Erstmals seit acht Jahren steigt der Verbrauch wieder. Kleine Hamburger Brauereien treffen den Geschmack.

Hamburg. Nussige Aromen oder ein Hauch von Karamell – diese blumigen Beschreibungen nehmen heute immer mehr Brauer in den Mund, wenn sie über ihre Biere sprechen. Auch in Hamburg verschreiben sich inzwischen zahlreiche Anbieter dem Craft Beer, also handwerklich hergestellten Bieren, die sich von der Industrieware abheben sollen. Neuester Zugang der Szene ist der Hamburger Senatsbock. Vor wenigen Tagen haben Gröninger, Joh. Albrecht, Blockbräu, die Kehrwieder Kreativbrauerei und Ratsherrn zum Anstich auf der „Rickmer Rickmers“ eingeladen und präsentierten ihr neues dunkles Bockbier. Anschließend folgte der Anstich in den Gasthäusern der Brauereien.

Neben dem Senatsbock kommen neue Sorten wie Hamburger Weißbier oder Prototyp aus der Hansestadt und entwickeln sich zu Kultdrinks, die oft zu hohen Preisen in der Schanze oder auf St. Pauli angeboten werden. Aber auch Holsten bietet mit seiner Brauwelt an der Holstenstraße Craft-Biere an, etwa „Erntebier“ oder „Sommerpils“. Wie so viele Trends hat die wachsende Genussszene ihre Vorbilder in den USA. Auch dort bevölkern immer mehr Manufakturen den Biermarkt und etablieren neue Geschmacksrichtungen, also Marken, die fruchtiger schmecken oder auch bitterer sind.

Die Revolutionäre unter den Brauern sorgen mit ihren Imagekampagnen für eine neue Trinkkultur rund um Hopfen und Malz – und beflügeln damit die Verkäufe in der gesamten Branche: So gab es beim Bierabsatz in Deutschland 2014 ein Plus von einem Prozent auf 95,6 Millionen Hektoliter, meldete das Statistische Bundesamt in Wiesbaden. Erstmals seit 2006 ist der Bierverbrauch auch pro Kopf damit wieder gestiegen – auf nunmehr rund 107 Liter je Bundesbürger.

Zu dem positiven Ergebnis für die Anbieter beigetragen haben aber auch das stabile Konsumklima, das gute Wetter im Frühling und Frühsommer sowie die Umsatzimpulse durch die Fußball-Weltmeisterschaft mit dem Titelgewinn für die deutsche Nationalmannschaft. Zudem brachte der Export Dynamik, besonders in China und den Vereinigten Staaten werden deutsche Biere immer beliebter. „Insgesamt gehen die deutschen Brauer zufrieden und optimistisch ins neue Jahr“, so der Präsident des Deutschen Brauer-Bundes (DBB), Hans-Georg Eils.

Impulse setzte auch die wachsende Lust der Verbraucher auf alkoholfreie Biere, deren Absatz 2014 im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen ist. Alkoholfreie Biere werden ebenfalls nach dem seit fast 500 Jahre geltenden Reinheitsgebot gebraut, bestehen ausschließlich aus natürlichen Zutaten und werden wegen ihrer oftmals isotonischen Eigenschaft besonders bei Sportlern immer beliebter. „Voraussichtlich haben wir 2014 bei alkoholfreien Bieren erstmals die Fünf-Millionen-Hektoliter-Marke überschritten“, sagte DBB-Hauptgeschäftsführer Holger Eichele.

Mit neuen Spezialitäten ist auch der größte Anbieter in Hamburg, die Carlsberg Brauerei, erfolgreich. „Bei uns erfreuen sich ebenfalls alkoholfreie Produkte wie Holsten Alkoholfrei und die Holsten Fassbrause zunehmender Beliebtheit“, sagte eine Firmensprecherin des dänischen Konzerns, der 2004 die Holsten-Brauerei übernommen hatte.

Aber auch die Klassiker laufen gut. Nach einigen weniger erfolgreichen Jahren habe es die Marke Holsten als erste Biermarke geschafft, die Ein-Million-Hektoliter-Marke wieder zu durchbrechen, nachdem man diese Grenze zuvor noch unterschritten hatte. „Das ist bis dato keiner anderen Biermarke gelungen, worauf wir sehr stolz sind“, sagte die Sprecherin.

Auch Astra entwickele sich im Rahmen der Expansionsstrategie mehr und mehr zu einer nationalen Marke. Astra spreche außerhalb des Kernmarktes vor allem junge Leute an. „Besonders erfolgreich ist die Marke in westdeutschen Studentenstädten, wo das Volumen teilweise um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden konnte.“

Der Branchenverband rechnet damit, dass sich auf dem deutschen Biermarkt 2015 der Trend zu mehr Vielfalt, zu Regionalität und zu neuen Angeboten gerade auch im Premiumbereich fortsetzen wird. „Wir erleben gegenwärtig eine Renaissance des Bieres und eine Renaissance des Brauens“, sagte Eichele. „Alte Rezepturen und neue Bierstile bereichern die ohnehin schon große Vielfalt von etwa 5000 Biermarken. Jeden Tag kommen neue Biere hinzu, gebraut mit höchster Qualität, um die uns die ganze Welt beneidet.“ Die Vielfalt ist auch Folge einer wachsenden Zahl von Anbietern: Die Zahl kleiner Braustätten hat sich seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik von 494 auf 924 fast verdoppelt.

Auch auf der Internorga spielen die Kreativbrauer eine immer größere Rolle

Auch bei der diesjährigen Internorga in Hamburg wird das Thema der neuen Premium- und Manufakturkreationen großgespielt. „Wir sind ursprünglich von zehn bis zwölf Brauereien ausgegangen, die sich in unserer Craft Beer Arena präsentieren. Aufgrund der großen Nachfrage haben wir die Fläche zwischenzeitlich erweitert“, sagt Claudia Johannsen, Geschäftsbereichsleiterin bei der Hamburg Messe und Congress GmbH. Denn inzwischen hätten sich für März 16 handwerkliche Brauer angemeldet, kleinere und größere Unternehmen.

Direkt aus Hamburg sind unter anderem die Anbieter Von Freude und die Kreativbrauerei Kehrwieder von Biersommelier-Weltmeister Oliver Wesseloh auf der Messe im März dabei. Und auch aus dem Ausland sind Craft-Brauer vertreten – Coisbo Beer aus Dänemark und brew dog aus Schottland wollen auf der Ausstellung die Kunden dazu anregen, auf den Geschmack der neuen Biere zu kommen. Dass sie das in Hamburg tun, hat übrigens Tradition: Schon im 12. Jahrhundert wurde die Hafenstadt als „Brauhaus der Hanse“ bezeichnet. Damals gehörte Bier zu den wichtigsten Handelsgütern an der Elbe. Die neuen Kreativen unter den Brauern könnten nun dafür sorgen, dass Hamburg erneut zur Bierstadt wird.