Hamburg. Schrumpfende Mengen, Gifte aus dem Karton oder der Folie in Lebensmitteln, mehr Luft als Inhalt: „Verpackungen sind eines der größten Ärgernisse der Verbraucher“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Das fängt bei schwer zu öffnenden Blisterverpackungen an und reicht bis zur Tube Zahnpasta, in der immer der verflixte Rest verbleibt.“ Rund 4,9 Millionen Tonnen Lebensmittelverpackungen werden jährlich in deutschen Haushalten verbraucht. Doch nicht alle sind risikolos und oft ist weniger drin als auf der Verpackung steht. Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was sind Luftpackungen?
Die Packung suggeriert mehr Inhalt als tatsächlich enthalten ist. Typisch dafür sind Kosmetikverpackungen. Die Tiegel mit der Creme stecken in überdimensionierten Schachteln. Noch dreister ist das Bio-Gesundheitspulver Acerola der Firma Dr. Groß verpackt. „Die Dose ist lediglich zu einem Drittel mit dem Vitamin-C-haltigen Pulver gefüllt. Das ist nicht akzeptabel“, sagt Valet. Der Verbraucher werde getäuscht, denn er schließe aus der Größe auf den Inhalt.
Wie viel Luft darf in den Packungen sein?
„Leider zu viel“, sagt Valet. 30 Prozent Luft sind zulässig. „Allerdings gilt das sofort nach der Abfüllung des Produkts. Wenn es durch den Transport weiter zusammensackt, kann der Luftanteil dann bei 50 Prozent liegen, ohne dass man das beanstanden kann“, sagt Valet. Für Kosmetik gibt es eine Sonderregel. Es genügt, wenn der Kosmetiktiegel in Originalgröße auf der Verpackung abgebildet ist. Dann kann die Verpackung wesentlich größer sein. „Oft erfolgt diese Abbildung nur schemenhaft und wird vom Verbraucher gar nicht wahrgenommen“, sagt Valet.
Welche Trends gibt es derzeit bei Mogelpackungen?
„Die ersten Hersteller denken um und geben ihre Strategie auf, den Inhalt immer weiter zu reduzieren, ohne den Preis anzupassen, was zu überdurchschnittlichen Preiserhöhungen führt“, sagt Valet. So hat der Konsumgüterhersteller Henkel die Zahl der Waschladungen (WL) seines Flüssigwaschmittels Persils und anderer Produkte wie Spee jetzt wieder von 15 auf 20 WL erhöht. Zuvor war das Produkt seit 2011 Schritt für Schritt von 20 auf 15 WL geschrumpft. „Doch bezogen auf eine Waschladung ist das Produkt um bis zu 26 Prozent teurer geworden“, sagt Valet. Auch bei Mars kommen jetzt wieder mehr Minis in die Tüte. Henkel verweist dazu darauf, dass die alten 15 WL-Packungen von einzelnen Handels-partnern zu besonderen Aktions- preisen verkauft wurden, was für den extremen Preisunterschied gesorgt habe. Warum die Zahl der Waschladungen wieder erhöht wurde, beantwortet Henkel nicht. Armin Valet: „Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo die Menge kaum noch weiter reduziert werden kann.“
Ist in einer Packung immer so viel Inhalt, wie draufsteht?
„Viele setzen das voraus, das ist aber nicht so“, sagt Verbraucherschützer Valet. Da Fertigpackungen wie Schokolade, Buttermilch oder Mehl vom Verbraucher kaum nachgewogen werden, ist das Problem der Unterfüllung kaum bekannt. Eine Tafel Schokolade mit 100 Gramm kann erst beanstandet werden, wenn sie weniger als 91 Gramm wiegt. In der Ein-Kilo-Tüte mit Zucker können bis zu 30 Gramm fehlen. Bei Überprüfungen bei den Herstellern durch das Eichamt muss nur – zum Beispiel auf einer ganzen Palette – durchschnittlich das aufgedruckte Füllgewicht erreicht werden. „Wir fordern aber, dass diese Menge in jeder Packung enthalten sein muss. Bei den modernen Waagen in den Abfüllstraßen kann das kein Problem sein“, sagt Valet.
Wie viel Restmenge darf in der Tube Zahnpasta verbleiben?
„Dafür gibt es keine gesetzlichen Regelungen“, sagt Valet. Ursache seien oft ungeeignete Verpackungsmaterialien. Nach einem Test der Hamburger Verbraucherschützer bleiben bei Zahnpasta bis zu 14 Prozent in der Verpackung hängen und landen ungenutzt im Müll. Das Produkt Aronal schnitt in der Stichprobe am schlechtesten ab. Die geringste unverwertbare Restmenge bei Tuben hatte Parodontax.
