Frankfurt/Berlin. Fast alle von der Pleite der Air-Berlin-Tochter Niki betroffenen Passagiere erhalten laut Insolvenzverwalter den gezahlten Flugpreis zurück oder werden umgebucht. Von den 410.000 noch nicht benutzten Tickets seien 210.000 über Reiseveranstalter gebucht und würden nun umgebucht, teilte Insolvenzverwalter Lucas Flöther am Donnerstag mit.
Die Inhaber der 200.000 direkt bei Niki erworbenen Tickets erhielten – sofern sie ihre Tickets nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin Mitte August 2017 erworben haben – den Reisepreis voraussichtlich voll erstattet. Dies gelte für Tickets mit Reisezeitraum bis Ende Oktober 2018. An der Rückholaktion für alle im Ausland gestrandeten Niki-Urlauber beteiligen sich den Angaben zufolge Condor, Eurowings, Germania, Lufthansa, Austrian Airlines, Swiss und Tuifly.
Niki Lauda erwägt Kauf
Der ehemalige Rennfahrer und Unternehmer Niki Lauda will indes die Möglichkeiten einer Übernahme der insolventen Fluglinie Niki in Kürze ausloten. „Ich versuche so schnell wie möglich einen Termin beim Insolvenzverwalter zu bekommen, um weitere Schritte zu besprechen“, sagte der 68-Jährige am Donnerstag in Wien.
Lauda hatte bereits sein anhaltendes Interesse am Kauf der Airline signalisiert. Er hatte Niki 2003 gegründet und war 2011 ausgestiegen. Die Air-Berlin-Tochter hat am Mittwoch einen Insolvenzantrag gestellt und in der Nacht zum Donnerstag den Flugbetrieb mit ihren 21 Maschinen eingestellt.
„Die Flüge der Niki werden mit sofortiger Wirkung ausgesetzt. Weitere Flüge der Niki sind nicht mehr buchbar. Der Flugplan der Niki verliert seine Gültigkeit“, so die Airline. Zuvor hatte die Lufthansa ihr Angebot für das österreichische Unternehmen mit seinen 21 Flugzeugen zurückgezogen.
Austrian Airlines wirbt um Niki-Mitarbeiter
Unterdessen versucht die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA), die Mitarbeiter von Niki zu sich zu locken. An Piloten, Flugbegleiter und Techniker von Niki erging am Donnerstag der Aufruf, sich bei der AUA zu bewerben.

AUA-Chef Kay Kratky sagte ihnen ein beschleunigtes Bewerbungsverfahren zu. Niki-Leute könnten sich sofort melden. Von der Niki-Pleite sind rund 1000 Mitarbeiter betroffen. Austrian Airlines sucht derzeit mehrere hundert Mitarbeiter – vor allem bis zu 200 fertig ausgebildete Piloten und rund 300 Flugbegleiter.
Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter Lucas Flöther kündigte an, er versuche, den Geschäftsbetrieb von Niki „durch einen Schnellverkauf doch noch zu retten“. „Ich werde umgehend Gespräche mit infrage kommenden Investoren aufnehmen, um einen möglichst großen Teil der Arbeitsplätze zu erhalten.“
Rund 800.000 Tickets sind offenbar wertlos
Nach dem Aus der Fluglinie richten sich die Bemühungen zudem darauf, die Fluggäste der Airline nach Hause zu bringen. In den kommenden zwei Wochen müssen Plätze für bis zu 10.000 Passagiere organisiert werden, die derzeit im Ausland unterwegs sind.
Die Regierung in Wien wolle Austrian Airlines notfalls mit Charterflügen beauftragen, sagte ein Sprecher von Verkehrsminister Jörg Leichtfried der Tageszeitung „Die Presse“. „Mehrere Fluggesellschaften“ bereiteten derzeit einen Ersatz-Flugplan „auf Standby-Basis gegen ein geringes Entgelt aus dem Ausland nach Deutschland, Österreich und die Schweiz“ vor, teilte Niki mit. Der „Presse“ zufolge sind rund 800.000 bereits verkaufte Tickets nun wertlos.

Kritik an der EU-Kommission
Niki wie auch der Mutterkonzern Air Berlin kritisierten die EU-Kommission. „Auslöser für den heute erfolgten Schritt ist das Nein der Europäischen Kommission zum Verkauf der Niki an die Lufthansa-Gruppe wegen angeblicher Einschränkungen des Wettbewerbs“, betonte das österreichische Unternehmen in einer Mitteilung. Der Generalbevollmächtigte von Air Berlin, Frank Kebekus, sagte: „Die Position der Europäischen Kommission ist nicht nachvollziehbar.“
Air Berlin habe nach den ersten Bedenken der EU-Kommission gegen eine Niki-Übernahme durch die Lufthansa erneut Kontakt zu potenziellen Interessenten wie Thomas Cook und der British-Airways-Mutter IAG aufgenommen, sagte Kebekus. „IAG teilte Air Berlin schriftlich mit, dass sie kein Kaufinteresse mehr an der Niki hat.“
Kebekus: „Unkontrollierter Zusammenbruch“
Auch von Thomas Cook sei kein passendes Angebot unterbreitet worden. „Die Kommission wusste also, dass es gar keine Alternative zum Verkauf der Niki an die Lufthansa gab“, sagte Kebekus. Er warf der Kommission vor, sie erreiche mit dem „unkontrollierten Zusammenbruch“ der Airline „das genaue Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt“.
Kebekus betonte, dass eine vollständige Rückzahlung des KfW-Kredits in Höhe von 150 Millionen Euro „unwahrscheinlicher geworden“ sei. Ähnlich hatte sich zuvor in Berlin auch der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert geäußert. Die Lufthansa hatte als Grund für den Rückzug angegeben, dass eine schnelle Freigabe des Erwerbs durch die EU-Kommission nicht zu erwarten sei. Der im Oktober geschlossene Kaufvertrag könne nicht vollzogen werden. Air Berlin ist seit August insolvent und hat den eigenen Flugbetrieb Ende Oktober eingestellt.
Lufthansa hält an Übernahme-Plänen für LG Walter fest
Die EU-Wettbewerbshüter bedauerten die neue Unsicherheit um Niki. „Zumal dies nicht das einzig mögliche Resultat seit Beginn des Verkaufsprozesses war“, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel. Es sei von Beginn an klar gewesen, dass es auf vielen Strecken zwischen Lufthansa und Air Berlin Überschneidungen gegeben habe, mit Risiken für Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

„Aufgabe der EU-Kommission ist es, ihr präsentierte Transaktionen zu beurteilen. Wir müssen sicherstellen, dass Konsumenten durch Zusammenschlüsse nicht schlechter gestellt werden.“ Am Erwerb der anderen Air-Berlin-Tochter LG Walter will die Lufthansa hingegen festhalten. Dieser Kauf steht ebenfalls noch unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Zustimmung der EU-Kommission. Die Prüffrist läuft bis 21. Dezember. Für Niki und LG Walter hatte die Lufthansa 210 Millionen Euro geboten.
Wird Etihad für die Pleite haftbar gemacht?
Air-Berlin-Sachwalter Flöther prüft nach Informationen von „B.Z.“ und „Bild“-Zeitung, den ehemaligen Großaktionär Etihad für die Pleite haftbar zu machen. Die arabische Fluglinie habe Air Berlin Ende April schriftlich versichert, sie wolle sicherstellen, dass die Airline ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann. Dennoch hatte Etihad Mitte August die versprochenen Zahlungen eingestellt – daraufhin stellte Air Berlin einen Insolvenzantrag. (dpa)
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wirtschaft