Hamburger Aktienexperten erhöhen ihre Börsenprognosen für 2015. Zwischenzeitlich seien auch Abwertungen möglich

Hamburg. Dem deutschen Aktienmarkt haben die Folgen der Parlamentswahl in Griechenland nichts anhaben können: Der Leitindex DAX hat seit dem Jahresbeginn um mehr als 1000 Punkte zugelegt und ist in dieser Woche zeitweise bis auf rund 30 Punkte an die Marke von 11.000 Zählern herangerückt. Die Hamburger Titel haben ein historisches Datum gerade hinter sich – am Freitag voriger Woche notierte der HASPAX erstmals oberhalb von 3000 Punkten.

Auch wenn der Deutsche Aktienindex (DAX) zuletzt wieder etwas nachgab, haben sich selbst die Prognosen der Optimisten für 2015 bereits nach weniger als sechs Wochen fast alle schon erfüllt. Selbst nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza in Griechenland, das mit einem Austritt des Landes aus der Währungsunion gedroht hatte, setzte sich der Höhenflug der Kurse bald fort.

Angetrieben werde die rasante Aufwärtsbewegung vor allem von der Europäischen Zentralbank (EZB), sagt Haspa-Chefvolkswirt Jochen Intelmann. EZB-Präsident Mario Draghi hatte verkündet, vom März an bis September 2016 insgesamt mehr als 1,1 Billionen Euro für Anleihekäufe aufzuwenden. Praktisch bedeutet das: Die Notenbank druckt Geld, um die Konjunktur anzukurbeln. Als Reaktion auf den EZB-Beschluss sind die Renditen von Staatsanleihen auf neue historische Tiefstände gefallen. „Wer als Investor noch Rendite erzielen will, kommt an dividendenstarken Aktien nicht vorbei“, so Intelmann.

Zudem hätten sich die Perspektiven für deutsche Unternehmen unter anderem wegen der Euro-Schwäche und des niedrigen Ölpreises aufgehellt Tatsächlich ist der Geschäftsklima-Index des Münchner Ifo-Instituts zuletzt drei Monate in Folge gestiegen.

„Von Juni bis November 2014 haben wir eine Abflachung der Konjunktur gesehen, aber das hat sich jetzt umgekehrt“, sagt Christian Jasperneite, Anlagechef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg & CO. „Der deutlich gefallene Euro-Kurs hilft deutschen Unternehmen, die besonders viel außerhalb der Euro-Zone verkaufen, stärker als denen aus anderen Staaten der Währungsunion.“ Vor diesem Hintergrund hat M.M.Warburg die Jahresendprognose für den DAX jetzt hochgesetzt – von 10.900 auf 11.600 Punkte.

Noch kräftiger hat das Bankhaus Donner & Reuschel mit Sitz in Hamburg und München die eigene Prognose korrigiert. Erwartete man bisher, dass der Leitindex zum Jahresultimo bei 10.500 Punkten notiert, sieht man ihn nun bei 12.000 Zählern. Doch zunächst dürfte es nach Einschätzung von Carsten Mumm, dem Leiter für Vermögensanlage bei Donner & Reuschel, erst einmal abwärts gehen. „Der Markt ist unter technischen Gesichtspunkten sehr überkauft, das schreit eigentlich nach einer Konsolidierung“, sagt Mumm. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir innerhalb der nächsten Wochen einen Rücksetzer sehen werden, aber das Verlustpotenzial ist begrenzt.“

Tiefer als auf 10.500 oder 10.300 Punkte dürfte der DAX nach Auffassung des Experten nicht fallen. „Es sprechen weiter viele Faktoren für die Aktien“, erklärt Mumm. „Allein schon aufgrund der Börsenpsychologie sollte es nicht zu einem wirklich kräftigen Einbruch kommen: Die Stimmung ist weit von einer Euphorie entfernt.“ Viele Investoren seien derzeit eher skeptisch, ob sich die Aufwärtsbewegung der Kurse fortsetzen kann.

Auch Jasperneite ist überzeugt, dass sich der Markt bei einer Abwärtsbewegung schnell wieder fängt. „Es gibt noch zahlreiche Großanleger, deren Aktienquote eigentlich zu gering ist“, sagt er. „Diese Investoren warten nur auf günstige Kaufgelegenheiten.“

Haspa-Analyst Intelmann glaubt ebenfalls, dass der DAX zunächst nicht weiter deutlich steigen wird. Unklar sei aber, ob es tatsächlich zu einer Korrektur kommt, die den Standardwerteindex 500 bis 800 Punkte kosten könnte. „Möglich ist auch, dass sich der DAX für einige Wochen seitwärts bewegt“, so Intelmann. Die Haspa hat zwar ihre Jahresendprognose – sie lautet auf 10.500 bis 11.000 Punkte – bisher unverändert gelassen. Intelmann schließt aber nicht aus, dass das Börsenbarometer weit über diese Marke hinaus klettert. Gemessen an den Kennzahlen aus früheren „Übertreibungsphasen“ könne der DAX durchaus bis auf 13.000 Zähler hochschießen.

Ergebe sich die Chance zu einem relativ günstigen Einstieg, halten die Analysten der Haspa Versicherungstitel wie etwa Münchener Rück und Allianz wegen der Dividendenrendite oberhalb von vier Prozent für attraktiv. Mit Titeln der Deutschen Telekom erziele man eine Dividendenrendite von deutlich mehr als drei Prozent.

Christian Jasperneite hingegen empfiehlt Aktien aus den Sektoren Konsum und Touristik, die von der guten Beschäftigungslage in Deutschland profitierten. Beispiele für solche Konsumwerte seien die Papiere der Bekleidungsunternehmen Gerry Weber und Boss. Titel des Hamburger Kosmetikkonzerns Beiersdorf seien zwar „schon sehr teuer“. Dennoch stehen sie bei den Warburg-Analysten weiter auf der Kaufliste, das Kursziel wird für den Nivea-Hersteller mit 86 Euro angegeben. Die Resultate für 2014 sollten das positive Bild des Konzerns untermauern, heißt es.

Während der DAX seit Jahresanfang 2015 bis zum Freitagnachmittag um 10,9 Prozent zulegte, kam der HASPAX nahezu im gleichen Tempo um 10,8 Prozent voran. Der MDAX, der besonders viele exportorientierte Unternehmen und etliche Hamburger Aktien enthält, befestigte sich um 12,2 Prozent.

Überdurchschnittlich kräftig zogen die Anteilsscheine von Beiersdorf um 15,5 Prozent an. Aktien des Windkraftanlagenbauers Nordex verteuerten sich seit Anfang Januar um 19,4 Prozent und die Titel der TAG Immobilien sogar um 22,9 Prozent. Gegen die Tendenz verloren Papiere des Laserspezialisten Rofin Sinar um 9,0 Prozent an Wert.