Heute könnte die Europäische Zentralbank das größte Programm zum Ankauf von Staatsanleihen starten

Frankfurt/Hamburg. Die Geldflut naht: EZB-Chef Mario Draghi hat die Tür für groß angelegte Staatsanleihenkäufe bereits weit geöffnet. Heute dürfte die Notenbank bekannt geben, wie das wohl umfangreichste Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Ankurbelung der Wirtschaft genau aussehen wird. Börsianer rechnen fest damit, dass Draghi in die Vollen geht. Laut Schätzungen wird die EZB bis zu einer Billion Euro ins Finanzsystem pumpen. Werden die Hüter des Euro dazu neben Staatsanleihen auch private Schuldtitel kaufen? Welche Länder profitieren am stärksten von den Maßnahmen und wer haftet dafür, wenn die Zentralbank massiv Schuldpapiere auf ihre Bilanz nimmt? Draghi will die Fragen heute beantworten oder zumindest die Richtung vorgeben. Es folgt ein Überblick über seine Optionen.

Fall 1: Die EZB übernimmt die Risiken

Die EZB könnte massenhaft Anleihen aufkaufen und selbst das Risiko in ihre Bücher nehmen. Sie würde sich dabei am Anteil der jeweiligen Notenbanken am Grundkapital der EZB orientieren, das je nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftsleistung der Länder unterschiedlich hoch ist. Draghi vermied es bislang, eine konkrete Zahl für die Käufe zu nennen. Doch strebt der EZB-Rat eine Ausweitung der Bilanz auf das Volumen von Anfang 2012 an. Damit müsste die EZB rund eine Billion Euro in die Hand nehmen. Mit dem eingeleiteten Kauf von Hypothekenpapieren und Pfandbriefen dürfte diese Summe nicht annähernd zu erreichen sein. Allerdings könnte die EZB das Spektrum um private Anleihen erweitern.

Kritiker befürchten, dass solide wirtschaftende Länder am Ende für Krisenstaaten haften müssen. Sollten Papiere – etwa von Griechenland – ausfallen, müsste auch der deutsche Steuerzahler bluten. Der niederländische Notenbank-Chef Klaas Knot sieht darin ein Problem: „Wir müssen vermeiden, dass über die Hintertür der EZB-Bilanz Entscheidungen getroffen werden, die den demokratisch legitimierten Politikern der Euro-Länder vorbehalten bleiben müssen.“ Ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma wäre ein Ankauf durch die jeweiligen Notenbanken der Euro-Staaten.

Fall 2: Die nationalen Notenbanken übernehmen den Kauf der Anleihen

Bei diesem Modell verbliebe das Risiko bei den einzelnen Staaten. Die EZB würde den Beschluss fassen, dass die Zentralbanken von Portugal bis Finnland Papiere erwerben können, und ihnen dafür ein Limit setzen. Der französische Notenbank-Chef Christian Noyer ist für „eine prozentuale Obergrenze“. Private Anleger müssten weiterhin die Mehrheit der Anleihen halten. Dies würde theoretisch bedeuten, dass die einzelnen Notenbanken insgesamt bis zu 49,9 Prozent der ausstehenden Verbindlichkeiten des jeweiligen Landes aufkaufen dürften. Da der Schuldenberg der Euro-Staaten insgesamt mehr als neun Billionen Euro groß ist, wäre ein solches Programm jedoch überdimensioniert. Die Obergrenze, falls sie überhaupt kommuniziert wird, dürfte weit niedriger liegen.

Gegner des Programms wie etwa Bundesbank-Chef Jens Weidmann befürchten, dass die EZB den Staaten „Fehlanreize“ bieten würde, ihre Reformanstrengungen zu vermindern. Denn durch den massenhaften Ankauf von Verbindlichkeiten der Staaten kommen diese Länder am Markt günstiger an frisches Geld.

Fall 3: Ein Mix aus Ankäufen der EZB und der nationalen Notenbanken

Draghi könnte den Bedenken gegen eine zu große Haftungsübernahme durch die EZB mit einer Kompromisslösung Rechnung tragen: Die EZB würde demnach nur einen Teil der Ankäufe übernehmen und es den Notenbanken der einzelnen Länder überlassen, bis zu einem gewissen Limit auf eigenes Risiko am Markt aktiv zu werden. Damit würde Draghi womöglich die Bundesbank und andere Gegner besänftigen. Ob eine solche Aufgabenteilung aber reibungslos funktioniert und ein ausreichend großes Volumen zustande kommt, ist offen. Genauso wie die Frage, ob die EZB am Donnerstag tatsächlich bereits den Knopf drücken wird.

IWF-Chefin Christine Lagarde plädiert dafür, das Risiko möglichst weitgehend zu teilen, damit das Programm effektiv sein kann. Dahinter steht auch die Überlegung, dass durch die gemeinsame Haftung mehr Vertrauen in die Durchsetzungskraft der EZB entsteht. Spekulanten würde es damit schwer gemacht, gegen die Notenbank zu wetten, die mit einer potenziell unbegrenzten Feuerkraft ausgestattet ist.

Fall 4: Es gibt jetzt nur einen Grundsatzbeschluss, aber keine Details

Ökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe erwartet, dass sich der EZB-Rat noch nicht auf Umfang, Dauer und Zusammensetzung der Käufe durchringen kann. Dann würde die EZB nur einen Grundsatzbeschluss fassen. Draghi müsste Details nachliefern.

Bis dann dürfte sich auch der Rauch nach den Parlamentswahlen in Griechenland verzogen haben. Denn das vom Internationalen Währungsfonds und der EU vor der Pleite gerettete Land könnte eine Kehrtwende einleiten. Die zentrale Frage lautet: Bleibt es auf Reformkurs oder kommt es zur Abkehr von den Rettungsprogrammen? Ein Ankauf griechischer Staatspapiere dürfte sich bei der letzten Variante für die EZB verbieten.