Das private Auro teilen: Über Plattformen wie Drivy können Autobesitzer ihre Fahrzeuge anderen Nutzern zur Verfügung stellen.

Hamburg. Während Sophie Hoffmann wochentags in der Uni ist, soll ihr Auto künftig zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts beitragen. Die 27 Jahre alte Doktorandin ist eine von 26 Autobesitzern, die sich zum Start eines neuen Carsharing-Anbieters in Hamburg auf dessen Internetplattform angemeldet haben. Drivy heißt das 2010 in Frankreich gegründete Start-up, das seit November vergangenen Jahres einen Firmensitz in Berlin hat und dessen Angebot nun auch in der Hansestadt verfügbar ist.

Das Prinzip: Private Autobesitzer bieten ihre Fahrzeuge für einen Tagesfestpreis zur Vermietung an. Wer ein Auto braucht, kann per App, über die Homepage oder telefonisch mit den Besitzern in Kontakt treten. Mieter und Vermieter treffen sich zur Autoübergabe, unterschreiben einen Vertrag, und nach der Fahrzeugrückgabe können Bewertungen abgegeben werden.

Drivy unterscheidet sich mit seinem Konzept von Fahrdiensten wie sie etwa die umstrittene US-Firma Uber anbietet, die Autos samt Fahrer per App vermittelt. Die Hamburger Verkehrsbehörde hatte Uber zuletzt, wie zuvor schon dem vergleichbaren Anbieter Wundercar, den Dienst in der Stadt gerichtlich untersagen lassen. Der Grund: Die in San Francisco gegründete Firma habe keine Genehmigung für die Personenbeförderung. Zuvor hatten Taxifahrer gegen die Konkurrenz demonstriert.

Generell steigt in Deutschland die Bereitschaft, Dinge – gerade auch solche mit hohem finanziellen und persönlichen Wert – zu teilen. Dass Privatleute ihre Wohnungen über das Internet an Fremde vermieten, ist spätestens seit der Gründung des kalifornischen Unternehmens Airbnb, das seit vier Jahren auch ein Büro in Hamburg hat, nichts Besonderes mehr. Während Autos früher als Statussymbole galten, verzichten inzwischen viele, vor allem junge Leute auf eigene Fahrzeuge. Groß ist entsprechend der Wunsch nach alternativen Beförderungsmöglichkeiten und der Erfolg solcher Geschäftsmodelle, die auf das Teilen setzen. Die Hamburger Carsharing-Anbieter DriveNow und car2go etwa verfügen mittlerweile über 450 beziehungsweise 700 Fahrzeuge im Stadtgebiet, deren Nutzung minutengenau abgerechnet wird.

Der Erfolg der bisherigen Angebote war laut Gero Graf, Managing Director von Drivy Deutschland, ein Grund für das Unternehmen, nach Berlin auch in Hamburg zu investieren. „Die Hamburger nutzen solche Modelle sehr viel, was für uns bedeutet, dass die Akzeptanz hoch sein muss und dass offenbar viele kein eigenes Auto haben“, sagt der 34-Jährige.

Drivy setze vor allem auf eine längerfristige Nutzung der Autos, die Mindestmietdauer beträgt einen Tag. Autonutzer zahlen einen Festpreis, der sich aus den Kosten für Miete, Versicherung und 100 Kilometer Fahrstrecke zusammensetzt. Sophie Hoffmanns schwarzer Mini Cooper beispielsweise, der vier Jahre alt ist, kostet 35 Euro pro Tag. Hinzu kommen neun Cent pro gefahrenem Kilometer, wobei die Betreiber davon ausgehen, dass mindestens 100 Kilometer pro Tag zurückgelegt werden. Sophie Hoffmann erhält von dem Mietpreis 70 Prozent, der Rest geht an Drivy und den Versicherungspartner Allianz.

„In Frankreich haben wir erlebt, dass Vermieter Drivy nutzen, um sich ein Auto überhaupt leisten zu können“, sagt Graf. Darauf zielt auch der Werbespruch auf in Pink und Blau gehaltenen Flyern ab: „Geld verdienen statt Laub sammeln“, daneben ein mit Blättern bedecktes Auto. „Für mich stand bei meiner Registrierung im Vordergrund, dass mein Auto genutzt werden soll“, sagt Sophie Hoffmann, die über Facebook von dem Geschäftsmodell erfahren hat. „Unter der Woche steht sich der Mini sonst die Reifen platt.“ Davon überzeugt, ihr Auto an Fremde zu verleihen, habe sie letztlich der Versicherungsschutz, der Teil- und Vollkasko umfasst sowie Haftpflicht. Mieter können zwischen 150 und 800 Euro Selbstbeteiligung wählen.

Die Idee für Drivy stammt von dem Franzosen Paulin Dementhon, der zunächst von seiner Wohnung in Marseille aus arbeitete. Inzwischen sitzt die Firma mit 30 Mitarbeitern in einem Büro im 11. Pariser Arrondissement und hat nach eigenen Angaben rund 400.000 Nutzer, die sich 20.000 angemeldete Autos teilen. Rund 500.000 Anmietungstage verzeichnete das Unternehmen in Frankreich bisher.

Im Frühjahr 2014 investierten Index Ventures und Alven Capital zusammen sechs Millionen Euro in das Start-up. „Inzwischen sind bei uns mehr als 100 Autos in Berlin registriert“, sagt Graf. „Nähe ist das wichtigste Argument für Nutzer. Wenn ein privates Auto gleich um die Ecke abgeholt werden kann, muss man nicht erst eine Vermietung suchen.“

Das Geschäftsmodell der privaten Autovermietung nutzen bereits andere Unternehmen wie etwa Tamyca und Autonetzer. Die Betreiber von Drivy wollen sich vor allem durch ein flächendeckendes Angebot von der Konkurrenz absetzen. Für Hamburg seien fünf bis zehn Fahrzeuge pro Stadtteil das Ziel, so Graf. „ Die Ersten, die sich angemeldet haben, haben wir alle persönlich angerufen, um sie zu begrüßen und ihnen einen Ansprechpartner zu bieten.“

Deutsche seien nicht unbedingt wie Franzosen und mit ihren Autos doch eher eigen, das hört Gero Graf häufig wenn es um den Aufbau von Drivy in Deutschland geht. „Wir wollen aber auch gar nicht jeden Deutschen mit diesem Geschäftsmodell abholen. Es geht zunächst vor allem darum, eine flächendeckende Gemeinschaft aufzubauen.“ Mittelfristig werden in Hamburg ein bis zwei Mitarbeiter stationiert, so der Plan. Als nächstes soll die Plattform dann in München verfügbar sein.