Turbulenzen an den Finanzmärkten nach der Abkoppelung des Franken. Welche wirschaftlichen Folgen sind zu erwarten? Abendblatt-Interview mit dem ehemaligen HWWI-Chef, Thomas Straubhaar.

Hamburg. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Kopplung des Franken an den Euro aufgegeben und damit Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. Das Abendblatt sprach darüber mit dem Ex-Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und gebürtigen Schweizer Thomas Straubhaar.

Hamburger Abendblatt: Wie beurteilen Sie die Entscheidung der Notenbank?

Thomas Straubhaar: Für alle war der Schritt eine komplette Überraschung. Ehrlich gesagt: Es war ein Schock. Die Notenbanker haben damit die Notbremse gezogen. Aus Furcht vor einer weiteren starken Abwertung des Euro, die zum einen durch den möglichen Austritt Griechenlands bevorsteht, und vor allem durch die Bekanntgabe des EuGH, dass dem Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB rechtlich nichts mehr im Wege steht. Die enge Bindung des Franken an den Euro hat die Schweizer Notenbank bereits mehrere Hundert Milliarden Franken gekostet – und hätte weitere Milliarden gekostet. So hat man sich für ein Ende mit Schrecken statt eines Schreckens ohne Ende entschieden. Letztlich hat sich die Schweizer Notenbank damit auch wieder für die Rückkehr zu einer unabhängigen Geldpolitik entschieden.

Welche Auswirkung hat der Schritt auf die Schweizer Wirtschaft?

Straubhaar: Die Abkoppelung wird in vielen Bereichen Bremsspuren hinterlassen. Die Schweiz hat allein innerhalb eines Tages etwa 60 Milliarden Franken durch die Kursabwertung ihrer Devisenreserven verloren. Dies entspricht etwa einem Zehntel des Schweizer Bruttoinlandsproduktes. Das ist ein extrem hoher Preis, der nicht so einfach weggesteckt wird.

Konjunktur in der Schweiz wird ins Stocken geraten

Die Konjunktur in der Schweiz wird ins Stocken geraten, das Wachstum wird schwächer. Dies ist ein Schlag gerade für exportorientierte Unternehmen. Betroffen sind Konsumgüterhersteller wie die Nahrungsmittelindustrie, aber auch Luxusartikelhersteller von Uhren oder Schmuck, Maschinenbauer und die starken Zulieferer für die deutsche Autoindustrie. Auch der Tourismus wird extrem leiden. Viele Deutsche, aber auch Italiener oder Franzosen werden nicht mehr in der Schweiz Ski fahren oder bergwandern, weil dies dort deutlich teurer ist als in den Euro-Ländern. Zudem wird die Erwerbslosigkeit kurzfristig steigen. Viele Deutsche, die in der Schweiz arbeiten, werden Probleme haben, ihre Jobs zu behalten.

Welche Folgen ergeben sich für die Euro-Länder?

Straubhaar: Für die Euro-Zone hat die Entscheidung zunächst negative Folgen. Die Währungsturbulenzen werden anhalten. Der Euro wird auch gegenüber anderen Währungen weiter an Wert verlieren. Dies bedeutet, dass alle Vermögenswerte im Euro-Raum abgewertet werden. Zugleich sinkt die Kaufkraft der Europäer im Ausland. Importe verteuern sich. Es gibt aber auch einen starken Vorteil – vor allem für Deutschland: Die Euro-Abwertung wirkt zusammen mit den niedrigen Zinsen und günstigen Energiepreisen wie ein Konjunkturprogramm für 2015. Die Chancen der deutschen Exportwirtschaft verbessern sich deutlich, da ihre Produkte günstiger werden.

Wie wird sich der Wechselkurs zum Franken weiterentwickeln?

Straubhaar: Es ist zu befürchten, dass sich der Euro-Kurs in Richtung Parität zum Franken entwickelt oder sogar weniger als ein Franken wert ist. Dies entspräche nicht der realen Kaufkraft. Schon heute ist Milch in der Schweiz doppelt so teuer wie hierzulande.

Wird es den Euro trotz Turbulenzen in zehn Jahren noch geben?

Straubhaar: Bei aller Kritik steht Europa mit dem Euro besser da als mit vielen Einzelwährungen. Selbst wenn Länder aus dem Währungsverbund ausscheren, wären dies eher die Schwächeren, die gehen, was den Euro stärken und nicht schwächen würde. Ich bin überzeugt, dass der Euro uns alle überleben wird.