Aufbau von Anlagen soll von 2016 an über Ausschreibungen erfolgen. Branche befürchtet Bürokratie und Verzögerungen.

Hamburg. Der Markt der Windenergie wird riskanter für die Investoren und Betreiber der Anlagen. Die Bundesregierung will erreichen, dass die Kosten für die Förderung erneuerbarer Energien mittelfristig sinken – und dass sie kurzfristig zumindest nicht weiter steigen. Ein neues Instrument, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) zu diesem Zweck plant, ist die Einführung von Ausschreibungsverfahren. De facto werden dies Versteigerungen sein, bei denen derjenige den Zuschlag für die Errichtung neuer Windturbinen erhält, der das günstigste Angebot macht.

Die Windkraftbranche in Hamburg lehnt den Umstieg vom heutigen Verfahren auf Ausschreibungen strikt ab. „Das Ausschreibungsverfahren könnte eine radikale Marktbereinigung zur Folge haben, bei dem vor allem die kleinen Projektträger wie Bürgerwindparks auf der Strecke bleiben“, sagt der Windkraftunternehmer Jens Heidorn, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundesverbandes Windenergie (BWE) in Hamburg. „Dann fiele der deutsche Windkraftmarkt in die Hände vor allem von Großunternehmen und Finanzinvestoren.“ Die Zeit drängt, denn Projekte für den Aufbau von Windanlagen benötigen einen langen Vorlauf: „Details über Kriterien zu Preisen oder Qualitätsvorgaben bei Ausschreibungsverfahren gibt es für die Windkraft bislang nicht“, sagt Axel Röpke, Landesvorsitzender des BWE in Hamburg.

Bislang läuft es so: Wer die erforderlichen kommunalen Genehmigungen für den Aufbau einer Wind- oder Solaranlage erhalten hat, kann sein „grünes“ Kraftwerk installieren und ans Netz bringen. Für die Einspeisung von Ökostrom bekommen die Betreiber der Kraftwerke vom Netzbetreiber eine für 20 Jahre festgelegte und mit der Zeit sinkende Vergütung. Vor allem bei der Windkraft und bei der Fotovoltaik löste das in den vergangenen 15 Jahren einen Boom aus. Mehr als ein Viertel des in Deutschland erzeugten Stroms stammt mittlerweile aus Ökokraftwerken.

Allein an Landstandorten in Deutschland sind inzwischen rund 25.000 Windturbinen installiert, hinzu kommen die Offshore-Windparks auf See mit bislang einigen Hundert Anlagen. Das allerdings sorgt für wachsenden politischen Druck. Denn die Gesamtsumme der Vergütungen stieg über Jahre auf zweistellige Milliardenbeträge. Der durchschnittliche Stromkunde zahlt diesen Betrag mit jedem Stromverbrauch ab. Die sogenannte EEG-Umlage auf den Strompreis beträgt in diesem Jahr 6,17 Cent je Kilowattstunde. Um den Ausbau von Ökoenergien besser zu regulieren und um die Summe der Einspeisevergütungen zu begrenzen, soll es künftig einen Rahmen für die jährlich neu installierbare Leistung geben. Ein wichtiges Werkzeug dabei werden Ausschreibungsverfahren sein. Am Markt für Fotovoltaik will die Bundesregierung in diesem Jahr mit einem Pilotprojekt beginnen. Im kommenden Jahr soll die Ausschreibungspflicht auch für Windkraftwerke eingeführt werden.

Mit rund 10.700 installierten Windturbinen ist Norddeutschland die leistungsstärkste Region bei der Energiewende in Deutschland. Ein großer Teil dieser Anlagen steht in sogenannten Bürgerwindparks, Zusammenschlüssen kommunaler Investoren. Die Bindungen solcher Projekte an Dörfer und Städte ist eng, weil die Betreiber vor Ort unmittelbar von der wirtschaftlichen Wertschöpfung profitieren. Die Einführungen von Ausschreibungen aber bringt aus Sicht der Branche wirtschaftliche Risiken mit sich, die viele kommunale Betreiber nicht tragen können: „Man kann eine Windturbine erst bestellen, wenn man eine Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz besitzt“, sagt Heidorn, im Hauptberuf Geschäftsführer des Windparkentwicklers und -betreibers NET. „Eine solche Genehmigung kostet einen Projektplaner schon bei zwei großen Anlagen eine Vorleistung von ohne Weiteres 150.000 Euro.“ Unsicherheiten in Bezug auf das kommende Ausschreibungsverfahren seien für die Branche deshalb ein erhebliches wirtschaftliches Risiko. Man benötige zuerst eine Genehmigung, um überhaupt an einer Ausschreibung teilnehmen zu können.

Auch die Hersteller von Windturbinen fürchten die geplante Umstellung des grundlegenden Marktmechanismus: „Wir verkaufen jetzt schon Anlagen für die Installation im Jahr 2016“, sagt Kai Froböse, Deutschland-Chef des Hamburger Unternehmens Senvion. „Deren Strom wird nach den Regeln der EEG-Novelle vom August 2014 vergütet. Die Vergütung für Installationen ab 2017 ist noch unklar. Die Branche braucht zügig Rechtssicherheit.“ Allerdings weiß auch die Industrie, dass der politisch gewollte Ausbau der erneuerbaren Energien und die damit verbundenen Kosten sorgfältig austariert werden müssen. „Natürlich müssen wir als Hersteller die Kosten weiterhin senken – wir müssen dazu aber auch wissen, in welchem rechtlichen und ökonomischen Rahmen dies geschehen soll“, sagt Froböse. „Wir planen unser Geschäft zwei bis fünf Jahre im Voraus, dabei sind stabile und langfristige Rahmenbedingungen unerlässlich.“ Rund ein Drittel des Umsatzes bei Senvion entfielen laut Froböse 2014 auf den deutschen Markt.

Aus Sicht der Windkraftbranche sind die für 2015 und 2016 geplanten Pilotversuche für Ausschreibungen von Solarkraftwerken ungeeignet, um daraus Rückschlüsse für den Windmarkt zu ziehen. Solaranlagen haben einen wesentlich kürzeren Vorlauf bei Planung, Genehmigung und Aufbau als Windturbinen.

Auch hätten sich Ausschreibungsverfahren für Windparks in anderen Ländern als teuer und ineffizient erwiesen. Die Windkraftwirtschaft hofft auf politische Debatten, um Ausschreibungsverfahren in ihrer derzeit geplanten Form zu verhindern: „Das wichtigste Gut der Energiewende, wirtschaftliche Dezentralität und Bürgerbeteiligung“, sagt Heidorn „wäre von solch einer Entwicklung akut bedroht.“