Tourismus

Rikschafahrer in Hamburg für Stadtrundfahrten gesucht

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Melanie Wassink
Dr. Bernd Wrede fährt in Hamburg Rikscha und ist eigentlich Lehrer von Beruf

Dr. Bernd Wrede fährt in Hamburg Rikscha und ist eigentlich Lehrer von Beruf

Foto: Michael Rauhe / Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Bernd Wrede fährt Gäste durch die Hansestadt. Er sieht seine Branche als Teil der Mobilitätswende.

Hamburg. Für Bernd Wrede ist das Rikschafahren wie „Sport, für den man auch noch Geld bekommt“, sagt der 57-Jährige lachend. Aber die Touren, die er mit Besuchern unternimmt, sind noch viel mehr, sie hinterlassen offenbar unvergessliche Erlebnisse bei den Kunden. Ihre Kommentare auf Wredes Internetseite belegen das. „Danke noch einmal für Deine Tour mit uns. Du hast unseren Urlaub gerettet. Mit dem Hamburger ,Schietwetter‘ hatten wir nicht gerechnet“, schreiben Karola und Paul aus Stuttgart. „Aber in der Rikscha bekamen wir davon kaum etwas mit. Hamburg ist wirklich eine Reise wert. Und besonders hat uns gefallen, wie Du Geschichte lebendig werden lässt“.

Wrede ist Lehrer, er hat Deutsch, Geschichte und Philosophie studiert und auf Russisch promoviert. Dass er Rikscha fährt, in anderen Ländern eher ein Job für Leute, die nie eine Schule besucht haben, verdankt er seiner Gattin.

Sportlicher Ausgleich zur Arbeit

„Es war meine Frau, die mich darauf brachte, mir sowohl einen sportlichen Ausgleich zu meinem Arbeitsalltag zu suchen als auch meine Fremdsprachenkenntnisse dadurch zu verbessern, dass ich Stadtführungen mit der Rikscha anbiete“, sagt Wrede. Er ist einer der Fahrer, die mit zusammen 20 bis 25 Rikschas in Hamburg unterwegs sind, als Anbieter von Stadtrundfahrten, Taxitouren oder als Hochzeitskutscher. Nachdem Wrede seit 2012 Touren in geliehenen Rikschas angeboten hatte, kaufte er sich jetzt selber so ein Fahrzeug. 10.000 Euro investierte er in das Gefährt eines süddeutschen Herstellers. Mit Elektroantrieb für 90 Kilometer Reichweite, sodass seine Muskelkraft beim Treten wie bei einem E-Bike unterstützt wird.

Sie fahren emissionsfrei und leise

Die Anschaffung ist auch eine Investition in die Zukunft. Denn Wrede ist davon überzeugt, dass es große Potenziale gibt für die Gefährte, deren Vorbilder zunächst in Japan dafür genutzt wurden, Europäer zu befördern, weil sie die engen japanischen Sänften nicht benutzen konnten. Schließlich fahren die Mobile emissionsfrei und leise. Sie benötigen wenig Platz und können die Gäste auch an Orte bringen, wo sonst nur Radler fahren dürfen.

Das sieht auch die Sprecherin für die Mobilitätswende von der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Rosa Domm, so: „Wir Grüne begrüßen Rikschas als klimafreundliche Fortbewegungsmittel, sie können einen Beitrag zur dringend notwendigen Mobilitätswende bieten, indem sie Verkehrsmittel mit klimaschädlichen Antrieben ersetzen.“ Wrede ist überzeugt, dass Rikschafahrten künftig etwa auch Kreuzfahrtgästen angeboten werden oder als Lösung für die verkehrsberuhigte Mönckebergstraße infrage kommen könnten.

