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Nährwertkennzeichnung: Iglo und Danone machen den Anfang

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Marion Meyer-Radtke und Wolfgang Mulke
Tiefkühlproduzent Iglo will nach und nach seine gesamte Produktpalette kennzeichnen.

Tiefkühlproduzent Iglo will nach und nach seine gesamte Produktpalette kennzeichnen.

Foto: imago/Manfred Segerer

Iglo und Danone preschen vor und führen den Nutri-Score ein – eine Kennzeichnung für Lebensmittel, die den Nährstoffinhalt bewertet.

Berlin.  Noch steht auf der Packung Rahmspinat nur eine lange Liste an Zutaten. Und eine Tabelle in kleinen Buchstaben, die Aufschluss gibt über den Gehalt an Fett oder Zucker des Produktes.

Doch ob das Gemüse mit dem Blubb nun wirklich gesund und gut für einen ist oder vielleicht doch allzu viele bedenkliche Beigaben enthält, muss jeder Kunde für sich selbst abwägen.

Wer gut informiert ist, für den ist die Nährwerttabelle von Nutzen. Der eilige Supermarktkunde mit Halbwissen über Ernährung dürfte angesichts des Kleingedruckten eher resignieren und einfach das Beste hoffen, wenn er die Spinatpackung in den Einkaufswagen fallen lässt.

Iglo und Danone machen den Anfang

Das soll sich nun ändern. Seit Jahren streiten Verbraucherschützer, Politik und die Industrie in Deutschland über ein transparenteres Kennzeichnungssystem für Lebensmittel.

Zwei Unternehmen preschen jetzt vor und führen von sich aus eine leicht erkennbare Nährwertkennzeichnung ein: Danone will Ende Januar, spätestens Anfang Februar einen sogenannten Nutri-Score für seine Molkereierzeugnisse einführen.

Und der Tiefkühlproduzent Iglo kündigte an, schon in diesem Monat mit dem System zu starten und dann nach und nach seine gesamte Palette – vom Tiefkühlspinat bis zu Fischstäbchen und Fertiggerichten – damit zu kennzeichnen.

Ein Wert aus günstigen und ungünstigen Elementen

Mit der Lebensmittelampel, die es in Großbritannien schon seit sechs Jahren gibt und die auch in Deutschland lange zur Diskussion stand, hat der in Frankreich entwickelte Nutri-Score nichts mehr zu tun.

2013 hatte das britische Gesundheitsministerium ein Ampel-Label eingeführt, das den Zucker-, Salz- und Fettgehalt von Industrieprodukten mit Rot, Gelb und Grün bewertet.

Auf einen Blick erkennen Verbraucher so, was sie sich mit ihrem Lieblingskäse oder einem Fertigsalat an ungesunden Stoffen einverleiben werden.

Das Label ist freiwillig, die Industrie muss es nicht auf ihre Produkte drucken – es ist allerdings bei den britischen Kunden inzwischen so beliebt, dass die Hersteller kaum noch darum herumkommen.

Kritik an Ampel in Deutschland

Ende November knickte Kellogg’s ein und kündigte an, ab Januar 2019 etwa 80 Prozent seines Angebotes an Cornflakes, Krispies und anderen Frühstückscerealien in Großbritannien mit der Ampel zu kennzeichnen.

Das Unternehmen hatte 2000 Briten befragt und eine klare Antwort erhalten: „Auf den Punkt gebracht haben die Leute uns gesagt, dass wir uns bewegen und die Ampel einführen sollten, damit sie Entscheidungen zum Wohle ihrer Gesundheit treffen können“, sagte Großbritannien-Chef Oli Morton.

In Deutschland stieß dieses Modell auf den hartnäckigen Widerstand der Industrie. Sie kritisiert, dass die Ampel die Produkte zu vereinfachend darstelle und nützliche Zutaten wie Obst oder Gemüse außer Acht lasse.

