Berlin. Das Handydisplay ist zerbrochen, der Fernseher flackert nur noch: Ist die Garantie erloschen, sind freie Werkstätten und sogenannte Repair Cafés mit Ehrenamtlichen meist die letzte Bastion gegen die Wegwerfgesellschaft. Rund 700 kleine Initiativen gibt es mittlerweile in Deutschland.
Doch den Reparateuren sind Steine in den Weg gelegt: Sie leiden darunter, dass sie von Herstellern nicht mit den erforderlichen Ersatzteilen und Softwaretools beliefert werden und manche Originalteile für sie fast doppelt so teuer sind. Reparatur-Initiativen, Verbraucherschützer und die Grünen im Bundestag kämpfen dagegen – bis dato vergebens. Jetzt jedoch begehrt eine kleine Werkstatt gegen einen Elektronik-Goliath auf: Eine Firma aus Reutlingen beantragt ein Kartellverfahren gegen Samsung. Weitere Beschwerden – auch zu Apple – sollen folgen.
Ein Fernseher-Panel kostet 200 Euro mehr für freie Werkstätten
Für 81,21 Euro bekommt ein autorisierter Vertragspartner von Samsung ein neues Display für das Handy Galaxy S6. Andere Reparateure – darunter auch die Firma von Detlef Vagerow aus Reutlingen – werden nicht von Samsung beliefert. Sie müssen sich für Originalteile an einen Zwischenhändler wenden, die ASWO International Service GmbH.

Dort zahlen sie für das gleiche Teil 14,69 Euro mehr. Beim Netzteil für einen Fernseher müssen sie 50 Prozent Aufschlag in Kauf nehmen, ein Panel für den LCD-Bildschirm ist mit 396,30 Euro mehr als doppelt so teuer wie für Vertragspartner, die nur 196,30 Euro zahlen. So listet es Detlef Vagerows Rechtsanwalt im Schreiben an das Bundeskartellamt auf. Die Juristen sehen hierin ein „verbotenes Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens“.
Werkstattinhaber klagt über „Aussterben der Reparaturkultur“
„Die diskriminierende Ersatzteilpolitik der Hersteller hat zum Aussterben der Reparaturkultur in Deutschland geführt“, sagt Detlef Vagerow. Dieses Verhalten großer Elektronikkonzerne findet er noch „wesentlich destruktiver für die Lebensdauer von Geräten als geplante Obsoleszenz“. Den Unternehmer macht das wütend.
Doch er ist nicht allein: Hinter sich weiß er den „Runden Tisch Reparatur“, ein vor zwei Jahren gegründeter Zusammenschluss aus Werkstätten, Reparatur-Initiativen und Verbänden. „Die Hersteller haben ganz offensichtlich kein Interesse an der Reparatur“, meint Sprecherin Christine Ax. „Ich bin froh, dass eines unserer Mitglieder jetzt den Klageweg beschreitet. Wir hoffen sehr auf die Unterstützung des Kartellamtes.“
1,8 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert Deutschland im Jahr
Das Thema Reparatur ist aber nicht nur ein wirtschaftliches und juristisches, sondern auch ein maßgeblich umweltpolitisches. Laut einer Studie der United Nations University in Tokio wuchs der Elektroschrottberg im Jahr 2014 um rund 42 Millionen Tonnen – davon stammten 1,8 Millionen Tonnen aus Deutschland. „Die Ressourcenverschwendung muss endlich aufhören. Dazu gehört auch, dass wir in Zukunft mehr reparieren und weniger wegschmeißen“, fordert Peter Maiwald, umweltpolitischer Sprecher der Grünen.
Der Bundestagsabgeordnete wandte sich diesen Monat mit einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung. Auch er wollte wissen: Ist das Verhalten der großen Elektronikhersteller mit dem geltenden Kartellrecht vereinbar?
Ministerium hat „keine Kenntnis“ von konkreten Fällen
Aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie kam eine siebenzeilige Antwort zurück: Man habe „keine Kenntnis“ von konkreten Fällen, in denen Hersteller ihre Ersatzteile vorsätzlich nicht an unabhängige Reparaturwerkstätten liefern. Dass es sich dabei aber um Verstöße gegen das Kartellrecht handeln könnte, ist nicht auszuschließen. „Nun müssen Konsequenzen folgen“, fordert Grünen-Abgeordneter Peter Maiwald. Das Aufbegehren der kleinen Reparateure: Es könnte zum Präzedenzfall für Wirtschaft und Politik werden.
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