Altgold

Hamburger machen alten Schmuck zu Geld

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Steffen Preißler
Ankauf von Altgoldbei der Degussa am Ballindamm: Filialleiter Michael Löhmann zeigt angebotenen Schmuck

Ankauf von Altgoldbei der Degussa am Ballindamm: Filialleiter Michael Löhmann zeigt angebotenen Schmuck

Foto: Michael Rauhe

Weil die Altgold-Preise steigen, werden mehr Ringe, Broschen und Ketten verkauft. Edelmetallhändler Degussa ist einer der Profiteure.

Hamburg.  Die Hamburger kramen in ihren Schubladen und Schatullen. Altgold ist wieder gefragt. „Den Schmuck trage ich schon lange nicht mehr“, sagt Helga P. Ringe und Kette aus 585er Gold sind zwar eine Erinnerung an ihre verstorbene Mutter, „aber sie hätte bestimmt nichts dagegen, dass ich den Schmuck verkaufe und mir dafür schönere Dinge gönne“, sagt die ältere Frau in der Niederlassung des Edelmetallhändlers Degussa am Ballindamm. Hier werden nicht nur Goldmünzen und -barren verkauft. „Wir haben auch eine hohe Expertise beim Ankauf von Altgold und bieten Preise, die alle fünf Minuten aktualisiert werden“, sagt Niederlassungsleiter Michael Löhmann. Die Preise richten sich nach dem Kurs für eine Feinunze (31,1 Gramm) Gold. Was sie mit dem Geld aus dem Verkauf machen will, verrät die Frau nicht. Aber der Zeitpunkt für den Verkauf ist günstig. 18,86 Euro gibt es an diesem Tag für ein Gramm 585er Altgold. Das sind knapp 15 Prozent mehr als sie Ende 2015 für ihren Schmuck bekommen hätte.

Der steigende Goldpreis beflügelt die Bereitschaft der Deutschen, sich von altem Schmuck zu trennen, bestätigt der Bundesverband der Juweliere, Schmuck und Uhrenfachgeschäfte (BVJ). „In Deutschlands Wäscheschränken schlummern Milliardenbestände an altem Goldschmuck“, sagt BVJ-Geschäftsführer Joachim Dünkelmann. „Jetzt rücken die vergessenen Schätzchen ins Bewusstsein.“

Goldpreis doch wieder gestiegen

Dabei war das gelbe Edelmetall fast schon abgeschrieben. Viele Experten erwarteten für dieses Jahr noch niedrigere Preise, nachdem der Kurs für eine Feinunze Ende 2015 unter 1000 Dollar zu rutschen drohte. Doch es kam anders. Inzwischen werden wieder 1210 Dollar für eine Feinunze gezahlt, umgerechnet 1106 Euro. „Sobald Verunsicherung aufkommt, zieht der Goldpreis an“, sagt Thorsten Proettel von der Landesbank Baden-Württemberg. „Viele fürchteten sich vor einer globalen Rezession, weil der Ölpreis so stark gefallen war.“ Inzwischen hat sich die Konjunkturlage zwar verbessert. „Dennoch spekulieren viele Großanleger weiter auf einen steigenden Goldpreis“, sagt Proettel.

„Wir sind im Ankauf von Altgold gut ausgelastet“, sagt Löhmann. Es sei empfehlenswert, sich einen Termin geben zu lassen. Denn so ein Ankauf kann je nach Anzahl der Schmuckstücke bis zu einer Stunde dauern. „Je stärker der Goldpreis steigt, desto interessanter wird der Verkauf für viele Kunden“, sagt Löhmann. „Seit Ende 2015 ist die Menge des angekauften Altgoldes um 50 Prozent gestiegen. Gegenüber 2014 haben wir den Altgoldankauf sogar verdoppelt.“

Verschiedene Verfahren zur Prüfung

Für die Prüfung des Schmucks stehen bei Degussa eine Reihe von Verfahren zur Verfügung. Am bekanntesten ist das Königswasser, eine Mischung aus Salpeter- und Salzsäure, mit der der Feingoldgehalt des Schmucks anhand einer winzigen Abriebprobe bestimmt werden kann. Mit einem Röntgenfluoreszenz-Gerät wird der Anteil verschiedener Edelmetalle und ihre Feinheit in einem Schmuckstück bestimmt. Fast alle Goldketten enthalten neben Gold oder Silber auch unedle Metalle. Mit einer speziellen Waage lässt sich prüfen, ob auch der Kern von Münzen und Barren aus Gold besteht.