Muss in einer Packung sein, was darauf abgebildet ist?
„Verbraucher dürfen nicht in die Irre geführt werden“, sagt Valet. Wenn auf dem Früchtejoghurt echte Erdbeeren in Form eines Bildes abgedruckt sind, müssen auch mindestens sechs Prozent dieser Früchte enthalten sein. „Was draufsteht, muss drin sein. Diesen Grundsatz hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil vom Sommer 2015 festgelegt.“ Doch dagegen werde noch immer verstoßen, zum Beispiel mit einem Instantgetränk von Krüger, das auf der Vorderseite der Verpackung Limetten zeigt. „Enthalten sind aber nur Aromastoffe“, sagt der Verbraucherschützer.
Wie groß muss die Schrift auf den Verpackungen sein?
Die Pflichtangaben wie die Zutaten müssen nur 1,2 Millimeter groß gedruckt werden. „Das ist zu klein, wir hätten uns drei Millimeter große Buchstaben gewünscht“, sagt Valet. Wenn mit „wenig Fett“ oder „wenig Zucker“ geworben wird, muss eine Nährwerttabelle auf der Packung sein. Spätestens ab Ende des laufenden Jahres ist die dann für alle Verpackungen Pflicht. „Leider konnte sich die von uns favorisierte Ampellösung nicht durchsetzen“, sagt Valet. Verbraucher hätten dann auf einen Blick sehen können, ob Zucker oder Fett bei dem Produkt noch im grünen Bereich sind.
Wie kommt Mineralöl in Lebensmittel?
Foodwatch hatte vor zwei Monaten krebsverdächtige Mineralöle in Schoko-Osterhasen gefunden. Zuvor waren aromatische Mineralöle bereits in Grundnahrungsmitteln wie Reis, Grieß und Cornflakes nachgewiesen worden. „Die Verunreinigung durch diese Stoffe kann überall erfolgen“, sagt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch. „Beim Transport des Rohmaterials, bei der Verarbeitung des Produkts durch Schmierstoffe für die Produktionsanlagen und schließlich bei Transport und Lagerung.“ So werden Kakaobohnen in Jutesäcken transportiert, deren Fasern in Mineralöl getränkt werden. Eine weitere Ursache sind Verpackungen aus Recyclingmaterial, die Mineralölrückstände von Druckerfarbe enthalten. Sie können dann auf die Lebensmittel übergehen, insbesondere bei trockenen und lang haltbaren Produkten. Schützen kann man sich durch Umfüllen der Lebensmittel in andere Behältnisse. „Wir fordern, dass die aromatischen Mineralöle überhaupt nicht mehr in Lebensmitteln enthalten sein dürfen“, sagt Wolfschmidt. Das lasse sich durch funktionelle Barrieren wie Innenbeutel oder durch eine Beschichtung der Innenseite erreichen.
Wie bedenklich sind Kunststoffverpackungen für Lebensmittel?
Kunststoffe haben einen Anteil von 61 Prozent bei den Verpackungen. „Sie können unsere Gesundheit enorm belasten“, sagt Marike Kolossa vom Umweltbundesamt. Dabei geht es vor allem um Plastikverpackungen, Folien, Dichtungen von Deckeln sowie Fast-Food-Verpackungen. Letztere werden mit wasserabweisenden poly- und perfluorierten Chemikalien beschichtet, die zu Veränderungen des Cholesterinspiegels und zur Entwicklung von Tumoren führen können. Zwar sind eine Reihe von Materialien wie die Weichmacher Phthalate, die zu Unfruchtbarkeit von Männern führen können, im Kontakt mit fetthaltigen Lebensmitteln verboten. „Aber über die Gefahr der Ersatzstoffe ist noch kaum etwas bekannt“, sagt Kolossa.
Das Problem bei Verpackungen: Gesetzliche Vorgaben wie Grenzwerte gibt es nur für das Ausgangsmaterial, nicht aber für die Entstehung von Abbau- und Reaktionsprodukten, die durch die Kombination verschiedener Materialien herbeigeführt werden. Valet sieht hier die wiederverschließbaren Verpackungen als neues Problem, denn dafür werden Klebstoffe verwendet. Der Hamburger Verbraucherschützer bevorzugt jedenfalls Getränke aus der Glasflasche, auch wenn es bedenkliche Stoffe im Mineralwasser in Kunststoffflaschen zuletzt nicht mehr gab, wie Valet sagt.
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