
Corona beflügelt aber nicht nur die Spiellaune, sondern erschwert auch so manche Abläufe in den Firmen. „Vergleichsweise gut gemeistert haben die Hamburger Spieleunternehmen die Umstellung auf das Homeoffice“, sagt Dennis Schoubye von Gamecity Hamburg. Gründe dafür seien die gute technische Infrastruktur, zum anderen aber auch die Versiertheit der Mitarbeiter beim Umgang mit digitaler Technik.
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Problematisch ist aber die Tatsache, dass wegen Corona kaum oder nur in kleinerer Form wichtige Branchen-Veranstaltungen stattfinden, auf denen insbesondere Start-ups sonst wichtige Kontakte geknüpft haben. „Das Virus zwingt die Unternehmen dazu, ihre Produkte in anderer Form zu bewerben“, ergänzt Dennis Schoubye. „Events wie die Gamescom und internationale Consumer-Messen fallen aus, sodass die Anbieter es schwerer haben, mit ihren Computerspielen ihre Zielgruppe zu erreichen“.
Grundsätzlich bewerten die Spielefirmen die deutsche Strategie in der Pandemie aber als positiv – und sehen sie sogar als besondere Chance gegenüber der weltweiten Konkurrenz im Kampf um die raren Fachkräfte. „Wir sehen im angemessen Umgang Deutschlands mit der Corona-Pandemie einen Wettbewerbsvorteil in unserer internationale Suche nach neuen Mitarbeitern“, sagt Rod Oliveira von Deep Silver Fishlabs. Denn im Vergleich zu anderen Branchen suchen Spielefirmen händeringend Arbeitnehmer. Allein bei Deep Silver Fishlabs sind etliche Stellen ausgeschrieben, etwa für Programmierer und Designer. Auch Daedalic Entertainment stellt ein: Nur für das Spiel „Der Herr der Ringe: Gollum“ wächst das Team um zehn Stellen.
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