Hamburg. Kleiner hat es noch keiner geschafft: Von den Ausmaßen her passt die geballte Technik in eine Streichholzschachtel. Und hat darin sogar noch Luft. 29 Millimeter breit, 14 Millimeter hoch und 43 Millimeter tief ist der kleinste optische Fingerabdruckscanner der Welt – und er ist made in Hamburg. Dermalog brachte den LF1 nach zwei Jahren Entwicklungszeit vor Kurzem auf den Markt. „Wir haben schon ein paar Tausend Stück davon verkauft“, sagt Geschäftsführer Günther Mull über die Innovation des Biometriespezialisten.
Das 19-Gramm-Leichtgewicht besteht aus einer Platine und einem optischen Sensor. Der Nutzer legt auf das 13 mal 17 Millimeter große Aufnahmefenster einen Finger, dessen Profil dann gescannt wird. Die Optik ist der entscheidende Punkt für die Größe des Geräts, weil eine gewisse Fläche notwendig ist, um die Finger zu identifizieren. Die Bildqualität ist so hoch, dass der Abdruck in Sekundenschnelle auch in sehr großen Datenbanken erfolgreich auf Treffer überprüft werden kann. Selbst wenn der Finger nass oder trocken ist. Betrügern wird ein Riegel vorgeschoben, weil das System sogar erkennt, ob der Finger zu einem lebenden Menschen gehört, oder ob es sich etwa um eine Attrappe handelt.
Für die Erfindung gibt es eine Reihe von Anwendungsmöglichkeiten und Endgeräte, in die sie eingebaut werden kann: Geldautomaten, mobile Bezahlsysteme wie sie an Supermarktkassen oder in Restaurants vorkommen, Laptops, Handys, Sicherheitsschranken und Türschlösser. In China, Singapur, Brunei und Chile kommt die Technik aus Hamburg schon zur Anwendung. „Unser Ziel ist, dass das Merken von PIN-Nummern und Passwörtern bald der Vergangenheit angehört“, sagt der 62 Jahre alte Mull, der das Unternehmen mit Sitz am Mittelweg vor 20 Jahren gründete.
Im Februar 2014 feierte Dermalog den größten Auftrag der Firmengeschichte. Für 50 Millionen Dollar (45 Millionen Euro) kaufte Nigeria ein System zur Identifikation aller Bankkunden per Fingerabdruck. Vor wenigen Tagen wurde der Auftrag abgeschlossen. Alles lief planmäßig. „Nigeria war eine sehr positive Überraschung“, sagt der studierte Humanbiologe. Fünf große Flugzeugladungen schickte das Unternehmen gen Afrika. 30.000 Fingerabdruckscanner wurden geliefert, die in 5000 Bankfilialen stehen. Aus dem Nichts heraus sammelten sie in knapp eineinhalb Jahren die Daten von 15 Millionen Kunden. „Die Registrierung ist Pflicht für alle Bankgeschäfte. Das System funktioniert sehr gut“, sagt Mull. Und es biete auch bildungsfernen Schichten, die weder schreiben noch lesen können, Zugang zum Wirtschaftsleben.
Neben den Scans aller zehn Finger wurden bei den Nigerianern auch die Gesichter gefilmt. Es ist eine weitere Neuheit. Dermalog erweiterte seinen Hauptumsatzbringer Automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem (Afis). Seit Jahresanfang wird sogar das Erkennen der Augeniris angeboten. Dabei kann es allerdings noch zu Anwenderfehlern kommen, da die Iris mit einer Kamera schwierig aufzunehmen ist. An eine mexikanische Behörde wurde das Automatisierte Biometrische Abdruckidentifizierungssystem (Abis) bestehend aus Finger-, Gesichts- und Iriserkennung schon verkauft.
Die Innovationen sollen dafür sorgen, dass Dermalog weiter auf Wachstumskurs bleibt. Die Mitarbeiterzahl stieg in 18 Monaten von 130 auf aktuell rund 170, davon arbeiten 150 in Hamburg. Ein Drittel von ihnen ist in Forschung und Entwicklung tätig. Weil die alte Firmenzentrale aus allen Nähten platzte, wurden und werden neue Räume in der Nachbarschaft angemietet. Von zuletzt 1400 Quadratmetern soll sich die Fläche bis September verdoppelt haben.
Kräftige Zuwächse gab es auch bei den Erlösen. Im vergangenen Jahr schnellte der Umsatz vor allem dank des Großauftrags aus Nigeria, der über drei Jahre in die Bilanz eingeht, um 37 Prozent auf 37,1 Millionen Euro in die Höhe. Rund zwei Millionen Euro wurden verdient. „2015 erwarten wir ein deutliches Plus beim Gewinn und eine leichte Steigerung beim Umsatz“, sagt Mull, dem das Unternehmen zusammen mit seiner Frau zu 77,5 Prozent gehört. Dritter Gesellschafter ist die Bundesdruckerei.
Mehr als jeden zweiten Euro nehmen die Rothenbaumer übrigens in Asien ein. Auch Lateinamerika und der schwarze Kontinent kurbeln den Umsatz an. „Wir haben eine ganz stark gestiegene Nachfrage in Afrika“, sagt Mull, dessen Technik bei Grenzkon-trollen, Pass-, Ausländer- und Einwohnermeldebehörden eingesetzt wird.
Europa und Deutschland spielen hingegen nur eine kleine Rolle. In der Bundesrepublik werden zwei Prozent der Erlöse erzielt. Am Hamburger Flughafen hinterlassen Passagiere beispielsweise ihre Fingerabdrücke auf Dermalog-Geräten. An die Einwohnermeldeämter und die Ausländerbehörde lieferte die Firma seit 2007 mehr als 20.000 Fingerabdruckscanner. Traditionell seien die Deutschen skeptisch gegenüber der Biometrietechnik, auch wenn es mit Datenschützern keine Probleme gebe, sagt Mull: „Wir sprechen auch in Deutschland mit Banken, aber es läuft hier ein bisschen langsamer als im Rest der Welt. Ich bin zuversichtlich, dass sich hier bald etwas tut.“
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