Unternehmensführung

Diese fünf Baustellen muss die Deutsche Bahn jetzt angehen

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Wolfgang Mulke
Wie unpünktlich ist die Deutsche Bahn wirklich?

Wie unpünktlich ist die Deutsche Bahn wirklich?

Die Deutsche Bahn gilt als chronisch unpünktlich. Wir zeigen vier Fakten rund um die Pünktlichkeit auf den deutschen Schienen.

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Die Deutsche Bahn ist unpünktlich, unmodern und unzuverlässig – so ihr Ruf. Was der Konzern jetzt dringend angehen muss.

Berlin.  Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erwartet schnelle Verbesserungen im Angebot der Deutschen Bahn. Ob das tatsächlich möglich ist, werden die kommenden Monate zeigen. Konkurrent Flixtrain kündigte unterdessen neue Bahnverbindungen in Deutschland an.

Die fünf großen Pro­blemfelder des Staatskonzerns:

Baustelle 1: Unzuverlässig

Nur sieben von zehn Zügen erreichen pünktlich ihr Ziel. Mal fallen Reservierungsanzeigen aus, mal ändert sich kurz vor dem Start die Wagenreihung, mal fahren überfüllte Züge am Bahnhof durch, mal fallen Toiletten aus.

Immer wieder überrascht die Deutsche Bahn ihre Fahrgäste mit neuen Widrigkeiten. Das ist aus Sicht der Bundesregierung die wichtigste Baustelle im Konzern. „Wir brauchen eine Bürgerbahn, die den Namen verdient“, fordert Verkehrs­minister Andreas Scheuer. Die Qualität beim Bahnfahren müsse im neuen Jahr schnellstens wieder steigen.

Ein Erfolg wird sich wohl eher langsam einstellen. Nur jeder fünfte ICE ist technisch voll einsatzfähig. Es fehlen 5800 Fachleute wie Lokführer und Werkstattpersonal. Die Bahn stellte zwar in diesem Jahr 20.000 neue Beschäftigte ein.

Doch bis ein Bewerber ausgebildet ist, vergehen Monate. Dazu sorgen bis zu 800 Baustellen gleichzeitig für Verspätungen. Schließlich sind die großen Knotenbahnhöfe so überlastet, dass der Fahrplan rasch durcheinander gerät. Verspätungen in Köln, Hamburg oder München wirken sich schnell auf das ganze Land aus.

Besser werden kann die Koordination innerhalb der Bahn, zum Beispiel zwischen Instandhaltungswerken und Startbahnhöfen. Helfen wird auch das erweiterte Böschungsmanagement, mit dem Streckensperrungen durch umgefallene Bäume verhindert werden können. Scheuer lässt all diese Gründe nur noch bedingt gelten.

„Nun müssen konkrete Ergebnisse schnell dazu führen, dass die Leute sagen: Es hat sich verbessert“, sagte der Minister. Die EU will höhere Entschädigungen bei Verspätungen.

Baustelle 2: Unmodern

Da in den vergangenen Jahrzehnten viel zu wenig investiert wurde, sind weite Teile des Schienennetzes veraltet. Wichtigste Baustelle ist die Digitalisierung des Netzes. Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts will der Bahnvorstand wichtige Magistralen mit dem elektronischen Zugsteuerungssystem ETCS ausstatten.

Damit könnten 20 Prozent mehr Züge auf die Strecke gebracht werden. Pünktlicher wird es zudem, wie die 2017 eröffnete Neubaustrecke zwischen Berlin und München zeigt, auf der es diese Technik bereits gibt.

Hier kommen neun von zehn Zügen fahrplangemäß an. Auch vermeintliche Kleinigkeiten sind noch nicht vollständig erledigt, zum Beispiel die Ausstattung der Weichen mit Heizungen für eisige Temperaturen. Kürzlich überhitzte ein Backofen.

Baustelle 3: Unterfinanziert

Die Digitalisierung kostet Milliardenbeträge, von denen noch niemand weiß, wer sie aufbringen kann. Zugleich we

den hohe Investitionen in die Instandhaltung des Netzes benötigt. Der Gewinn des Konzerns reicht nicht aus, um all diese Ausgaben zu bezahlen. Der chronisch defizitäre Güterverkehr und der Preiskampf mit Bussen und Flugzeugen lassen die Überschüsse schrumpfen.

Zudem ist die Bundesregierung für die Instandhaltung des Netzes finanziell verantwortlich. „Es gibt eine Finanzdebatte“, räumt Scheuer zwar ein. Doch erst wolle er Verbesserungen sehen.

Die Bahn selbst will in den kommenden Jahren zusätzlich fünf Milliarden Euro in neue Züge und die Modernisierung des Netzes stecken. Bis zum März muss Bahnchef Richard Lutz seinem Aufsichtsrat erklären, woher das Geld kommen soll.

Denkbar ist ein Teilverkauf der britischen Tochter Arriva, die aber hohe Gewinne erwirtschaftet und in die Konzernkasse überweist. Neue Schulden kann die Bahn nur noch in begrenztem Umfang aufnehmen. Mit 20 Milliarden Euro ist die vorgegebene Grenze fast erreicht.

Die wichtigsten Entscheidungen zur Finanzierung stehen 2019 an: Bahn und Bund handeln eine neue Finanzierungsvereinbarung für die Instandhaltung der Infrastruktur aus. Ohne ausreichende Finanzierung ist die politische Vorgabe einer Verdopplung des Personenverkehrs bis 2030 nicht zu erreichen.

Baustelle 4: Unstrukturiert

Aus der Bundesregierung wird auch Kritik an der Konzernstruktur laut. Die verschiedenen Geschäftsfelder arbeiten demnach eher gegeneinander als miteinander. Bahnchef Lutz hat es wie seine Vorgänger bisher nicht geschafft, aus der Mannschaft mit weltweit 300.000 Beschäftigten ein Team zu formen.

Die Grünen und die FDP fordern eine Trennung von Netz und Betrieb bei der Bahn. Für die Trassen wäre dann der Staat allein zuständig. Doch darauf will sich die Bundesregierung nicht einlassen, die Bahn selbst und die Gewerkschaften sind dagegen.

Im Januar soll Lutz dem Schienenbeauftragten der Bundesregierung Vorschläge für verbesserte Strukturen vorlegen.

Baustelle 5: Die Beliebtheit

Ausgerechnet die wachsende Beliebtheit – trotz steigender Preise und gestrichener Ticket-Varianten – der Bahn bei den Reisenden wird zum Pro­blem. Auch in diesem Jahr wird das Unternehmen wohl einen neuen Fahrgastrekord vermelden.

Da jedoch Züge und Netzkapazitäten für dichtere Takte fehlen, drängeln sich die Passagiere immer häufiger in vollen Züge oder kommen auf überfüllten Bahnsteigen an den Knotenbahnhöfen kaum mehr voran.

Prominentes Beispiel für überfüllte Züge: Ein ICE hielt nicht in Spandau, weil er zu voll war. Die Kinder der Grünen-Chefin Annalena Baerbock konnten nicht mitfahren.

Update: Neue ICE-Trasse: Berlin-Köln bald unter vier Stunden?

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