Basel/Hamburg. Volker Mester
Die Veröffentlichung von Namen möglicher Steuerbetrüger aus Deutschland und anderen Ländern durch die Schweizer Behörden sorgt im Norden für deutliche Kritik. Die Finanzminister von Niedersachsen und Schleswig-Holstein betonten am Dienstag, ein solches Vorgehen sei mit dem deutschen Steuergeheimnis nicht vereinbar.
Konkret wird im Internetportal des Schweizer Bundesblatts seit einiger Zeit mitgeteilt, im Fall welcher Personen oder Firmen die eidgenössische Steuerverwaltung gerade Amtshilfe für ausländische Behörden leistet. Die meisten Betroffenen, darunter beispielsweise Deutsche, Niederländer, Spanier oder Russen, werden dabei mit vollem Namen genannt, US-Bürger und Israelis hingegen lediglich mit Initialen. Die Fälle reichen teilweise bis ins Jahr 2010 zurück.
Schleswig-Holstein will Namen aus Schweizer Bundesblatt überprüfen
Von einem „sehr ungewöhnlichen Vorgehen“, sprach Schleswig-Holsteins Finanzministerin Monika Heinold (Grüne). „In Deutschland lässt das Steuergeheimnis ein solches Verfahren nicht zu.“ Es gelte natürlich nach wie vor die Unschuldsvermutung. „Aber von Amts wegen werden wir prüfen, ob Namen von Steuerpflichtigen aus Schleswig-Holstein im Schweizer Bundesblatt auftauchen“, so Heinold.
„Nachdem die Schweiz über Jahrzehnte durch entsprechende Kontengestaltung quasi Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet hat, marschiert sie jetzt in die genau entgegengesetzte Richtung“, kritisierte Niedersachsens Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD). Es trage aber auch jeder, „der jetzt am Pranger steht“, selbst ein gutes Stück Verantwortung dafür, so Schneider. Er rechne damit, dass auch Niedersachsen auf der Liste stünden.
Deutlich zurückhaltender als seine Kollegen äußerte sich Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher. Eine rechtliche Bewertung der Vorgänge in der Schweiz lehnte der SPD-Politiker ab. „Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt“, erklärte er allgemein. „Die Hamburger Steuerverwaltung verfolgt alle Hinweise auf möglichen Steuerbetrug konsequent und nutzt dabei selbstverständlich auch solche Daten, die von der Schweiz zur Verfügung gestellt werden.“ Nach Auskunft seiner Behörde ist die Hamburger Steuerverwaltung von den Vorgängen aber ohnehin kaum betroffen, da in den vergangenen beiden Jahren gerade einmal drei Amtshilfeersuchen an die Schweiz gerichtet wurden. Da die Schweizer ausschließlich auf Initiative der deutschen Behörden tätig würden, könnten in den Veröffentlichungen eigentlich keine Namen auftauchen, die in der Bundesrepublik nicht ohnehin schon bekannt seien, erklärte ein Sprecher. Eine Überprüfung der Namen erübrige sich daher.
Die Schweizer Steuerverwaltung ESTV verteidigte am Dienstag die eigene Praxis. Veröffentlicht würden Namen und andere personenbezogene Daten nur, wenn vorher alle Versuche gescheitert seien, Kontakt zu den mutmaßlichen ausländischen Steuersündern aufzunehmen, erklärte Behördensprecher Beat Furrer. Man wolle den Betroffenen auf diese Weise Gelegenheit geben, Rechtsmittel gegen die Gewährung von Amtshilfe einzulegen. „Das entspricht unseren Schweizer Grundrechten.“
In der Schweiz regelt ein Gesetzdie Veröffentlichung der Daten
Der Schweizer Datenschutzbeauftragte Hannspeter Thür hat an der Praxis nichts zu beanstanden. Sein Sprecher Francis Meier wies auf Anfrage darauf hin, dass die Grundlage dafür ein vom Parlament gebilligtes Bundesgesetz sei. Es regele ein dreistufiges Verfahren zur Ermittlung der betroffenen Person: Erstens werde sie direkt kontaktiert, sofern Kontaktdaten vorliegen. Gebe es diese nicht, werde zweitens ihre Bank aufgefordert, die Person zu informieren. Sehe die Bank dazu keine Möglichkeit mehr, erfolge im dritten Schritt die Veröffentlichung der entsprechenden Aufforderung im Amtsblatt.
Nach Einschätzung des Hamburger Steuerrechtsanwalts Michael Olfen steckt die Schweiz hier in einem klassischen Dilemma. „Auf der einen Seite ist die Steuerverwaltung dazu angehalten, die Betroffenen anzuhören und nichts unversucht zu lassen, um mit ihnen in Kontakt zu treten. Auf der anderen Seite wird mit der Veröffentlichung der Daten im Netz das Steuergeheimnis Deutschlands und das anderer Staaten verletzt.“
Aus Olfens Sicht könnte die Veröffentlichung unangenehme Folgen für diejenigen Steuersünder haben, die gerade dabei sind, eine strafbefreiende Selbstanzeige zu stellen. „Wenn persönliche Daten erst einmal im Internet stehen, dann kann von der notwendigen Freiwilligkeit bei einer Selbstanzeige natürlich nur noch bedingt die Rede sein“, gibt er zu bedenken. Dennoch empfiehlt er, in jedem Fall an der Selbstanzeige festzuhalten, da dies im Fall eines Verfahrens immer noch die beste Ausgangsposition sei.
Der Hamburger Steuerrechtsanwalt Klaus Landry hält es für durchaus denkbar, dass sich auf den Listen der Schweizer auch Personen befinden, die zwar ein Konto in der Schweiz hatten, ihre Steuern in Deutschland aber immer korrekt bezahlt haben. Die Betroffenen haben aus seiner Sicht die Möglichkeit, in der Schweiz Rechtsmittel gegen die Veröffentlichung ihrer Daten einzulegen.
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