Frankfurt am Main/Berlin. „Europa öffnet sich immer weiter“, schreibt die Lufthansa in einer aktuellen Werbemail an ihre Kunden. Flüge nach Mallorca, Portugal und Griechenland sind nach wochenlangen Reisebeschränkungen wieder möglich.
Die Lufthansa musste in der schlimmsten Phase der Corona-Pandemie 700 ihrer 763 Maschinen am Boden lassen und die meisten der 138.000 Mitarbeiter nach Hause schicken. Schritt für Schritt läuft der Flugbetrieb wieder an und die Mitarbeiter kommen zurück. Doch es zeigt sich: Für immer mehr Mitarbeiter gibt es nach der Krise keine Arbeit mehr.
Zunächst sprach Lufthansa-Chef Carsten Spohr von rund 10.000 Arbeitsplätzen. Seit dem späten Mittwoch geht es um eine andere Hausnummer. Nach einem Tarifgipfel der Airline-Spitze mit Gewerkschaftsvertretern spricht Europas größte Fluggesellschaft von bis zu 22.000 Vollzeitstellen, die auf der Kippe stehen.
Ufo, die Gewerkschaft des Kabinenpersonals, rechnet mit bis zu 26.000 Betroffenen, da es viele Teilzeitbeschäftigte gibt. Mit Kurzarbeit und anderen Krisenvereinbarungen will Lufthansa betriebsbedingte Kündigungen vermeiden.
Lufthansa-Personalvorstand rät zu signifikanter Senkung der Personalkosten
Doch Personalvorstand Michael Niggemann stellt klar: Ohne eine signifikante Senkung der Personalkosten in der Krise werde riskiert, „dass die Lufthansa Group deutlich geschwächt aus der Krise hervorgeht“. Um ihre Jobs zu sichern, sind die Mitarbeiter zu Einschnitten bereit. Die Piloten bieten einen Gehaltsverzicht von bis zu 45 Prozent an.
Das ermögliche Einsparungen von 350 Millionen Euro. Im Gegenzug erwarten sich die Piloten ein Bekenntnis des Konzerns zu seinen Mitarbeitern. Lufthansa dürfe die freiwilligen Zugeständnisse nicht für die Auslagerung von Arbeitsplätzen zu schlechteren Bedingungen ausnutzen.
Das wäre „völlig inakzeptabel und würde der Loyalität der Beschäftigten nicht gerecht werden“, sagte Markus Wahl, Präsident der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit.

Lufthansa-Konzern geht nicht auf Angebote der Mitarbeiter ein
Der Streit über die Tarifstrukturen im Konzern tobt seit Jahren. Die Kernmarke Lufthansa operiert nur noch an den Drehkreuzen Frankfurt und München – alle anderen deutschen Flughäfen hat der hauseigene Billigflieger Eurowings übernommen. Hier verdienen die Beschäftigten deutlich weniger.
Die Flugbegleiter haben sich bereit erklärt, auf Lohnerhöhungen zu verzichten und einen niedrigeren Stundenzuschlag bei besonders langen Flügen hinzunehmen. Der Ufo-Vorsitzende Daniel Flohr sieht einen gemeinsamen Kraftakt jedoch „noch in sehr weiter Ferne“.
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Lufthansa habe die Angebote der Beschäftigten links liegen gelassen, so die Gewerkschaft. „Bisher erleben wir noch keinen partnerschaftlichen Weg“, kritisierte Ufo-Geschäftsführer Nicoley Baublies.
Die Zeit für eine Einigung drängt. Bis zur Hauptversammlung am 25. Juni soll eine Lösung her. An diesem Tag müssen die Aktionäre der Lufthansa das neun Milliarden Euro schwere staatliche Rettungspaket billigen. Verweigern sie die Zustimmung, droht die Insolvenz.
Scharfe Kritik von Linken und Grünen an der Regierung
Oppositionspolitiker meldeten sich am Donnerstag mit harscher Kritik zu Wort. Linke-Parteichef Bernd Riexinger erklärte auf Twitter: „Neun Milliarden für ein Unternehmen, das vier Milliarden wert ist und Verzicht auf jede Mitsprache. Wenn die Lufthansa 22.000 Arbeitsplätze streichen sollte, ist die Bundesregierung verantwortlich!“
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Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte, das Rettungspaket habe fatale Auswirkungen, weil es keine Sicherheiten für die Beschäftigten enthalte. „Die Bundesregierung sollte sich angesichts der neuesten Entwicklungen dringend noch einmal mit der Lufthansa an einen Tisch setzen und das Rettungspaket nachverhandeln.“
Der am Pfingstwochenende erzielten Einigung über das Rettungspaket waren zähe Verhandlungen mit der Bundesregierung und der EU-Kommission vorausgegangen. Lufthansa wollte möglichst wenig staatlichen Einfluss durchsetzen und konnte verhindern, dass die Bundesrepublik mit einer Sperrminorität einsteigt. Damit hätte der Staat direkten Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen können.
Bis September will Lufthansa ihren Flugbetrieb stark ausweiten. Bis zu 90 Prozent der ursprünglich geplanten Ziele auf der Kurz- und Mittelstrecke sowie 70 Prozent der Langstreckenziele will der Konzern dann wieder ansteuern – jedoch deutlich weniger häufig als vor der Krise. So dürften im kommenden Jahr noch rund 300 Flugzeuge am Boden bleiben. In den vergangenen Wochen beförderte Lufthansa teils nur 3000 statt der üblichen 350.000 Passagiere täglich.
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