„In jedem Fall sehen bei uns die Kunden genau, was mit ihrem Schmuck passiert“, sagt Löhmann. „Und wir erläutern, wie sich der Aufkaufpreis zusammensetzt.“ Das sind Kriterien für einen seriösen Goldaufkäufer. Allerdings kann nur das reine Edelmetall in die Bewertung einbezogen werden. Das Altgold wird dann in der Degussa-eigenen Scheideanstalt in Pforzheim zu Goldbarren eingeschmolzen. Edelsteine werden an Kunden zurückgegeben. „In 90 Prozent der Fälle können wir die aufgekaufte Ware sofort bewerten und den Verkaufspreis bar auszahlen oder auf das Kundenkonto überweisen“, sagt Löhmann. Nur numismatische Münzen werden in der Niederlassung in Frankfurt bewertet.

Die Aurum Edelmetalle und Recycling GmbH in Norderstedt hat ihr Geschäft mit Privatkunden ebenfalls ausgebaut. „Wir sind jetzt so aufgestellt, dass eine Terminvereinbarung beim Altgoldankauf nicht mehr zwingend erforderlich ist“, sagt Betriebsleiterin Miriam Torbeck. Damit wertvoller Schmuck nicht eingeschmolzen werden muss, hat das Unternehmen im Internet eine Handelsplattform eingerichtet, wo Preziosen auf Kommissionsbasis angeboten werden.

Kunden bringen Kerzenständer und Becher

„Wir spüren ein gestiegenes Interesse der Kunden am Altgoldverkauf“, sagt Torbeck. Neben Goldschmuck bringen die Kunden auch Zahngold, Kerzenständer, Becher, Schalen aus Silber oder Platinschmuck. „Wir können alle Edelmetalle verarbeiten und trennen“, sagt Torbeck.

Gold wird inzwischen an allen Ecken aufgekauft: im Kiosk, beim Optiker oder im Nagelstudio. „Dort bekommen sie meist unseriöse Preise“, sagt Torbeck. Auch Verbraucherschützer warnen vor dubiosen Aufkäufern. Seriöse Händler erkennt man daran, dass das Gold mit modernen Verfahren gemessen und beurteilt wird. Dazu gehören der chemische Abriebtest und das Wiegen mit einer geeichten Präzisionswaage. Der Juwelier-Verband BVJ empfiehlt den Vergleich von mehreren Ankaufangeboten. Nur wenige Anbieter schreiben neben Gold und Silber auch Platin oder Palladium gut, das in einigen Legierungen enthalten sein kann. So ist Zahngold häufig eine Mischung aus Gold und Platin.

Münzen wie Krügerrand sind weiterhin gefragt

Während sich die Hamburger leichter von Altgold trennen, sind Goldmünzen wie der Krügerrand und Goldbarren weiterhin gefragt. Die Branche der Edelmetallhändler erwartet in diesem Jahr den Absatz von 120 Tonnen an Münzen und Barren aus Gold in Deutschland. Das liegt auf Vorjahresniveau. „Manche Kunden verkaufen ihren alten Schmuck und decken sich dann hier gleich mit Anlagegold ein“, sagt Löhmann.

Mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und der Abschaffung der 500-Euro-Note sieht der Marktkenner weiterhin gute Gründe für einen Anteil von fünf bis 15 Prozent Gold am Gesamtvermögen. „In einem Umfeld von Null- beziehungsweise Negativzinsen sind Gold und Silber zumindest nun zu einer ernsten Konkurrenz für Festgelder und Spareinlagen geworden“, sagt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa. „Gold reagiert immer auf mögliche Krisen“, gibt Landesbanker Proettel zu bedenken.

Auch wenn die griechische Schuldenproblematik geräuschlos in die Zukunft verschoben und so der Goldpreis wieder etwas gedrückt wurde, verbleiben mit der Abstimmung der Briten über den Verbleib in der EU und faulen Krediten bei vielen Banken noch viele Krisenherde. Proettel rechnet mit einem Goldpreis von 1300 Dollar zum Jahresende.

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