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Iglo und Danone setzen nun stattdessen auf den Nutri-Score aus Frankreich, der positive und negative Elemente in Punkten bewertet, beides miteinander verrechnet und das Produkt dann auf einer Skala einstuft.

Negativ schlägt ein hoher Gehalt an Kalorien, Zucker, Fett oder Salz zu Buche; positiv Bestandteile wie Ballaststoffe, Proteine, Obst, Nüsse und Gemüse.

Das Ergebnis ist im aufgedruckten Logo auf der Vorderseite der Packung zu sehen. In einer fünfstufigen Skala von „A“ in Dunkelgrün (günstige Bilanz) über ein gelbes „C“ bis zu einem tiefroten „E“ (ungünstig).

Das zutreffende Feld wird hervorgehoben, etwa ein hellgrünes „B“ für Naturjoghurt oder ein orangenes „D“ für Joghurt mit Karamellsauce und Knusperflocken.

Schluss mit dem Tricksen

Alle Angaben beziehen sich auf die Mengenangabe 100 Gramm. So lassen sich verschiedene Produkte schnell gegeneinander abwägen. Bisher trickst die Industrie bei den Nährwertangaben ganz gerne, indem sie die Kennzeichnung auf recht beliebig definierte Portionsgrößen bezieht.

Bei Chips zum Beispiel sieht der Fettgehalt gleich viel harmloser aus, wenn die Portion unrealistisch klein gerechnet wird – denn wer kann schon bei 30 Gramm aufhören zu essen? „Durch den jetzigen Schritt liefern wir den Verbrauchern eine Transparenz, die immer mehr nachgefragt wird“, sagt die Chefin von Iglo Deutschland, Antje Schubert.

„Essen muss Spaß machen.“

Die Unternehmensgruppe verfüge schon seit 2013 über einen Beraterstab aus unabhängigen Ernährungsexperten, der die Produkte intern in einem ähnlichen System bewerte. Das werde den Kunden nun sichtbar gemacht.

Die einfache und leicht verständliche Kennzeichnung, die Iglo nun einführe, sensibilisiere die Verbraucher, aber lasse jedem die Wahl, erklärt Schubert: „Essen muss Spaß machen, lustvoll sein und bedarf keines erhobenen Zeigefingers.“

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Auch der Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv) ist von dem Nutri-Score-System überzeugt. „Verbraucher wollen einfach und schnell informiert werden“, sagt vzbv-Chef Klaus Müller. „Sie wollen sich zwischen verschiedenen Fertigpizzen oder Frühstückscerealien entscheiden – welches ist das, was für sie am besten und am gesündesten ist?“

Das französische Modell sei das beste auf dem Markt und biete die Chance, aus den „Schützengräben der Vergangenheit“ herauszukommen, sagt Müller. „Wir appellieren an die Lebensmittelwirtschaft, hier ihren destruktiven Widerstand aufzugeben.“

Danach sieht es zurzeit aber nicht aus. Der Branchenverband BLL jedenfalls lehnt weiter jegliche Kennzeichnung nach einem Ampel- oder Nutri-Score-System ab. Die britische Ampel sei „willkürlich“, die Bewertungen des Nutri-Score „so pauschal nicht tragbar“.

Kein Vorstoß der Bundesregierung

Und ohnehin sei zum Beispiel Übergewicht von so vielen Faktoren – wie etwa Lebensstil, Genen, Bildung und Bewegung – abhängig, dass das Verständnis von Nährwerten hier nur einen kleinen Teil ausmache.

Von der Bundesregierung ist so schnell auch kein beherztes Vorgehen zu erwarten. Der Koalitionsvertrag sieht lediglich vor, dass bis zum Sommer ein Modell vorliegen soll, das Nährwertgehalte „gegebenenfalls vereinfacht visualisiert.“

Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) machte schon mehrfach deutlich, dass sie Ampelkennzeichnungen vereinfachend findet. Andere Länder zeigen sich weniger skeptisch: In Frankreich gibt es den Nutri-Score seit Oktober 2017, Belgien und Spanien haben die Einführung angekündigt.

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