Tarifverhandlungen in der norddeutschen Metallindustrie stocken. Auch in der Chemiebranche wird gestritten.

Hamburg. In der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie finden seit der vergangenen Nacht Warnstreiks statt. Um Mitternacht legten Beschäftigte des Mercedes-Werks in Hausbruch, des Gabelstaplerherstellers Still und des Stahlwerks von Arcelor Mittal kurzzeitig die Arbeit nieder. Der Grund: Auch in der zweiten Verhandlungsrunde für den Bezirk Küste konnten sich die IG Metall und der Arbeitgeberverband Nordmetall nicht auf einen Tarifvertrag für die 140.000 Beschäftigten in Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und das nordwestliche Niedersachsen einigen. Zuvor waren bereits die Verhandlungen in anderen Bezirken wie Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ohne Einigung vertagt worden. Im Norden wollen die Tarifparteien nun am 12. Februar in Hamburg einen neuen Einigungsversuch starten.

Die Vorstellungen von Gewerkschaft und Arbeitgeber liegen noch weit auseinander. So verlangt die IG Metall für die Beschäftigten 5,5 Prozent mehr Lohn, verbesserte Altersteilzeit-Regelungen und einen Anspruch auf Bildungs-Teilzeit. Die Arbeitgeber haben bisher 2,2 Prozent höhere Löhne bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten in Aussicht gestellt. Zudem wollen die Arbeitgeber die Möglichkeit zur Altersteilzeit in einem Betrieb auf zwei Prozent der jeweiligen Belegschaft begrenzen. „Es sollen nur noch die wirklich belasteten Beschäftigten zum Zug kommen“, so ein Gesamtmetall-Sprecher zum Abendblatt. Die Finanzierung dafür wollen die Arbeitgeber komplett übernehmen. Bisher können maximal vier Prozent der Belegschaft eines Unternehmens in Altersteilzeit gehen. „Die Rente mit 63 hat bereits vielen Arbeitnehmern in der Metall- und Elektroindustrie den Übergang in den vorzeitigen Ruhestand ermöglicht“, heißt es von Gesamtmetall.

„Das Angebot der Arbeitgeber hilft nicht, den Tarifkonflikt zu lösen, sondern verschärft ihn“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste, am Mittwoch. Um den Druck im Norden zu erhöhen, soll am heutigen Donnerstag um 10.00 Uhr eine Kundgebung vor den Werkstoren des Flugzeugherstellers Airbus auf Finkenwerder stattfinden. Mehrere tausend Beschäftigte werden zu der Protestaktion erwartet. Die Demonstration ist eingebettet in einen Warnstreik bei Airbus, der von 9 bis 12 Uhr dauert.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass es in den Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie zu zwei und mehr Gesprächsrunden kommt. Auch Warnstreiks finden nahezu in jeder Lohnrunde statt. Über dieses Instrument versucht die IG Metall, ihre aktuellen Mitglieder stärker an sich zu binden und weitere Beschäftigte für die Gewerkschaft zu begeistern. Nach drei oder vier Verhandlungsrunden in den sieben IG Metall-Bezirken kristallisiert sich meistens eine Region heraus, die einen Pilotabschluss erreicht, welcher dann in den anderen Bezirken übernommen wird. Pilotbezirke waren bisher meist Baden-Württemberg, Bayern oder Nordrhein-Westfalen. Denn dort sitzen mit den Autoherstellern und anderen großen Metallunternehmen die mächtigsten Arbeitgeber der Branche.

Nicht nur in der Metallindustrie wird derzeit über Lohnprozente und bessere Arbeitsbedingungen gestritten. Auch in der Chemiebranche starten heute in Hannover die Tarifverhandlungen für die 65.000 Beschäftigten in Norddeutschland. Die Gewerkschaft IG BCE verlangt 4,8 Prozent höhere Löhne bei einer Tarifvertragslaufzeit von zwölf Monaten, 60 Euro mehr für Azubis und verbesserte Altersteilzeitregelungen. Die Arbeitgeber im Norden lehnen den Forderungskatalog ab und wollen selbst mit einer „klaren Kampfansage“ in die erste Runde der Tarifverhandlungen gehen. „Vier Jahre Nullwachstum und 4,8 Prozent Entgeltsteigerung passen nicht zusammen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes ChemieNord, Jochen Wilkens. Jedes siebte Chemie-Unternehmen im Norden schreibe Verluste, 80 Prozent führten Programme zur Kostensenkung durch. „Die Arbeitgeber werden in dieser Tarifrunde nur einen Abschluss machen, der sich an der äußerst geringen Produktivität unserer Unternehmen orientiert“, so Wilkens. Offensichtlich könnten die Gespräche in der Branche 2015 schwierig werden. Denn auch die IG BCE gibt sich wenig kompromissbereit. „Wenn nicht alle Vorzeichen trügen, so stehen wir vor einer langen und harten Tarifrunde. So mancher Arbeitergeber führt sich bereits im Vorfeld auf wie Rambo“, sagte der Verhandlungsführer der Gewerkschaft, Peter Hausmann.