Berlin. Erstmals seit mehr als drei Jahren ist die deutsche Wirtschaft wieder geschrumpft. Für viele Experten schlagen die Probleme der Autoindustrie durch – der wichtigsten Branche der deutschen Wirtschaft. Das Minus ist demnach eine Spätfolge des Dieselskandals. Mit einem Ende des Aufschwungs, der seit acht Jahren anhält, rechnet allerdings noch niemand – trotz zahlreicher Unsicherheiten.
Im dritten Quartal sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kalender- und preisbereinigt um 0,2 Prozent im Vergleich zum zweiten Quartal, das erste Minus seit Anfang 2015. Damals ermittelte das Statistische Bundesamt einen Rückgang von 0,1 Prozent. Im Gesamtjahr 2015 gab es damals ein Plus von 1,5 Prozent. Und auch für 2018 rechnen Ökonomen mit einem Wachstum in dieer Größenordnung.
Für das Minus gibt es aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums mehrere Gründe. Der wichtigste: die Schwierigkeiten der deutschen Autoindustrie mit dem neuen Prüfstandard WLTP für Autos.
Dabei werden die Abgaswerte eines Fahrzeugs im Straßenbetrieb ermittelt. Das ist seit September zwingend vorgeschrieben und aufwendiger als das alte Verfahren im Teststand. Weil es Engpässe bei der Neuzulassung vieler Modelle gab, mussten die Hersteller die Produktion drosseln.
Die Bauindustrie legte zu
Das neue Verfahren habe einen Zulassungsstau ausgelöst, das Bruttoinlandsprodukt sei allein dadurch um 0,4 Prozent geschwächt worden, schrieb das Bundeswirtschaftsministerium. WLTP wurde in der EU nach dem Dieselskandal eingeführt. Ende September 2015 war öffentlich geworden, dass VW in Dieselmotoren eine Software nutzte, mit der die Grenzwerte nur im Testbetrieb eingehalten wurden.
Ohne die Probleme mit WLTP wäre die Wirtschaft wohl auch im dritten Quartal leicht gewachsen. Die Firmen investierten mehr in Maschinen und Anlagen, , wie das Statistische Bundesamt meldete. Allerdings sank der Wert der Exporte, unter anderem weil Autokäufer im Ausland abwarteten.

Heißer Sommer verringerte den Konsum
Gleichzeitig importierte Deutschland mehr Waren als im zweiten Quartal. Und die Verbraucher gaben weniger aus – auch wegen des heißen Wetters. Da liegt mancher lieber am See als ein Auto oder neue Kleidung zu kaufen.
Dramatisch sehen die Experten die Lage nicht: „Der Rückgang ist ein Ausrutscher und nicht der Beginn einer Rezession“, sagt Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt von Unicredit. „Bereits im vierten Quartal wird die deutsche Wirtschaft wieder stark zulegen.“ Von einer Rezession spricht man, wenn die Wirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen schrumpft.
In Deutschland war das zuletzt Anfang 2014 so – auch damals eher eine Ausnahme. Die deutsche Wirtschaft wächst seit dem Krisenjahr 2009 jedes Jahr. DekaBank-Ökonom Andreas Scheuerle sagt: „Deutschland hat kein Konjunkturproblem, sondern ein Automobilproblem.“
Unsicherheiten in der Welt belasten
Noch in den ersten beiden Quartalen ist die deutsche Wirtschaft mit 0,4 und 0,5 Prozent gewachsen. Für das gesamte Jahr rechnen die Experten mit einem Plus zwischen 1,6 Prozent (Sachverständigenrat) und 1,8 Prozent (RWI in Essen). Der Sachverständigenrat hat seine Prognose allerdings gerade gesenkt. Bisher gingen die Experten von 2,3 Prozent aus.
Alle Vorhersagen sind denn auch mit reichlich Unsicherheit behaftet: Vor allem ist unklar, wie die Handelsstreitigkeiten, die US-Präsident Donald Trump mit China und der EU angezettelt hat, ausgehen. Da ist etwa China, der wichtigste Automarkt der Welt. Schwächelt das Land, merkt das auch die deutsche Autoindustrie.
BDI senkte bereits die Prognose
Auch ohne die Probleme in der Autoindustrie wäre die deutsche Wirtschaft wegen nachlassender Nachfrage aus China kaum noch gewachsen, erläutert Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Dass es in China nicht rundläuft, zeigte zuletzt die Wachstumsrate von 6,5 Prozent. Solch ein Wert gilt in einem Schwellenstaat wie China als eher schwach.
Ein weiteres Problem ist der Brexit. Die Briten haben zwar mit der EU eine Austrittsregelung verhandelt, ob sie aber kommt, ist unklar., was eine neue Krise in der Staatengemeinschaft hervorrufen könnte – mit ungeahnten Folgen für die Wirtschaft.
Dass deutsche Firmen, traditionell stark bei Exporten, Schwierigkeiten bekommen, zeichnet sich bereits ab. Der Industrieverband BDI senkte die Prognose für das Exportwachstum 2018 von 3,5 auf 3,0 Prozent.
Deutsche Firmen werden nervös
Auch die Manager deutscher Firmen sind zunehmend nervös wegen der Unsicherheit weltweit. Der Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts sank im Oktober. Die befragten Firmenchefs waren weniger zufrieden mit ihrer Wirtschaftslage als einen Monat zuvor. Und sie waren weniger optimistisch für die Zukunft.
für das kommende Jahr vor einer Woche ebenfalls: von 1,8 auf 1,5 Prozent.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wirtschaft