Tourguides mit unterschiedlichen Werdegängen

Bisher hat allein Marktführer Bayk AG deutschlandweit gut 700 Rikschas auf die Straßen gebracht, davon 110 in Seniorenresidenzen. In Berlin rollen 140 Rikschas, in Frankfurt 70. Dass in Hamburg nicht mehr als zwei Dutzend Rikschas unterwegs sind, von drei Anbietern, sei Folge eines Engpasses bei den Fahrern. „Die Fahrer sind der Goldstaub“, formuliert es Wrede. Um Stadtführungen anbieten zu können, müssten sich die Rikschalenker am besten vom Tourismusverband als Gästeführer zertifizieren lassen. Wrede ist die Prüfung bei seinem Vorwissen leichtgefallen, „aber einfach ist der Test nicht“, sagt der Lehrer.

Derzeit führen Menschen mit ganz unterschiedlichem Werdegang durch die Hansestadt: ein ehemaliger Banker, ein Gabelstaplerfahrer, ein Kunsthistoriker, ein Grafiker und Studenten. Wrede hat diesen tiefen Einblick in die Branche, weil er die Plattform zum Buchen der Touren aufgebaut hat, die Kunden unter www.hamburg-by-rickshaw.de finden. Er selbst darf als Beamter nur acht Stunden in der Woche fahren, aber er ist Mittler unter Anbietern, die teilweise nur auf die Rikschavermietung an Jahres-, Saison- oder Tagesfahrer spezialisiert sind.

Rikschatouren durch Hamburg

Der Pädagoge, der am Studienkolleg für ausländische Studenten an der Uni Hamburg unterrichtet, hat anfangs seinen Schülern aus aller Welt die Hansestadt zeigen wollen und dann immer mehr Gefallen an dieser lebendigen Art der Wissensvermittlung gefunden. Heute kann er – außer in den Flautezeiten von Corona – am Wochenende allein drei bis fünf Taxikunden am Tag fahren, dazu kommen die Stadtrundfahrten.

Auch die Firma Fahrradtaxi Pedalotours bietet Rikscha-Touren durch Hamburg an. „Durch Corona ist die Gesamtlage aber schwierig“, berichtet Inhaber Stephan Oelke über die Geschäftssituation, denn die Zahl der Touristen ist stark zurückgegangen. Auch Events wie Messen fehlten. Trotz der Herausforderungen ist auch Oelke begeistert von seinem Job: „Ich bin dort unterwegs, wo andere Urlaub machen“, schwärmt er.

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Die meisten Rikschafahrer in Deutschland leihen die Mobile, wie Wrede in der Vergangenheit bei Pedalotours. Die Tagesmiete beträgt etwa 15 bis 35 Euro, die Jahresgebühr 2500 Euro. Für die Gäste kosten Stadtrundfahrten in Hamburg 60 Euro in der Stunde. Dabei sind individuelle Touren möglich, wie Einkaufsfahrten zu den schönsten Geschäften, Ausflüge zum Fischmarkt, Touren für Kinder oder Kombinationen mit der Elbphilharmonie, wo dann die Plaza besichtigt wird. Als Taxi genutzt, kostet eine Rikscha für die Kunden sieben Euro pro Kilometer. Gäste für solche Fahrten kommen häufig aus Hamburger Hotels. Eine Hauptsaison für die Branche ist auch der Hafengeburtstag.

Wrede hat ausgerechnet, dass Vollzeitfahrer als Selbstständige in normalen Zeiten auf gut 20.000 Euro Jahresgehalt kommen können. Die deutschen Gesetze erlauben es den Rikschas, auf Straßen und Fahrradwegen zu fahren. Wrede ist die Fortbewegung auf dem Radweg gewohnt. Auch zur Uni fährt er täglich mit Muskelkraft, von seinem Zuhause im Hamburger Westen bis in die City kommen bei dem Rikschalenker noch einmal 5000 Kilometer im Jahr auf dem Fahrrad zusammen. Und wenn der Familienvater dann noch nicht ausgelastet ist, geht es ins Wasser – denn Wrede ist auch ausgebildeter Rettungsschwimmer.

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