Umweltorganisation Nabu wirft Senat Untätigkeit bei der Umsetzung europäischer Gesetze vor. Elbvertiefung bleibt zentrales Konfliktthema

Hamburg. Die geplante Vertiefung und Verbreiterung der Elbe war das große Konfliktthema zwischen den Umweltverbänden in Hamburg und dem Senat in der nun endenden Legislaturperiode. Das Projekt wird die streitenden Parteien auch nach der Bürgerschaftswahl am kommenden Sonntag beschäftigen, denn noch stehen die entscheidenden Gerichtsurteile aus. Aber nicht nur die Anpassung der Fahrrinne weist nach Ansicht der Umweltorganisation Nabu in die falsche Richtung, sondern die Gewässerpolitik des Senats grundsätzlich: „Im Jahr 2000 haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union einstimmig darauf geeinigt, ihre Oberflächengewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Dieses Versprechen hat Hamburg gebrochen – an der Tideelbe, aber auch an anderen Gewässern in der Stadt“, sagte Alexander Porschke, Vorsitzender des Nabu Hamburg und früherer Umweltsenator der Hansestadt, dem Abendblatt. „Hamburg muss endlich, in Kooperation mit den Nachbarländern, die großen Maßnahmen in Angriff nehmen, die zur ökologischen Verbesserung der Gewässer nötig sind“, sagte Porschke. Betroffen von der EU-Wasserrahmenrichtlinie seien in der Hansestadt insgesamt 32 Oberflächengewässer; dazu zählen neben Fließgewässern wie Elbe und Alster auch Seen sowie die Küstengewässer um die Hamburger Nordseeinseln Neuwerk und Scharhörn an der Elbmündung.

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU sieht vor, die europäischen Gewässer in drei so genannten Bewirtschaftungszeiträumen von je sechs Jahren zwischen 2009 und 2027 in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen. Die Kriterien für die erwünschten Zustände werden für jede Region quantitativ und qualitativ definiert. Für die Tideelbe geht es dabei zum Beispiel um den Salzgehalt, der vom Wassereintrag in den Fluss durch die Gezeiten ebenso beeinflusst wird wie die Menge an Schwebstoffen. Eine größere Fahrrinne verstärkt den Eintrag von Salz und Schlick in die Elbe. An der Oberelbe südlich von Hamburg wiederum spielt vor allem der Eintrag von landwirtschaftlichen Düngestoffen in den Fluss eine negative Rolle, der das Wachstum von Algen verstärkt. Das wiederum begünstigt das Fischsterben im Fluss. Kern der Wasserrahmenrichtlinie ist es, dass sich die Qualität des jeweiligen Gewässers verbessern muss und sich zugleich nicht verschlechtern darf.

Das Verbesserungsgebot und das Verschlechterungsverbot sind derzeit zentrale Streitpunkte beim juristischen Ringen um die Elbvertiefung und -verbreiterung. Die Planungsbehörden Hamburgs und des Bundes können nicht ausschließen, dass sich die Gewässerqualität an der Unterelbe durch die Erweiterung der Fahrrinne zumindest geringfügig verschlechtert. Deshalb beantragten sie im laufenden Gerichtsverfahren am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Ausnahmeregelung für ihr Planfeststellungsverfahren. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Lexemburg legt in den kommenden Monaten eine Interpretation der Wasserrahmenrichtlinie vor, damit das Leipziger Verfahren fortgeführt werden kann. Geklagt hatten in Leipzig die Umweltverbände Nabu und BUND. Die Bundesverwaltungsrichter hatten den EuGH im Falle der geplanten Weservertiefung um eine Präzisierung des Gewässerrechts gebeten. Diese Präzisierung soll auch für den weiteren Verlauf des Hamburger Verfahrens abgewartet werden.

„Wir wissen nicht, wann und mit welchem Ergebnis der Europäische Gerichtshof seine Interpretation vorlegt“, sagt Porschke. „Klar ist aber: Eine Ausnahmegenehmigung und eine mögliche Verschlechterung der Gewässerqualität wären ein rückwärts gewandtes Signal. Im Gegenteil wäre die Verbesserung der Gewässerqualität ein deutlicher Vorteil auch für die Wirtschaft – denn dadurch entstünde im positiven Sinne Spielraum, um die Elbe durch Baumaßnahmen ökologisch auch einmal belasten zu können.“ Scharf kritisierte Porschke die Einordnung des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD), die bevorstehende Auslegung des EuGH zum Gewässerrecht sei eine „schicksalhafte“ Entscheidung für ganz Europa: „Es geht bei der Fahrrinnenanpassung nicht um ,Schicksalsentscheidungen‘“, sagte Porschke, „sondern ganz grundsätzlich um die Umsetzung eines seit Jahren geltenden europäischen Rechts.“